«Das bitzli Huushalt isch doch keis Problem…», wird in der mittlerweile über 20-jährigen Sitcom «Fertig lustig» des Schweizer Fernsehens gesungen. Das Lied ist zwar uralt, nicht aber die Tatsache, dass auch heute der Haushalt eine tägliche Arbeit ist. Gerade auf einem Landwirtschaftsbetrieb nimmt dieser ein hoher Stellenwert ein. Denn zum Haushalt gehört nicht nur das Kochen, die Wäsche und Reinigungsarbeiten, sondern auch Konservieren, Gartenarbeit, Abfallentsorgung oder das Flicken von Arbeitshosen.
Umstellung nach der Schulzeit
Larissa Oswald absolviert das Haushaltsjahr «Agriprakti», das vom Luzerner Bauernverband lanciert wurde. Für die junge Frau war es, anders als im Lied, doch etwas weniger locker. «Wenn man das Zwischenjahr macht, muss einem schon bewusst sein, dass es am Anfang recht streng ist», erzählt die 15-Jährige. Denn zum Agriprakti gehören nicht nur, nach der Schulzeit, die man hauptsächlich sitzend verbracht hat, 10 Stunden Präsenzzeit am Tag, in der gearbeitet und gegessen wird. Nein, dazu kommt ein weiterer Tag Schule am BBZN Sursee mit theoretischen und praktischen Unterrichtsfächern und eine Lerndoku.
Zu jung für die Lehre
Die junge Thurgauerin hat bereits eine Lehrstelle als Raumausstatterin, allerdings kann sie diese erst mit 16 Jahren antreten. So hat sie sich für das Agriprakti entschieden, nachdem sie 2023 einen Zeitungsartikel darüber gelesen hatte. Nachdem sie zusammen mit ihren Eltern mehrere Betriebe angeschaut hatte, entschied sie sich, auf dem Betrieb von Aline Purtschert zu schnuppern. Ihr war bei der Wahl wichtig, dass der Betrieb etwas anders ausgerichtet ist, als sie es von zuhause kennt.
Das kann die «Eierranch» in Buttisholz LU bieten. Purtscherts haben Freiland-Legehennen, Angus-Mutterkühe und Ackerbau. Der Haushalt besteht aus Aline und Henry Purtschert mit dem gemeinsamen Sohn Yuri und bald einem Geschwisterchen, einem Angestellten und ihren Eltern in Teilzeit.
Aline Purtschert hat selbst ein Haushaltslehrjahr im Welschen absolviert, anschliessend Restaurationsfachfrau und als Zweitausbildung Kleinkinderzieherin gelernt. Um den Hof ihrer Eltern Anfang 2023 übernehmen zu können, absolvierte sie die Ausbildung zur Bäuerin FA. Ihr Mann, ursprünglich Logistiker, hat Landwirt in der Zweitausbildung gelernt und ist jetzt an der BLS 1.
Gibt gerne weiter
Aline Purtschert ist für den Haushalt und den Hofladen zuständig, in dem es unter anderem Eier, Angus-Beef, Legehennenfleisch, Urdinkel-Mehl und -Eierteigwaren, Tomaten-Zucchinisauce, Konfitüren und Merängwaren zu kaufen gibt. Sie pflegt einen grossen Garten, und ihr ist ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad wichtig. «Nur das Schweizerkreuz auf einem zugekauften Produkt reicht mir nicht. Ich lese immer hinten auf der Verpackung, ob es wirklich aus der Schweiz stammt», erklärt die 32-jährige dezidiert.
Bereits ihre Mutter hatte, als Purtschert noch ein Teenager war, eine Agriprakti-Schülerin auf dem Hof beschäftigt. Dass sie nun ebenfalls Anbieterin des Angebotes ist, verdankt sie der Werbung, die sie in der Bäuerinnenschule sah. «Ich gebe gerne anderen etwas weiter, was mir selbst Freude bereitet», erklärt Aline Purtschert. Denn neben ihrem Beruf als Kleinkindererzieherin habe sie früher Leichtathletik geleitet und Tanzunterricht gegeben. Und da sie noch so nahe an der Bäuerinnenschule sei, und ihr Wissen entsprechend frisch, können sie und die Agriprakti-Schülerin voneinander profitieren.
Larissa Oswald ist Purtscherts zweite Agriprakti-Absolventin und die Stelle für das nächste Schuljahr ist ebenfalls bereits besetzt. Besonders jetzt in ihrer Schwangerschaft, sei es eine Erleichterung, wenn etwas getragen werden müsse, oder damit sie sich kurz hinlegen könne, wenn ihr 1,5-jähriger Sohn schlafe und Larissa in der Zwischenzeit die Küche bereits fertig gemacht habe.
