Das landwirtschaftliche Begegnungszentrum Burgrain in Alberswil, besser bekannt als Agrovision, war auch in den letzten Monaten vor allem an Wochenenden proppenvoll. Sehr viele Familien mit Kindern genossen den Besuch im offenen Stall und auf dem Spielplatz, im Hofladen, dem Biorestaurant Burgrain-Stube und auf dem Areal, wo es so viel zu erleben und Interessantes rund um die Landwirtschaft zu entdecken gibt. Hier werde seit mehr als zehn Jahren die Vision von Bioprodukten, fairem Handel, umweltgerechter Entwicklung und Innovation gelebt. «Und der Landwirtschaftsbetrieb produziert schon heute so, wie wir es für die Zukunft wünschen: biologisch, nachhaltig und mit viel Herzblut», heisst es auf der Website.
Museum hat noch Potenzial
Weniger Andrang als der Erlebnishof Burgrain verzeichnet das nahe Agrarmuseum, obwohl nur wenige Schritte entfernt und mit einem attraktiven Naturpfad mit vielen Ökoelementen, Spielmöglichkeiten und Schaugarten verbunden. Vor rund einem halben Jahr wurde das neu gebaute und konzeptionell komplett modernisierte Museum wieder eröffnet. Es ist längst nicht mehr ein verstaubtes Museum, wo es lediglich eingemottete Gerätschaften aus der Vergangenheit der landtechnischen Entwicklung zu sehen gibt. Vielmehr will es ein Bildungs- und Dialogzentrum für nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung sein. Mit einem breiten Angebot an Ausstellungen und Rundgängen zur Auseinandersetzung mit Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Und zu Fragen wie: «Wie ernähren wir uns, welche Landwirtschaft wollen und brauchen wir?», wie es auf deren Website heisst.
«Es wird kaum jemand nach dem Besuch seinen Konsum total verändern.»
Laut Walter Haas trägt das Museum aber zu mehr Sensibilisierung bei.
Engere Zusammenarbeit
«Das Agrarmuseum Burgrain und die Agrovision Burgrain ergänzen sich somit ideal», betont Walter Haas, Vizepräsident der Stiftung und Präsident des Museumsvereins Burgrain. Hinter dem Museum und der Agrovision stehen zwei juristisch undfinanziell getrennte Stiftungen.
Auf der strategischen Ebene werde aber eng mit der Stiftung Agrovision beziehungsweise der Agrovision Burgrain AG zusammengearbeitet, und auch die Vermarktung und Bewerbung nach aussen erfolge gemeinsam. Es gebe allerdings im operativen Bereich schon noch mehr Potenzial beim gemeinsamen Auftritt, meint Haas.
Besucherzahlen wie auf dem Erlebnishof kann das kostenpflichtige Museum noch keineswegs aufweisen. Im Schnitt seien es knapp 1000 monatlich, was kein schlechter Start sei, meint Co-Leiterin Jacqueline Grigo. Erfreulicherweise hätten auch schon viele Schulklassen dieses Bildungszentrum besucht, wo den Jungen Zielkonflikte und Spannungsfelder im Bereich Landwirtschaft und Ernährung aufgezeigt und wo sie für einen nachhaltigen Konsum sensibilisiert werden. Für Lehrpersonen sei das Museum mit den Produktionsbetrieben ein Glücksfall. Hier könne das Konzept «Bildung für nachhaltige Entwicklung» aus dem Lehrplan 21 in der Praxis erlebt werden, zitiert Grigo Markus Wilhelm von der Pädagogischen Hochschule Luzern.
Künftig sollen deshalb noch mehr Schulen angesprochen werden, dank Erlebnismodulen und vorgefertigten Unterrichtseinheiten, sagt Grigo. Allerdings sei der etwas abgelegene Standort des Burgrains eine Heraus-forderung und vielen Schulen fehle das Budget für die Reisekosten.
