Im niederösterreichischen Sitzenberg-Reidling  führt Karl Pfiel einen 300 bis 400 Hektaren grossen Betrieb mit Schweinemast. Diesen hat er von seinem Vater übernommen. Der 54-Jährige sagt von sich selbst, er sei «Bauer mit Leib und Seele». Der Schweinemastbetrieb reicht ihm jedoch nicht mehr aus. Ihm ist es nicht genug, sich nur noch damit bis zu seiner Pension zu beschäftigen, sagt er. 

Betriebsspiegel Pfiel
Name: Karl und Martina Pfiel
Ort: Sitzenberg-Reidling (AT)
Betriebsfläche: 300–400 ha
Betriebszweige: Schweinemast, Biogas und Spirulina-Produktion (Spirulix)
Website: www.spirulix.at

Einer der ersten Biogasanlagen

Pfiel hat Elan und Tatendrang, das spürt man im Gespräch. «Alle 10 Jahre wird es ihm langweilig, er muss neue Ideen aufgreifen», bestätigt seine Frau Martina. Ende der 1990er griff er deshalb auch eine Idee von seinem Vater wieder auf: «Mein Vater hat Anfang der 1980er Versuche gemacht, mit Mist Biogas zu gewinnen, als das Stromwesen in Österreich noch verstaatlich war. Er stellte sich damals die Frage, ‹wie kann man Strom selbst erzeugen?›», blickt Pfiel zurück.

Die Technik war damals jedoch noch ganz am Anfang. Mittlerweile steht auf Pfiels Betrieb eine Biogasanlage, «sie war eine oder die erste in Österreich», sagt er. «Man muss so was zu einem Zeitpunkt aufgreifen, wo es noch eine Vision, aber keine Illusion mehr ist», ist er überzeugt. 

«Man muss es aufgreifen, wenn es noch Vision, aber keine Illusion mehr ist»

Karl Pfiel ist Gründer von Spirulix.

In seinem neusten Projekt greift Karl Pfiel den Trend «Fleischverzicht» auf. Er spürt, dass der Zeitpunkt nahe ist, die Schweinemast bald aufzugeben. «Viele Bauern machen immer dasselbe, weil sie Angst haben, ein Risiko einzugehen», sagt Martina Pfiel. «Karl war immer schon sehr mutig, um Neues zu starten.» Durch einen Zufall stiess er auf das Potenzial der Alge. 

Energie mit Algen 

Aufgrund der Biogasanlage arbeiten Pfiels viel mit Universitäten zusammen. 2013 kam die Anfrage von der Universität für Bodenkultur Wien (BoKu), an einem Forschungsprojekt mitzuarbeiten, das sich mit dem Thema beschäftigte, wie man Erdöl ersetzen könnte. Es hiess, aus Algen könnte man Energie gewinnen, da sie aufgrund ihrer Struktur viel effizienter Sonnenlicht zu Energie umwandeln als Landpflanzen, so Karl Pfiel.

Ein Forschungsglashaus im Wert von einer Million Franken wurde errichtet, zum Teil mit Forschungsgeldern, zum Teil aus Pfiels eigener Tasche. Die Energie, die zum Betrieb des Glashauses benötigt wird, kommt von der eigenen Biogasanlage. Algen seien gemäss Karl Pfiel noch ein recht unerforschtes Gebiet, auch ihre Herstellung. Hilfe erhielten sie aus Israel, wo man sich mit der Produktion von Algen bereits stark auseinandersetzt. 

Nachdem das Forschungsprojekt vorüber war, fragten sich Pfiels, wie weiter mit den Algen, «was machen wir jetzt daraus?». 

Spirulina als Lebensmittel

Als Nahrungsergänzungsmittel ist die Spirulina-Alge bereits bekannt. Sie wird in Pulver- oder Tablettenform eingenommen, um Mangelerscheinungen auszugleichen, sagt Karl Pfiel. Als Lebensmittel gebe es die Spirulina-Alge in Österreich noch nicht, «vor allem mit den Standards und Qualitätsansprüchen, die Österreich hat», so der Landwirt. Pfiel kam die Idee, ein Lebensmittel zu produzieren, in dem die Spirulina-Alge beigemischt wird und womit man auch Akzeptanz auf dem Markt finden könnte. So gründeten Karl und Martina Pfiel 2017 die Firma «Spirulix». 

Um die Produktion besser kennen zu lernen, arbeitete Martina auf einer kleinen Algenfarm in Frankreich mit. Die erworbenen Kenntnisse wurden zu Hause umgesetzt und viel probiert, bis es gelang, die Alge in den selbst gebauten Becken zu vermehren. 

