Ebenerdig lassen sich die Kühe im Laufhof die Wintersonne aufs Fell scheinen. Darüber sitzen Feriengäste auf einer Terrasse mit Blick auf eine der vielen Loipen im Goms. Der Hof von Carmen und Egon Hischier sowie Mitinhaberin Anina Ambauen in Oberwald VS verbindet Landwirtschaft mit Erlebnisgastronomie und einem Dorfladen.
«Egon und ich haben 1997 ganz klein mit ein wenig Direktvermarktung begonnen», erinnert sich Carmen Hischier bei einem Kaffee in der Hofbeiz. «Wir bauten einen Abstellraum aus und verkauften etwas Käse, Wurst und Eier.» Damals wie heute waren die Kundinnen und Kunden vor allem Feriengäste. Wie oft in Bergorten, gibt es auch in Oberwald viele Zweitwohnungen.
Steigende Nachfrage
Die Nachfrage stieg. Daher wurde das Angebot ausgeweitet. Das «Bürli-Schiirli», so der Name des Hofladens, mauserte sich zu einem wichtigen Betriebszweig. Als 2008 der Bau eines Laufstalls anstand, entschied sich das Ehepaar, im ersten Stock einen Raum für Hofgastronomie zu gestalten.
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«Wir haben fast alles in Eigenregie umgebaut», sagt Egon Hischier. Er wiegt den acht Monate alten Tim in den Schlaf, den Sohn von Anina Ambauen. Während der Wintersaison ist die Hofbeiz fast täglich ab 13 Uhr geöffnet. Im übrigen Jahr werden auf Anmeldung Gruppen bewirtet. Das passt zum Rhythmus des Landwirtschaftsbetriebs.
Berggängige und gesunde Tiere
Egon Hischier hat den Hof 1992 von seinen Eltern übernommen. «Ich wollte nie etwas anderes als Bauer werden», sagt der 57-jährige Meisterlandwirt. Zum Bio-Milchwirtschaftsbetrieb gehören 42 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, 23 Kühe und 15 Aufzuchttiere. «Vor allem Braunvieh. Wir sind aber keine passionierten Züchter, die ihre Tiere an Ausstellungen prämieren lassen.» «Wir brauchen auch keine Spitzenleistungen und wollen mit unserem Grundfutter arbeiten», ergänzt Anina Ambauen. Wichtig ist den beiden, dass die Tiere berggängig, fruchtbar und gesund sind.
Der Stall und die landwirtschaftlichen Arbeiten sind vor allem der Wirkungsbereich von Egon Hischier und Anina Ambauen. Die Verantwortung für den Hofladen und die Beiz liegt in erster Linie bei Carmen Hischier. Doch bei Bedarf helfen alle drei überall mit.
Zusammen arbeiten
Carmen Hischier kommt nicht aus einer Bauernfamilie, hat eine kaufmännische Lehre gemacht und sich im Gastrobereich weitergebildet. «Am Herzen lag mir von Anfang an, dass wir zusammenarbeiten können. Sonst lebt man aneinander vorbei. Ich bin aber bis heute keine Bäuerin mit Blumengarten.»
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Die Hofbeiz ist im Winter bei den Feriengästen sehr beliebt – und im Laufe der Zeit kamen immer mehr. «Also brauchten wir auch mehr Personal», sagt Carmen Hischier. «Denn wir machen alles von Grund auf selbst, jede Suppe, jeden Kuchen.» Bis zu 14 Teilzeitangestellte arbeiten im Winter mit, das braucht einiges an Organisation und Administration. «Die meisten davon sind Quereinsteiger», sagt die 54-Jährige weiter. «Ab und zu sind es auch Gäste, die sich für die Arbeitsstelle interessieren. Unser Personal trägt unsere Betriebsphilosophie mit.»
Mehr Stabilität
Verkauft und verarbeitet werden nur die eigenen sowie regionalen Produkte. Als Beispiel nennt Anina Ambauen die Gulaschsuppe, die mit Huftfleisch von den eigenen Kühen zubereitet wird. So hat der Betrieb die Möglichkeit, alles Fleisch der Tiere zu verwerten. «Wir kaufen nur begrenzt Fleisch vom Nachbarbetrieb zu. Unsere Spezialitäten verkaufen wir unter dem Slogan ‹Es hett, so lang’s hett›.
Es sei ein komplexer Betrieb mit verschiedenen Betriebszweigen, meint Egon Hischier. «Dies führt zu einer finanziellen Stabilität. Dank des Personals und der gemeinsamen Betriebsführung sind auch Auszeiten möglich.»
