Ein unauffälliger Parkplatz hinter einer Coop-Filiale am Rand von Zürich, eine Industriehalle, wie es viele davon in der Stadt gibt. Doch an diesem Oktobervormittag brummt hier das Leben. Überall viel be­schäftigte Menschen und eine Menge Technik, von der ein(e) Normalbürger(in) nicht weiss, wozu sie genau gut ist. Hier wird eine Serie gedreht – und zwar nicht irgendeine, sondern die dritte Staffel von «Neumatt», das SRF-Familiendrama um das Erbe eines Bauernhofs, das es sogar auf Netflix geschafft hat. Für eine Minute Film wird eine Stunde lang gedreht.

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Ein Bio-Lieferservice

Heute geht es beim Dreh um das neue Projekt von Michi Wyss (gespielt von Julian Koechlin). Wer die ersten zwei Staffeln gesehen hat, weiss: Der erfolgreiche Unternehmensberater verheimlichte in der Stadt seine Herkunft als Bauernsohn. Im Dorf seiner Kindheit wusste hingegen niemand, dass Michi schwul ist. Die zweite Staffel endete mit einem Cliffhanger, einem tragischen Autounfall. Diesen hat Michi überlebt. Um sich von der Trauer um den Tod seines Ex-Partners Döme abzulenken, stürzt er sich wieder in die Arbeit. Mit seinem Geschäftspartner Oskar (Martin Vischer) will er einen Bio-Lieferservice ganz gross herausbringen. Dafür benötigt er die Unterstützung des Top­investors Nic Olsson (Peter My­gind).

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Nische Nachtmilch

Auch Michis Schwester Sarah (Sophie Hutter) und Nest­häkchen Lorenz (Jérôme Humm) haben für den Hof Neumatt eine Erfolg versprechende Nische gefunden und wollen dafür andere Landwirte ins Boot holen. «Sarah hat eine Superidee, die in Wirklichkeit schon eine Schweizer Bäuerin hatte, die sogenannte Nachtmilch. Milch, die bei Dunkelheit gemolken wird, hat einen höheren Melatoningehalt. Das hilft beim Einschlafen», verrät Schauspielerin Sophie Hutter. «Sie blüht auf, findet ihre Kraft und konnte in der zweiten Staffel viel Ballast abwerfen. Nun sagt sie: ‹Leben, da bin ich, was machen wir?›» Natürlich gebe es für Sarah auch Rückschläge, fügt Hutter schmunzelnd an: «Sonst wäre es ja keine Dramaserie.»

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«Unglaublich komplexe Figur»

An Sarah gefällt der Aktrice, dass sie «eine unglaublich komplexe Figur mit wahnsinnig vielen Schichten ist». Und dass sie auch eine anstrengende Seite habe, «was bei Frauenfiguren eher rar ist». Sophie Hutter verspürt in Bezug auf die Landwirtschaft «ein Heimatgefühl»: Ihre Grosseltern wuchsen auf einem Bauernbetrieb auf, führten eine eigene Drogerie und lebten auf einem alten Hof. «Ich wünsche mir für die Schweizer Bauernfamilien, dass sie ernst genommen werden, dass ihnen zugehört wird und dass Lösungen gefunden werden.»

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Wahrheiten kommen hervor

Während Sarah Wyss in der dritten Staffel aufblüht, macht Bruder Lorenz schwierige Zeiten durch, denn Jessie (Rumo Wehrli), die Mutter seines Kindes, will ein neues Leben beginnen.

Und Mutter Katharina (Rachel Braunschweig) muss sich einer Wahrheit stellen, der sie dreissig Jahre aus dem Weg gegangen ist. Das hat Konsequenzen für die ganze Familie. «Es gibt einerseits eine Aufarbeitung des Todes von Kurt. Die Serie hat ja mit dem Selbstmord ihres Mannes begonnen», erzählt die Schauspielerin. Bisher habe ihre Figur das unter anderem aufgrund der Existenzsorgen erst einmal zur Seite schieben müssen.

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Wiedersehen mit der Jugendliebe

«Ebenfalls ein grosses Thema ist, dass sie ihre grosse Jugendliebe wieder trifft. Da darf ich aber noch nicht zu viel verraten», sagt Rachel Braunschweig und lacht. Im Rahmen ihres Selbstfindungsprozesses finde Katharina Wyss ferner heraus, dass es ihr ein grosses Anliegen sei, etwas in der Gesellschaft zu verändern. «Deshalb geht sie am Ende der dritten Staffel in die Politik.»

Nicht alle sind Fan von Katharina

Die Reaktionen auf Katharina seien sehr gemischt, bilanziert Braunschweig. «Es gibt viele Leute, die sich mit ihr identifizieren, was mich sehr freut. Es gibt aber auch Menschen, die sagen, die Figur sei ihnen am Anfang nicht sympathisch gewesen, weil sie widersprüchlich und in ihren Reaktionen nicht immer politisch korrekt ist.» An der Rolle habe sie gereizt, dass «das eine Frau ist, die ringt, um ihre Kinder, die Familie, ihren Mann, das Überleben». Sehr wertvoll finde sie auch, dass die Serie aktuelle Themen aus der Landwirtschaft aufnehme, wie zum Beispiel, dass es um die Altersvorsorge vieler Schweizer Bäuerinnen nicht besonders gut bestellt sei.

Die Ausstrahlung der dritten Staffel von «Neumatt» ist für Herbst 2024 auf SRF 1 und Play Suisse geplant, wie SRF angekündigt hat.

«Neumatt»: Facts & Figures zur dritten Staffel

Unter der Leitung von Producerin Jessica Hefti und den Produzenten Reto Schaerli und Lukas Hobi wird die achtteilige Serie von der in Zürich ansässigen Zodiac Pictures Ltd («Die goldenen Jahre», «Räuber Hotzenplotz», «Frieden») produziert. Regie führen Bettina Oberli («37 Sekunden», «Wanda, mein Wunder», «Private Banking») und Cosima Frei («Seitentriebe»). Die Drehbücher wurden unter der Leitung der Showrunnerin Marianne Wendt («Wer wir sind», «Eden», «Zwischen ­Himmel und Hölle») im Writers’ Room von SRF entwickelt.

Neben dem im Artikel genannten Cast der Wyss-Familie sind in weiteren Rollen Hans-Caspar Gattiker («Aus dem Schatten – Eine Zeit der Hoffnung»), Martin Vischer («Die Beschatter», «Emma lügt»), Lucy Wirth («Wilder») und Peter My­gind («Dan Sommerdahl – Tödliche Idylle», «Borgen») zu sehen.

«Neumatt» ist eine Produk­tion von SRF und Zodiac Pictures Ltd. Die ersten zwei Staffeln sind auf Play Suisse sowie bei Netflix Schweiz zu sehen.