Sonnenlicht und Wärme für Produktion nötig

Mittlerweile besitzen Pfiels drei 60 mal 5 m2 grosse, 10 cm tiefe ­Becken. In diesen wächst die ­Spirulina-Alge von Februar bis November bei 38 °C Wassertemperatur heran. Die grosse Fläche sei nötig, damit genug Sonne eingefangen werden kann, die für das Wachstum essenziell ist. In den Wintermonaten liegt die Produktion auf Eis: «Es macht keinen Sinn, das Glashaus aufzuheizen, wenn es an Sonnenlicht mangelt und es zu kalt ist», erklärt Karl Pfiel. 

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Die erste Ernte von Spirulina erfolgt bereits am 10. Februar. Im Sommer kann je nach Wetterlage jeden Tag geerntet werden. Hierfür muss das Wasser, indem sich die Algen befinden, aus den Becken gepumpt und auf Filtertischen ausgepresst werden. Das Wasser wird zurück ins Becken geleitet, wo die Alge weiter wachsen kann. Die geerntete Spirulina bleibt auf dem Filtertuch ­hängen. «Es sieht aus wie Pressspinat», sagt Martina Pfiel. Im Anschluss wird die Ernte getrocknet und zu Pulver oder Stückchen verarbeitet. Ein Labor überprüft mit jeder Charge die Qualität der Alge. Im Jahr kann das Gründerpaar 10 bis 20 Tonnen Algen ernten.

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Mit neuen Produkten hervorheben

Nach zwei Jahren haben sich Pfiels entschieden, nicht nur ein Nahrungsergänzungsmittel aus 100 Prozent Alge zu produzieren. «Weil hierfür die Akzeptanz zu gering ist, wollten wir auch den ganz normalen Bürger mit einem Produkt ansprechen, wie z. B. mit Kräckern», sagt Karl Pfiel. Hierfür arbeiten sie mit einer Bäckerei zusammen. 

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Damit aber nicht genug. Auch befinden sich im Sortiment verschiedene Müesli, Müesli- und Schokoriegel mit Spirulina. Damit würden verschiedene Lebensstile erreicht werden, so die Gründer. 

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Bei Show mitgemacht

Als einziger Algen-Hersteller ist die Firma Spirulix IFS-zertifiziert, d. h. nach internationalem Foodstandard. «Wir wollen über Österreich hinauswachsen», begründet Pfiel. Um mehr Netzwerke zu bilden und Bekanntheit zu erlangen, meldeten sich Karl und Martina Pfiel 2021 bei der österreichischen Show «2 Minuten 2 Millionen» an, dem Pendant von «Die Höhle der Löwen». Mit einem Hofladen ist man unabhängig, das hat Vorteile, sagt er, «aber wenn du wachsen willst, musst du in den Handel.» Dies ist aber auch mit Herausforderungen verbunden: «Plötzlich musst du eine grosse Menge produzieren und rechtzeitig liefern.» 

Durch die Show hat Spirulix Sponsoren gewonnen und konnte die Produktion ausbauen. Drei weitere grosse Tunnel mit je 90 Metern wurden gebaut, die bald in Betrieb genommen werden. In Österreich sind die Produkte im Supermarkt sowie auf der Website von Spirulix zu finden. Ob es sie noch in fünf Jahren gibt, kann Karl Pfiel nicht beantworten. Es könnten sich daraus auch ganz neue Chancen ergeben, bleibt er optimistisch.

Was ist Spirulina?
Spirulina ist ein Cyanobakterium bzw. eine 0,2 mm grosse Mikroalge. Sie enthält essen­zielle Aminosäuren, Beta-Carotin – eine Vorstufe des A-Vita­mins –, B-Vitamine und Vitamin E sowie in hohen Konzentrationen Kalzium, Eisen und Magnesium. Ihren Namen hat die Alge aufgrund ihrer verdrehten Form. Sie enthält den blauen Farbstoff Phycocyanin und grünen Farbstoff Chlorophyll, was ihre blau-grüne Färbung erklärt.

Die Spirulina-Alge wird getrock­net als Nahrungs­ergänzung in Form von Tabletten, Presslingen, Pulver oder Flocken angeboten. Die Firma Spirulix bietet diese auch in verarbeiteten Produkten wie Kräckern, Müesli und Schokoriegeln an. 

Gemäss der Deutschen Verbraucherzentrale ist Spirulina nicht geeignet für Personen mit Phenylketonurie. Ausserdem bindet Spirulina Eisen, so dass es bei häufigerem Verzehr möglicherweise zu einer Eisenunterversorgung kommen kann.