Für den Verein Agrotourismus Schweiz möchte sich nicht einfach mit dem Raumplanungsgesetz oder der geplanten Revision für das Bauen ausserhalb der Bauzonen

Die geplante Revision des Raumplanungsgesetzes bringt neue Herausforderungen

Im Raumplanungsgesetz (RPG) sieht Karin Wechsler vor allem zwei grosse Probleme. Einerseits ist die Fläche, die für Agrotourismus genutzt werden darf pro Betrieb auf 100 m2 beschränkt. Für viele Bauernfamilien, die gerne Unterkünfte anbieten würden, bedeutet das oft sehr wenig Spielraum für die Umsetzung ihrer Ideen. Andererseits ist es problematisch, dass die Kantone das nationale RPG sehr unterschiedlich auslegen. In manchen Kantonen werden Parkplätze oder Grillstellen zu den vorgegebenen 100 m2 gezählt, in anderen ist es nicht erlaubt, dass in einer Ferienwohnung eine Küche eingebaut wird. «Das macht es für viele Familien schwierig, im Voraus abzuschätzen, wie erfolgversprechend ihr Bauvorhaben ist», findet Karin Wechsler. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) möchte aber mit dem neuen RPG genau diesen Gestaltungsspielraum der Kantone noch verstärken. Lukas Kistler, Kommunikationsbeauftragter des ARE, argumentiert, dass genau diese grössere Freiheit der Kantone auch ein Vorteil für die Anbieter sein könnte. Denn einerseits sei zwar korrekt, dass jeder Kanton selbst definiert, welche Flächen zu den 100 m2 zählen und auch strenger sein können, als im RPG vorgegeben wird. Andererseits hätten die Kantone neu auch die Möglichkeit Anpassungen zu machen, die über das RPG hinausgehen. Das heisst, dass unter Umständen auch grössere Flächen für Agrotourismus genutzt werden dürfen.

 

Der Agrotourismus ist direkt betroffen

Mit der zweiten Etappe der Teilrevision des RPG möchte der Bundesrat insbesondere das Bauen ausserhalb der Bauzonen, neu regeln. Als problematisch sieht das Bundesamt für Raumentwicklung vor allem den Verlust von Kulturland und landschaftlichen Qualitäten, nicht genutzte landwirtschaftliche Gebäude und der erhöhte Druck auf Gebiete ausserhalb der Bauzonen.

Auch der Agrotourismus ist von mehreren Neuerungen direkt betroffen:

  • Weiterhin dürfen bis zu 100 m2 für Agrotourismus genutzt werden, allerdings können Kantone freier entscheiden. Die Vorgaben des Bundes können weiter eingeschränkt, aber auch gelockert werden. So sollen die Kantone mehr Spielraum erhalten, um regional differenzierte Lösungen zu finden.
  • Der neu vorgesehene Planungs- und Kompensationsansatz sieht vor, dass in einem bestimmten Gebiet ausserhalb der Bauzone auch nicht standortgebundene Nutzung ermöglicht wird, beispielsweise für Verpflegungs- und Beherbergungsangebote. Allerdings müssen zur Kompensation zugleich in demselben Gebiet nicht mehr genutzte gewerbliche Bauten beseitigt werden.
    Bereits bestehende nicht zonenkonforme Wohnbauten dürfen erweitert, umgebaut und neu aufgebaut werden. Gleichzeitig müssen aber nicht mehr benötigte Bauten mit gleicher Nutzung an störender Lage beseitigt werden. Auch hier entscheiden die Kantone.
  • Der Gebäudebestand soll stabilisiert werden, um das Kulturland zu schützen. Dazu sollen Bauten nach Wegfall ihres ursprünglichen Nutzungszwecks entfernt werden. Deshalb werden Baubewilligungen für neue Bauten und Anlagen mit einer Beseitigungspflicht bestehender Gebäude verknüpft. Davon ausgenommen sind Wohnbauten, die nicht leicht entfernbar sind und Bauten, die bereits bei der Erstellung durch Abbruch anderer Gebäude kompensiert wurden. 

Der neue Planungs- und Kompensationsansatz ist ein Dorn im Auge der Anbieter

In der geplanten Revision soll ausserdem ein Planungs- und Kompensationsansatz verankert werden. Das bedeutet, dass nur neu gebaut werden darf, wenn dafür ein anderes Gebäude abgebrochen wird. Für den Agrotourismus würde es also weiterhin sehr schwierig sein, neue Unterkünfte für Gäste zu bauen. Dazu komme, dass ungenutzte Gebäude nicht als Unterkunft für Feriengäste angeboten werden dürfen, wenn die erlaubten 100 m2 schon ausgeschöpft wurden. «Solche Gebäude stehen dann weiterhin leer oder müssen sogar abgebrochen werden, obwohl sie als Ferienhäuser optimal wären», sagt Karin Wechsler. Auch sonst vereinfache die Revision des RPG die Situation nicht, findet sie. 