Larissas Oswalds Tag in der «Rüebli-RS», wie ihre Kollegen das Agriprakti scherzhaft nennen, beginnt um 7 Uhr mit dem Vorbereiten des Frühstücks. Dabei gibt es zweimal wöchentlich Spiegeleier. Nach dem Reinigen der Küche kann sie bei den Hühnern helfen, was nebst der Produktion und der Gartenarbeit zu ihren Lieblingsarbeiten gehört. Anschliessend sei jeder Tag ein wenig anders. Fixpunkte in der Woche sind die Wäsche am Montag, die Schule am Mittwoch und die Reinigungsarbeiten am Freitag.
Lieblingsfach Kochen
«Ich finde es cool, dass die Arbeit so abwechslungsreich ist», sagt Larissa Oswald, es gäbe auch nichts, was sie nicht gerne mache. Sie und ihre zwei Geschwister hatten bereits zu Hause ihre Ämtli, so dass es für sie nicht ungewöhnlich ist, im Haushalt mit anzupacken.
Am BBZN Sursee werden im Agriprakti-Jahr die Fächer Allgemeinbildung, Ernährung und Verpflegung, Haushaltsführung, Gartenbau, Produkteverwertung und Gesundheitsvorsorge unterrichtet. Im Lehrstellencoaching werden die Jugendlichen bei der Lehrstellensuche unterstützt. Oswalds Lieblingsfach ist das Kochen, denn da lerne man viel und sitze nicht nur auf der Schulbank.
Die Zeit für das Lernen, das zu Bett gehen oder Aufstehen kann sie sich selbst einteilen. Meist mache sie einen Teil des Lernens in den anderthalb Stunden Mittagspause und den Rest am Abend. Das Wochenende, sprich Freitag- bis Sonntagabend, verbringt Larissa Oswald jeweils zu Hause, mit ihrer Familie, Kolleginnen und ihrem Freund.
Konsum neu denken
Das Motto des jährlich am 21. März stattfindenden Welthauswirtschaftstags wird jeweils von International Federation for Home Economics (IFHE) festgelegt. Dieses Jahr lautet es «Konsum neu denken».
Für Aline Purtschert, die bereits grossen Wert auf die Selbstversorgung legt, ist es selbstverständlich, Lebensmittel selbst zu produzieren oder auch bei benachbarten Höfen zu beziehen, beispielsweise das Obst. Darunter darf es für sie auch Zweitklassware haben, das störe sie nicht. Einzig vielleicht beim Kochen, da sähe sie noch etwas Potenzial. Weniger bei den Produkten und dem eigenen Gemüse, das sie fast das ganze Jahr ernte, sondern mehr bei der Menge. «Ich koche immer Handgelenk mal Pi», sagt sie mit einem Schmunzeln. «Mit etwas mehr Kalkulation könnte ich sicherlich das ein oder andere Mal die Zeit für beispielsweise das zu viele Rüsten der Kartoffeln sparen.» Reste werden allerdings immer aufgebraucht, eingefroren oder an die Schweine verfüttert. Auch da gehe alles wieder in den Kreislauf.
Larissa Oswald erzählt derweil, dass sie jeweils einen Apfel von zuhause mitnimmt, damit sie sich unterwegs nichts kaufen muss. Mit dem Bewusstsein für Regionalität, Saisonalität und der Möglichkeit, Produkte herzustellen, hat sie einen guten Rucksack, um später ihren Haushalt ebenso nachhaltig führen zu können. Denn das ist es, was sie im Agriprakti lernt.
Weitere Informationen zum Agriprakti: www.agriprakti.ch
Drei Vorstandsfrauen der Kommission Luzerner Bäuerinnen geben Antwort zum Thema Haushalt
Welche Fähigkeiten sind wichtig für eine erfolgreiche Hauswirtschaft?
Astrid Murpf: Organisation, Planung und Verantwortung.
Monika Bättig: Flexibilität und Organisation.
Elisabeth Rüttimann: Die Hauswirtschaft als Ganzes kann sehr komplex sein, und dafür braucht es viel Know-how und Flexiblität, um allen Aspekten gerecht zu werden.
Wie sehen Sie auf die Hauswirtschaft vor 20 Jahren zurück, wie sehen Sie sie heute und wie im Jahr 2045?
