«Ich wollte selber Gemüse anbauen», erzählt Olivia Stafflage von den Anfängen. Die gelernte Schreinerin und Innenarchitektin ist Quereinsteigerin in die Landwirtschaft. Heute lebt sie mit ihrer Familie an steiler Lage unmittelbar oberhalb des Dorfes Sarnen OW auf der Summerweid. Hier konnten sie vor einigen Jahren ein altes baufälliges Bauernhaus kaufen und inzwischen durch einen Neubau in Holz ersetzen. Dazu kam rund eine Hektare Land, worauf Patenbäume gepflanzt wurden. Zudem werden einige Schafe und Hühner gehalten. Den Nebenerwerbsbetrieb führt Stafflage selber, den Sommer über unterstützt von ihrem auswärts arbeitenden Mann.

Gemüse und mehr vom Hof

Während ihrer Ausbildung zur Bäuerin lernte Stafflage die Biogemüsegärtnerin Madeleine Michel kennen, welche in der Region einen 20 ha grossen Betrieb mit Milchwirtschaft, Gemüseanbau und Direktvermarktung mit Teilzeitmitarbeitenden führt, ihr Mann arbeitet auswärts. Sie berichtete von einer grossen Nachfrage für Gemüse in Obwalden.

So legte Stafflage auf der Summerweid selber einen grossen Garten an, mit dem Ziel, nicht wie bei Michel Gemüsekörbe anzubieten, sondern die Kunden sollten ihr Gemüse selber auf dem Feld ernten. Bei der Anlage und Kulturenwahl im grossen Garten wurde sie von Madeleine Michel unterstützt. So entstand auf der Summerweid vor rund vier Jahren der erste Selbsterntegarten. Im Jahresabo können die Kunden nicht nur Gemüse ernten, sondern erhalten auch weitere Produkte vom Hof wie Fleisch und Eier.

Inspirieren liessen sich die beiden Bäuerinnen von den Konzepten der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi). «Die Leute sollen sich wieder an der landwirtschaftlichen Arbeit beteiligen», sagt Stafflage.

Weitere Standorte gesucht

Inzwischen gibt es solche Selbsterntegärten nach ihrem Konzept bereits an neun Standorten, vor allem in der Zentralschweiz. Und seit diesem Sommer ist das Projekt auch als Verein mit eigenen Statuten organisiert. Die Nachfrage nehme zu, nächstes Jahr kommt ein weiterer Standort dazu, sodass die beiden Bäuerinnen nun eine Gärtnerin als Mitarbeitende einstellen. «Das Potenzial für andere Landwirtschaftsbetriebe, welche einen neuen Betriebszweig aufbauen wollen, ist gross», erklärt Stafflage. Im Vordergrund sollten allerdings nicht die finanziellen Vorteile stehen, obwohl die Erlöse den Arbeitsaufwand sehr wohl gut abdecken. Vielmehr böten Selbsterntegärten der Landwirtschaft die Möglichkeit, näher an die Konsumenten zu gelangen. So könnten weitere Hofprodukte über das Abo direkt an die Konsumenten verkauft werden.

Wer sich als Landwirtschaftsbetrieb für das Konzept Selbsterntegarten interessiert, dem bieten die beiden Bäuerinnen Einführung und Begleitung beim Aufbau an. Mit der kompletten Anbauplanung, Unterstützung bei der Kulturführung und den Umgang mit den Konsumenten werde Neueinsteigern ein guter Start garantiert. Und durch die wachsende Bekanntheit der Website könnten Abonnenten leichter für dieses Projekt gewonnen werden.

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Die Arbeiten im Garten werden vorwiegend von den Gartenanbietern erledigt. Die Konsumenten leisten ihren Einsatz an den beiden Helfertagen im Frühling und im Herbst. Ihre Hauptaufgabe liegt bei der Ernte und der Weiterverarbeitung. «Wir legen Wert darauf, beim Setzen und bei der Pflege des Gartens mitarbeiten zu können und dass das Gemüse biologisch angebaut wird», betont Stafflage. So seien sie in der Startphase sicher alle zwei Wochen vor Ort, den Umfang der Unterstützung könnten aber die Gartenanbieter bestimmen, erklärt Stafflage.

Der Garten sei das Kernelement und das Gesamtangebot variiere je nach Standort. So könne das Abo je nach Standort nicht nur Gemüse umfassen, sondern auch weitere Hofprodukte wie Milch, Fleisch, Obst oder Mehl. Auch Kurse, so für Gemüse einmachen, Salben herstellen, Blumengestecke binden usw., und das jährlich angebotene Hoffest seien sehr beliebt. «So kann sich jeder Bewirtschafter mit seinen Fähigkeiten entfalten.» Deshalb seien auch die Abopreise unterschiedlich hoch. Die se schwanken zudem je nach Grösse des Kundenhaushaltes. Für das Sortiment auf der Summerweid sind es beispielsweise 930 Franken pro Jahr für einen Kleinhaushalt oder 1350 Franken für einen Haushalt mit fünf bis sechs Personen.

