Der Alpsommer ist vorbei, die Bauernfamilien sind zurück auf ihren Heimbetrieben und haben sich dort mit ihren Tieren wieder eingerichtet. Kilbi und Erntedankfeste werden gefeiert. Der Herbst in der Zentralschweiz ist reich an Bräuchen und Traditionen. Einige ziehen Menschenmassen an, andere sind stiller und tun gerade darum gut.

An die Verstorbenen denken

Nach einem sonnenreichen Herbst werden die Tage nun immer kürzer und dunkler. Der Spätherbst ist für viele Menschen eine ungeliebte Jahreszeit mit manchmal trüber Laune. In diese Zeit fällt auch der kirchliche Feiertag Allerseelen am 2. November. Traditionellerweise gedenken die Menschen an diesem Tag der Verstorbenen, besuchen Gräber auf den Friedhöfen, die mit der Winterbepflanzung neu geschmückt wurden. Auch nicht gerade ein Anlass für gute Stimmung, möchte man meinen.

«Die Trauer hat ihre Zeit, aber wir möchten uns auch an die schönen Momente mit den Verstorbenen erinnern», hält Judith Wallimann dagegen. Sie ist die geistliche Begleiterin der Obwaldner Landfrauen. Diese haben vor einer Woche ihr traditionelles Landfrauen-Gedächtnis gefeiert, einen Gottesdienst mit Eucharistiefeier in der geschmückten Pfarrkirche Sachseln. Dort gedenken die Bäuerinnen und Landfrauen der verstorbenen Frauen aus ihrem Verein, zehn bis zwanzig sind es jedes Jahr, und zünden für jede eine Kerze an.

Zusammensein tut gut

Wichtig an diesem Anlass sei das Gemeinschaftliche, sagt die Religionspädagogin Judith Wallimann: «Zusammen sein und reden tut gut.» Das Landfrauen-Gedächtnis gelte nicht allein den Verstorbenen, «es ist gleichzeitig ein Anlass, um Danke zu sagen für das, was im vergangenen Sommer war». Judith Wallimann kennt den Bäuerinnenalltag: Sie führt mit ihrer Familie in Lungern einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchproduktion und Alpwirtschaft.

«Mir tun diese Stille und Ruhe in der gerade hektischen Zeit einfach gut», sagte eine Besucherin des Anlasses. «Nim diär Zyt und chum doch ai», genau darum gehe es, wie es schon in der Einladung heisse, kommentiert Judith Wallimann: «Es ist wichtig, sich Zeit für sich und für gute Momente mit anderen zu nehmen, sich im Gottesdienst aus dem Alltag heraus neue Gedanken zu machen.» Und Fränzi Gasser, die Co-Präsidentin des Landfrauenverbandes Obwalden, ergänzt: «Mir ist es ein Anliegen, nochmals speziell an unsere verstorbenen Mitglieder zu denken. Sie säten in unserem Verband das, was wir heute ernten können.»

Garten als Gleichnis

Im Gottesdienst nahm Judith Wallimann mit dem Vorbereitungsteam den Garten als Gleichnis. «Der Garten schenkt uns viele Bilder, die zum Nachdenken anregen. Und die Sorgen um das Morgen sollen nicht zu gross sein – so hörten wir aus dem Evangelium.» Das Blühen, die Pracht könne für alles Schöne und Bunte im Leben stehen. Die Familie, die gemeinsamen Ausflüge, die Zeit für sich selber für Stille, Kreativität, als Tankstelle. «Die Früchte, das Essbare zeigen uns, dass sich Mühe lohnt, dass Ausdauer und Geduld fruchtbar sein können. So kann es doch sein, dass sich Gespräche, Austausch, vielleicht auch Beharrlichkeit in schwierigeren Situationen lohnen.» Und manche Pflanzen bräuchten eine Rankhilfe. «Stütze und Suche nach Halt kennen wir auch im Alltag. Wir können Hilfe und Stütze sein für andere.»


 

Herbstbräuche in der Region

In vielen Zentralschweizer Orten mit Alpwirtschaft finden im Herbst, nach Abschluss der Sömmerung, eine Älplerchilbi statt. Mit den Älplersprüchen werden bei dieser Gelegenheit regionale Begebenheiten und Personen humoristisch «vorgeführt». Diese Anlässe ziehen viel Volk an, nicht nur Einheimische.

Ursprung in der Kirchweihe

«Eine schöne Kilbi», das bedeutet heute Trubel und Rummel. Dabei hat das Wort einen frommen Ursprung und bezeichnet eine Kirchweihe beziehungsweise das Gedächtnisfest dafür. Eine moderne Herbstkilbi hat kaum mehr etwas Kirchliches an sich – dafür gibt es einen Rummelplatz und Marktstände, Maroni und Magenbrot.

Der Herbst ist auch die Jahreszeit des Erntedanks. In vielen Kirchen ist ein Gottesdienst diesem Thema gewidmet, oft wirken bäuerliche und der Tradition verpflichtete Vereinigungen mit: Die Bäuerinnen dekorieren, der Jodelklub singt, die Trachtengruppe tanzt.

Kürbisse und Halloween

Im Herbst sind die Kürbisse reif. Früher galten sie als Viehfutter, neu in Mode gekommen sind sie hierzulande im Zuge von Halloween, einem Volksbrauch am Vorabend vor dem Hochfest Allerheiligen vom 31. Oktober auf den 1. November. Findige Schweizer Bauernfamilien haben das Potenzial erkannt und bieten ein breites Kürbissortiment im Direktverkauf, ob zum Schnitzen, als Dekoration oder als Lebensmittel. Oft locken grosse Kürbis-Events viele Menschen auf die Höfe.

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Halloween nach US-amerikanischem Vorbild verbreitet sich in Europa seit rund 30 Jahren. Kinder in gruseliger Verkleidung fordern an den Haus­türen Süssigkeiten.

Umzüge mit Räbeliechtli

Niedlicher sind die Räbeliechtli-Umzüge, die in vielen Gemeinden von den Schulen und den Kindergärten durchgeführt werden. Die Kinder schnitzen ihre Laternen aus Räben, das ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für Herbstrüben. Diese waren im Mittelalter ein häufiges Gemüse, verloren mit der Verbreitung der Kartoffeln aber an Bedeutung. Heute sind sie wieder als Herbstspezialität erhältlich und werden auf spezialisierten Schweizer Landwirtschaftsbetrieben angebaut.