Mehr zahlende Besucher
Für Walter Haas ist es nach sechs Monaten und unter Covid-Bedingungen verfrüht, schon entsprechende Schlüsse aufgrund der Besucherzahlen zu ziehen. Gleichwohl verhehlt Haas nicht, dass es künftig deutlich mehr zahlende Eintritte brauche. Die Finanzierung der Betriebskosten sei eine Herausforderung, die Einnahmen aus Eintritten würden bei weitem nicht reichen. Für den Betrieb sei die Stiftung Schweizerisches Agrarmuseum verantwortlich, sie sei auch Besitzerin der Ausstellung und der Exponate. Der Museumsverein ist im Neubau eingemietet und hat die laufenden Kosten, auch der drei bis vier Teilzeitangestellten, zu tragen. Zwar unterstütze die Stiftung nach wie vor und auch die Mitglieder des Museumsvereins und des Gönnervereins würden grosszügig finanzielle Beiträge leisten. Aus eigener Kraft sei es aber sehr schwierig, das Museum finanziell halten zu können. Es brauche künftig mehr Einnahmen von mehr Besuchern und von mehr Vereinsmitgliedern.
Die Ausstellung im Museum «wer ist Landwirtschaft?» komme aber bei den Besuchenden gut an, es gebe viele positive Rückmeldungen, auch aus landwirtschaftlichen Kreisen, sagen Haas und Jacqueline Grigo übereinstimmend. «Es wird wohl kaum jemand sein Konsumverhalten nach dem Besuch total ändern, der Einfluss der Ausstellung ist aber bestimmt im Interesse der einheimischen Landwirtschaft.»
Bildungs- und Dialogzentrum
Künftig soll das moderne Agrarmuseum durch stärkere Bewerbung über die Region hinaus in der ganzen Schweiz bekannter gemacht werden. Nicht nur geografisch, sondern auch inhaltlich wolle sich das Museum ausdehnen, betont Jacqueline Grigo. Beispielsweise indem Themen wie die wechselseitige Beeinflussung von Klima und Landwirtschaft vertieft werden. Zudem soll sich das Museum nicht nur als Bildungs- sondern auch als Dialogzentrum weiterentwickeln. Grigo dazu: «Wir verstehen uns als Ort, wo verschiedene Sichtweisen, Meinungen und Standpunkte miteinander ins Gespräch gebracht und bestehende Gräben überwunden werden können.»
Weitere Informationen: www.museumburgrain.ch
Meinung zum Konzept Burgrain
Ende November besuchten die Vorstände des Solothurner Bauernverbandes und des Solothurnischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes anlässlich eines gemeinsamen Ausflugs den Burgrain. Dabei tauschten sich die Solothurner bei einem gemeinsamen Mittagessen auch mit dem Vorstand des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes aus. Wir befragten bei dieser Gelegenheit die Gäste aus dem Solothurnischen zu ihren Eindrücken vom Burgrain. Stellvertretend folgend die Meinung von Katia Bachmann-Borer, Aktuarin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes: «Im Burgrain wird ein ganzheitliches Konzept von Betrieb, Käserei, Bäckerei, Restaurant usw. präsentiert und überzeugend nach aussen getragen. Die innovative Haltung ist beeindruckend.
Das Konzept bringt durchaus viele Fakten, die wir in der Landwirtschaft nicht so gerne hören – wie beispielsweise Fleischkonsum im Konflikt mit der Umwelt – auf den Tisch und bietet eine Lösung dafür. Der Betrieb bietet dem Konsumenten ein Bild der Landwirtschaft, das nicht romantischer dargestellt wird, als es ist und doch sind eher wenige Betriebe in der Schweiz entsprechend aufgestellt.
Ich bin überzeugt, dasssich die Landwirtschaft in der Schweiz in den nächsten Jahren stark verändern wird und ich denke auch, dass nur jene bestehen, die die Fakten anerkennen und entsprechend darauf reagieren. Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit sowie auch eine Veränderung im Fleisch- und Milchkonsum wird anhalten. Ob wir das schön finden oder nicht, spielt keine Rolle. Ich denke, die Rolle der Landwirtschaft wird es weiterhin sein, den Konsumenten zu überzeugen, dass wir gute Lebensmittel produzieren und mit und für unsere Umwelt arbeiten. Gleichzeitig müssen wir aber für Veränderungen offen sein und sie als Chancen sehen und nicht als Bedrohungen.»