Laut Lukas Kistler ändert sich aufgrund der Revision des RPGs nur wenig für den Agrotourismus oder die Landwirtschaft. Eine Anpassung der Gesetze, die den Agrotourismus direkt betreffen sei nämlich nicht vorgesehen. Das heisst, die 100 m2, die für eine «massvolle Erweiterung» genutzt werden dürfen, werden weiterhin als Maximalfläche bestehen bleiben. Andererseits biete der Planungs- und Kompensationsansatz sogar die Grundlagen, dass zusätzliche Bauten bewilligt werden dürfen. Allerdings sind auch hier die kantonalen Regelungen entscheidend.

Eine Arbeitsgruppe möchte bessere Voraussetzungen für den Agrotourismus erreichen

Noch ist die Revision des RPG für das Bauen ausserhalb der Bauzonen vom Parlament noch nicht verabschiedet. Falls die Vorlage für das neue RPG aber tatsächlich geltendes Recht würde, müsste gegebenenfalls auch der Rest des RPGs überprüft werden, sagt Lukas Kistler; inklusive die Vorgaben für den Agrotourismus

Der Verein Agrotourismus Schweiz erhofft sich genau das. Deshalb hat er eine Arbeitsgruppe organisiert, die konkrete Forderungen an das neue RPG stellt. Man möchte dadurch Anpassungen im neuen Gesetz erreichen und hofft, dass das neue RPG auch für den Agrotourismus positiv ausfällt. Denn sowohl im bestehenden, wie auch im revidierten RPG sind die Voraussetzungen schwierig für einen funktionierenden Agrotourismus. Viele Anbieter hätten gute Ideen und würden gerne ihr Angebot ausbauen. Oft hätten sie aber keine guten Chancen ihre Vorhaben umzusetzen. «Das ist frustrierend», sagt Karin Wechsler.

Lockerere Gesetze in den Nachbarländern

Unsere Nachbarländer Italien und Österreich und Deutschland sind Vorbild und Konkurrenz für den Schweizer Agrotourismus. Die raumplanerischen Vorgaben sind grosszügiger als bei uns. Im Südtirol dürfen beispielsweise bis zu fünf Ferienwohnungen beziehungsweise acht Wohnungen auf einer Fläche von zirka 300 m2 angeboten werden. Auch Infrastrukturen, wie Spielplätze, können den Gästen uneingeschränkt zur Verfügung gestellt werden, so Walter Rier vom Südtiroler Bauernbund. Auch in Bayern ist die Umnutzung bestehender Bauten in der Regel unproblematisch. Wird die «Prägung des landwirtschaftlichen Betriebs» nicht beeinträchtig, wird normalerweise auch ein Neubau genehmigt, schreibt Anja Hensel-Lieberth vom Bayrischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Beispielsweise werden Anbauten eher genehmigt als freistehende Ferienhäuser. Voraussetzung ist, dass der Agrotourismus zur Existenzsicherung des Betriebs beiträgt. Eine eigentliche Beschränkung der Fläche, die für Agrotourismus genutzt werden darf, gibt es nicht.

Allerdings verfolgt aber die Raumplanung unserer Nachbarländer gleiche Ziele wie in der Schweiz: Die Zersiedelung soll so gut wie möglich aufgehalten werden und so landwirtschaftliche Nutzflächen geschützt werden.

 

4. Forum Agrotourismus Schweiz

Am Mittwoch, 4. Dezember 2019 findet im Strickhof Winterthur-Wülflingen das vierte Agrotourismus Forum statt. Unter dem Motto «Landwirtschaft und Tourismus im Aufbruch, analog – digital – virtuell» vermittelt Agrotourismus Schweiz den Teilnehmern das nötige Wissen, damit Sie im Digital Marketing selber aktiv werden und sich mit Anbietern, Organisationen und Referenten persönlich vernetzen können. Von 10.00 bis 16.00 werden Vorträge gehalten und im aktiven Austausch zwischen den Teilnehmern neue Ideen diskutiert und neue Projekte kreiert.

Anmeldung an info@myfarm.ch