Die Gartenarbeiten während der Erntezeit von Mitte März bis Ende Oktober seien nicht zu unterschätzen. Kalkuliert würden gemäss Musterrechnung wöchentlich sechs Stunden. «Ein fixer Gartenhalbtag von rund drei Stunden mit zwei Personen ist wichtig», betont Stafflage. Dazu kommen während 40 Wochen für die Gartenanbieter wöchentlich noch zwei Stunden für Rundumpflege, Koordination und Administratives. «Wir produzieren Grundnahrungsmittel für andere Menschen. Diese Arbeit ist wertvoll und muss fair entlöhnt werden», findet Madeleine Michel.

In einem Chat werden die Beteiligten über die aktuellen Arbeiten im Garten informiert und was es demnächst wo zu ernten gebe. Das erntereife Gemüse werde jeweils für die nächsten Kunden mit roten Fähnlein markiert. So könne gezielt geerntet werden, damit nicht selektiv nur die schönste Ware herausgepickt wird.

Kunden an den Garten binden

Damit der Garten, welcher rund 600 bis 1000 m2 umfasst, wirtschaftlich betrieben werden könne, brauche es rund 20 Familien und Einzelpersonen als Abonnenten. Beworben werden sollten an Selbstversorgung interessierte Konsumenten aus der unmittelbaren Umgebung, welche zu Fuss oder mit dem Velo zum Garten gelangen könnten.

In allen Gärten gebe es zweimal jährlich einen Helfertag für weitere Gartenarbeiten. Das helfe zusätzlich mit, den Dialog zu fördern, über die Landwirtschaft zu informieren und die Gesellschaft für eine gesunde Ernährung zu sensibilisieren.

Einsteiger gesucht

Madeleine Michel und Olivia Stafflage ziehen nach den ersten Jahren eine sehr positive Bilanz. Auf der Summerweid sei nach vier Jahren Aufbauarbeit und Kulturenoptimierung der Garten perfekt an die Kundenstruktur und -bedürfnisse angepasst, erklärt Stafflage. Auch an den weiteren Standorten wird von positiven Erfahrungen berichtet. Die beiden Gründer des Konzepts Selbsterntegarten sind denn auch interessiert, dies weiterzuverbreiten und neue Anbieter zu motivieren. Sie weisen darauf hin, dass ihr Verein auch finanzielle Unterstützung als Starthilfe bieten kann, so beispielsweise für Erntewagen, Wasserschläuche oder Gartenschilder.

Weitere Informationen: www.selbsterntegarten.ch

«Es braucht klare Weisungen gegenüber den Kunden für das Ernten im Garten»

Vera und Marco Imfeld vom Waldhof in Sursee bieten den Selbsterntegarten seit 2023 an. Aufgrund eines Kontaktes mit Madeleine Michel im OK des Zentralschweizer Biomarktes «O sole bio» seien sie auf die Idee gekommen, und Marco besuchte auch Kurse der Solidarischen Landwirtschaft, so für den Gemüsebau.

Schon bei der Pachtübernahme 2022 hätten sie die Absicht für einen Selbsterntegarten ihrem Verpächter, der Korporation Sursee, kommuniziert. Vorher wurde der Waldhof von Marcos Eltern bewirtschaftet. Der schon 1999 auf Bio umgestellte Betrieb umfasst 22 ha LN, 23 Milchkühe, 3 ha Getreide und 3 ha Silomais und nun auch den Selbsterntearten auf rund 700 m2 offener Fläche. Sie hätten das Konzept des Vereins Selbsterntegarten übernommen. Vorgegeben darin seien die Grösse, das Sortiment, die Anbauplanung und auch Unterstützung beim Unterhalt. Individuelle Wünsche könnten aber sehr wohl realisiert werden, betonen Imfelds. So bieten sie den Kunden neben dem Standardsortiment auch weitere Gemüse, Kräuter, Blumen, Obst, Milch sowie Mehl von Bruders Mühle in Geuensee an.
Die Abo-Preise seien so konzipiert, dass Imfelds die Bodenbearbeitung, das Setzen, Jäten und die Pflege übernehmen, die Ernte sei aber ausgelagert an die Kunden in deren Eigenverantwortung.
Die rund 20 Abonnenten hätten sie dank Flyern, verteilt in Quartiere und Läden, sowie Medienberichten innert Kürze gefunden. Mutationen gab es für dieses Jahr nur wenige. Ziel sei, dass der Garten zu Fuss oder mit dem Velo besucht wird.

Die Erfahrungen seien bisher sehr positiv. Es brauche aber klare Weisungen zum Ernten, da viele Leute keine Ahnung von Gartenarbeiten hätten. Bauernfamilien, die einsteigen möchten, sollten sicher Freude an der Gartenarbeit haben und bereit sein für Dialoge mit Kunden. «Das ist eine gute Gelegenheit für Aufklärungsarbeit über Landwirtschaft und Ernährung», betont Vera Imfeld. Und es brauche Selbstdisziplin für die notwendigen Gartenarbeiten. Imfelds haben sich den Mittwochmorgen fix reserviert, wo zu zweit im Garten gearbeitet wird.