Astrid Murpf: Vor 20 Jahren gab es die klassische Rollenverteilung, die Frau ist zuständig für den Haushalt, erzieht die Kinder, der Mann geht seiner Arbeit nach und bringt das Geld nach Hause. Es wurde mehr Wert gelegt auf Selbstversorgung, die Lebensmittel wurden für den Vorrat eingemacht. Der Haushalt wurde «perfekter» geführt. Heute hilft auch der Mann im Haushalt mit, kocht, putzt, hilft mit den Kindern (auch auf dem Bauernhof). Da die Frau auch auswärts arbeitet, wird die Arbeit im Haushalt aufgeteilt. Die Bäuerin bekommt heute für ihre Arbeit zu Hause auch eine Entschädigung und wird abgesichert. Die Lebensmittelverschwendung ist heute sehr gross, und es werden viele Lebensmittel importiert und Fertigprodukte gegessen. Die Wertschätzung für einheimische Lebensmittel fehlt. Der Haushalt wird anders geführt, z.B. gebügelt wird heute nicht mehr so viel, und auch Vorräte werden nicht mehr so viele eingemacht. Auf Grund der immer weniger werdenden Landwirtschaftsbetriebe, werden noch mehr Lebensmittel aus dem Ausland importiert und Fertigprodukte gegessen. Auf eine gute Haushaltsführung wird nicht mehr so viel Wert gelegt. Vorräte werden keine mehr eingemacht.
Monika Bättig: Vor 20 Jahren war die Selbstversorgung noch grösser im Vergleich zu heute, was heute nicht zuletzt mit unserem Wohlstand zutun haben könnte. Ich sehe 2045 die Regionalität und Saison wieder etliches höher im Fokus.
Elisabeth Rüttimann: Die Rollenverteilung und auch die Bedeutung einer landwirtschaftlichen Hauswirtschaft war vor 20 Jahren noch sehr klar definiert und auch vielfach gleich praktiziert. Heute sind Grossfamilien, Mehrgenerationen-Haushaltungen, Lehrlinge und Mitarbeiter nicht mehr selbstverständlich in die Betriebsleiterfamilien integriert. Die Strukturen in den landwirtschaftlichen Haushaltungen sind sehr divers geworden und werden sich auch in den kommenden Jahren stark den persönlichen Bedürfnissen der Betriebsleiter anpassen, sowohl in der Rollenverteilung als auch im Management. Wer nicht gerne Selbstversorgung betreibt, wird das auch nicht praktizieren.
Warum ist es wichtig, Kinder und Jugendliche in die Hauswirtschaft mit einzubeziehen?
Astrid Murpf: Die Kinder lernen, welche Aufgaben im Haushalt zu erledigen sind. Wenn sie noch klein sind, auf spielerische Art. Sie sollen Verantwortung übernehmen, in dem sie selbständig Ämtli ausführen müssen. Das ist die Vorbereitung, um später selber einen Haushalt zu führen zu können.
Monika Bättig: Für ihre eigene Entwicklung und das Vertrauen. Für den Umgang mit der Natur und den Lebensmitteln.
Elisabeth Rüttimann: Selbst ein Bericht der Universität Harvard sagt, dass Kinder, die im Haushalt mithelfen mussten, stärkere und selbstbewusstere Erwachsene werden. Es geht um Verantwortung, das Ertragen von Misserfolgen, Zeitmanagement, Rollenverteilung, soziale Aspekte wie das Miteinander.
Was denken Sie, unterscheidet einen bäuerlicher von einem nichtbäuerlichen Haushalt?
Astrid Murpf: Im bäuerlichen Haushalt sitzt man oft gemeinsam am Tisch für die Mahlzeiten. Es werden frisch zubereitete Gerichte aufgetischt. Es gibt einen strukturierten Tagesablauf. Im nichtbäuerlichen Haushalt ist die Gemeinschaft in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich. Auf Grund von Zeitmangel werden öfter Fertigprodukte gegessen.
Monika Bättig: Das Hintergrundwissen.
Elisabeth Rüttimann: Die Strukturen sind anders. Je nach Betrieb trifft sich vom Lieferant bis zum Käufer alles an einem Tisch zu Besprechungen. Wir sind Unternehmen. Es gibt aber auch Betriebe, deren Hauswirtschaft völlig abgekapstelt vom Betrieb geführt wird. Je nach baulicher Situation ist das möglich, z.B., wenn Aufenthaltsräume und Kochmöglichkeiten ausserhalb der Privatwohnung liegen.
«Konsum neu denken» – das Thema des diesjährigen Tags der Hauswirtschaft, was fällt Ihnen dazu ein?
Astrid Murpf: Wir müssen bewusster umgehen mit allem, was wir haben und dankbar dafür sein.Elisabeth Rüttimann: Das Bewusstsein, was wir an Ressourcen ver(sch)wenden, darf in jedem Kopf präsent sein. Dies bedeutet viel Aufklärungsarbeit! Saisonalität und Regionalität müssen präsenter werden und das Warum dahinter muss noch mehr nach vorne getragen werden. Wenige Konsumenten sind sich dem Fussabdruck bewusst, der entsteht, wenn Lebensmittel durch die ganze Welt verfrachtet werden, nur um ihr Lustgefühl zu stillen.Interview am