Gern auf dem Hof der Gotte
Anina Ambauen wuchs ebenfalls nicht auf einem Hof auf, doch sie war als Kind gern bei ihrer Gotte Carmen Hischier und deren Mann. Trotz Skepsis der Eltern entschied sie sich für eine Landwirtschaftslehre und absolvierte das erste Lehrjahr auf dem Hof der Patin.
Nach dem Lehrabschluss kam sie auf den Betrieb in Oberwald zurück, absolvierte die Betriebsleiterschule und machte die Meisterprüfung. Mit ihrem Mann Daniel wohnt die 24-Jährige im Dorf und im letzten Sommer wurde sie Mutter. Je nach den anstehenden Arbeiten nimmt sie ihren Sohn mit auf den Hof – oder Tim kann bei seinem Vater bleiben.
Hofbeiz als gute Kombination
Anina Ambauen ist überzeugt von der Hofbeiz, da man dabei Landwirtschaft und Gästebewirtung kombinieren kann. Die Produktion, Verarbeitung und Vermarktung der Produkte im Tal sind ihr wichtig. «So eine Wertschöpfungskette ist nicht selbstverständlich. Wir sind stolz auf unsere Produkte.»
Ein Nebeneffekt sei, dass man den Gästen vermitteln könne, wie die Landwirtschaft funktioniere. So wunderten sich Besucher etwa schon, dass die Kühe den Laufhof im Laufe des Tages nun mal verkoten. Andere wollen vor Abstimmungen wissen, wie die Sicht der Bäuerinnen und Bauern dazu sei. «Unsere Informationen kommen niederschwellig. Damit betreiben wir Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft», sagt Egon Hischier.
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Nun auch Mitinhaberin
Seit Anfang dieses Jahres ist Anina Ambauen Mitinhaberin. «Der Betrieb kann zwei Vollzeit-Betriebsleiter verkraften», sagt Egon Hischier. Der kleine Tim in seinen Armen ist wieder wach und schaut sich neugierig um.
«Anina musste schon im letzten September von 0 auf 100 Verantwortung übernehmen», ergänzt Carmen Hischier. Sie fiel wegen ihrer Sehbehinderung für einige Zeit aus und musste viel Büroarbeit abgeben. Mit ihrer Einschränkung geht sie offen um. «Durch einen zunehmenden Gesichtsfeldausfall ist meine Fähigkeit, Details und Bewegungen wahrzunehmen, beeinträchtigt», steht auf Kärtchen, die in der Beiz auf den Tischen stehen. Sie bittet die Gäste um Verständnis und Mithilfe.
Offen für Veränderungen
«Diese Zeit gab mir einen zusätzlichen Einblick in die Betriebsführung», erinnert sich Anina Ambauen an den steilen Einstieg. «Entscheidungen treffen wir aber alle drei zusammen, gerade auch, wenn es um Neuerungen geht.» «Eine neue Generation auf dem Hof bringt frische Ideen. Dadurch muss manchmal Bestehendes verändert werden», sagt Carmen Hischier zum Wechsel.
Die drei sprechen daher viel miteinander. Damit dafür genügend Zeit bleibt, ist die Hofbeiz diesen Winter jeweils am Mittwoch geschlossen. Sie haben eine externe Beratung beigezogen, um abzuklären, wie sie die rechtlichen, finanziellen und zwischenmenschlichen Aspekte am besten angehen wollen. «Das gibt einen Aussenblick», so Egon Hischier. Sie seien sehr ehrlich miteinander, viel am Reflektieren und am Ausprobieren. «Kommunikation ist dabei das Allerwichtigste: reden, reden, reden.»
Bürli-Schiirli Hofbeiz
Betriebsleitende: Carmen und Egon Hischier, Anina Ambauen
Ort: Oberwald VS
LN: 42 ha, ein Drittel der Fläche im Eigentum, rund 15 ha Ökoflächen
Viehbestand: 23 Kühe, vor allem Braunvieh, dazu rund 15 Aufzuchttiere, 30 Legehennen
Bewirtschaftung: Bio seit dem Jahr 2020
Betriebszweige: Milchwirtschaft, Direktvermarktung, Hofgastronomie
Arbeitskräfte: die drei Betriebsleitenden. Im Winter bis zu 14 Teilzeitangestellte. Familiäre Erntehelfer im Sommer.