Die Landwirtschaft zählt zu den beliebtesten Streitthemen unserer Zeit. Man diskutiert über Biodiversität, Pflanzenschutz-Initiativen, die Digitalisierung oder das Tierwohl. Was bei diesen Debatten viel zu oft vergessen geht, sind die Menschen, die von all den Entschlüssen direkt betroffen sind: Die Bäuerinnen und Bauern.

Sie arbeiten täglich, produzieren unser Essen. Gleichzeitig werden sie angefeindet: Als Subventionsempfänger, Wasserverschmutzer, Bienenmörder. Die Anforderungen an sie steigen kontinuierlich. Was macht das mit den Menschen? Was bereitet ihnen Sorgen?

Sorge ums Image

Die BauernZeitung hat nachgefragt: 181 Bäuerinnen und Bauern haben die Online-Umfrage zum Sorgenbarometer Landwirtschaft ausgefüllt. Das Resultat: Am häufigsten Bauchschmerzen bereitet ihnen ihr Image in der Gesellschaft.

«Leute ohne landwirtschaftliche Kenntnisse wollen den Landwirten vorschreiben, was sie zu tun und lassen haben», schreibt ein Befragter. «Wir werden ständig als Umweltverschmutzer, Tierquäler und Verkehrsbehinderer hingestellt», sagt ein anderer. Stichwörter wie «wenig Wertschätzung», «Unverständnis der Gesellschaft» und «Bauern-Bashing» werden oft genannt.

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Grün wählen, billig einkaufen

Sechs von zehn Befragten liegen die Agrar-Initiativen, über die am 13. Juni abgestimmt wird, auf dem Magen. Würden die Trinkwasser- oder Pestizidverbots-Initiative angenommen, hätte das für den Bauernstand tiefgreifende Konsequenzen. Sie fürchten sich vor den unmittelbaren Auswirkungen auf ihren Arbeitsalltag.

Dass die Sorge um die Agrar-Initiativen im Zusammenhang mit dem Bild der Gesellschaft über die Landwirtschaft steht, lasse sich nicht von der Hand weisen. «Der Mensch stimmt als Stimmbürger grün, handelt als Konsument jedoch entgegengesetzt», ärgert sich eine Umfrage-Teilnehmerin. «Billige Lebensmittel kaufen und hohe Umweltstandards fordern», das gehe einfach nicht auf. Es gebe ein «falsches Umweltbewusstsein der Nicht-Landwirte», schreibt ein anderer Teilnehmer. In diesem Spannungsfeld zu arbeiten, stelle Bauern vor eine innere Zerreissprobe.

Der Sorgenbarometer

Was beschäftigt hiesige Bauern und Bäuerinnen? Was bereitet ihnen Kopfzerbrechen? Worum sorgen Landwirte sich am meisten, wenn sie an die Zukunft ihres Hofes oder der Schweizer Landwirtschaft denken? Welchen Institutionen vertrauen sie? Und was lässt sie optimistisch in die Zukunft blicken? Diesen Fragen wollte die BauernZeitung auf den Grund gehen.

Die fünf grössten Sorgen

Zwischen dem 15. Januar und dem 5. Februar 2021 nahmen über 200 Bauern und Bäuerinnen an der Umfrage teil. 181 Leute haben die Umfrage komplett ausgefüllt: Nur vollständig ausgefüllte Fragebögen konnten in der Auswertung berücksichtigt werden.

Die grössten Sorgen der Schweizer Landwirtinnen und Landwirte wurden wie folgt ermittelt: Die Teilnehmerinnen konnten aus 19 vorgegebenen Themen fünf auswählen, die sie als die wichtigsten Probleme oder Sorgen der Schweizer Landwirtschaft ansehen.

Teilnehmerstruktur:  
  Aus dem Talgebiet: 94
Männlich: 131 Aus voralpiner Hügelzone: 39
Weiblich: 49 Aus Berggebiet: 48

Über die Hälfte, nämlich 54 Prozent aller Befragten, sorgen sich heute um die psychische und körperliche Gesundheit der Landwirte in diesem Land – sei es um die eigene oder die von Freunden oder Verwandten. Viele Landwirte leiden unter der hohen Arbeitsbelastung. Sie sind häufiger von Burnout betroffen als der Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung.

Der Papierkrieg wächst

Auch der administrative Aufwand und die wachsende Bürokratie machen Schweizer Landwirten Angst und Bange. 47 Prozent der Befragten sehen den administrativen Aufwand, den das heutige Agrarsystem mit sich bringt, als eine der grössten Herausforderungen. Auffällig: Die jüngeren Generationen scheinen damit weniger Mühe zu haben. Nur jeder Fünfte der unter 30-Jährigen gibt an, mit dem administrativen Aufwand unzufrieden zu sein. Bei den 50- bis 59-Jährigen sind es über 50 Prozent. Zwei von ihnen sind Hans Gurtner und seine Frau Ruth. Sie stören sich an den sich ständig ändernden Vorschriften und bemängeln: «Von Planungssicherheit kann nicht die Rede sein.»

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Laut einer nationalen Umfrage zum Sorgenbarometer der Credit Suisse von Ende 2020 bereitete das Coronavirus den meisten Leuten Sorge. Dieses Bild zeigt sich beim Bauernstand nicht. Nur fünf Prozent der befragten Landwirte sind beunruhigt über die Pandemie. Zehn Prozent sehen in ihr sogar eine Chance. «In der Krise erkennt man die systemrelevanten Berufe», so eine Bäuerin.

Sorglos sind Schweizer Landwirtinnen und Landwirte in Bezug auf Tierseuchen, obwohlkürzlich in der Ostschweiz und unmittelbar ennet der Grenze Vogelgrippe-Fälle bekannt geworden sind. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Afrikanische Schweinepest in der Schweiz auftritt. Trotzdem geben nur drei Prozent der Befragten an, sich um Epidemien bei Nutztieren grössere Sorgen zu machen.

Teurer Betriebsunterhalt

Finanzielle Sorgen belegen bei der Umfrage die Plätze im Mittelfeld. Der Milchpreis, der wachsende Einkaufstourismus und der Preisdruck beschäftigen in etwa je 30 Prozent der Landwirte. «Immer diese ‹Geiz ist geil›-Mentalität», ärgert sich ein Teilnehmer. Andere finden, die Betriebskosten seien schlicht zu hoch: «Um den Vorschriften nachzukommen, müsste ich jedes Jahr mein ganzes Einkommen, für das ich unzählige Stunden arbeitete, in den Betrieb reinvestieren», schreibt ein Bauer.

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Finanziell scheint es um den Bauernstand aber doch nicht allzu schlecht zu stehen. Jeder zweite gibt an, es gehe ihnen «gut» bis «sehr gut». Trotzdem: Jeder Zehnte schätzt seine Lage als «schlecht» oder «sehr schlecht» ein.

Die Jugend stimmt positiv

Schwarzmalen wollen Schweizer Landwirte nicht. «Uns braucht es», sagen 34 Prozent der Befragten. Man gehe einer sinnvollen Arbeit nach. Jeder Fünfte sagt: «Ich liebe meinen Beruf.» Genauso vielen macht die Marktlage Mut.

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Der Trend zu mehr Regionalität und Direktvermarktung mache das Wirtschaften interessant. Auch ganz wichtig: Ein motivierter Nachwuchs. Jeder Fünfte schaut wegen den Jungen optimistisch in die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft.

Plagen Sie Sorgen und möchten Sie darüber sprechen?

Bäuerliches Sorgentelefon: 041 820 02 15
Die Dargebotene Hand: 143
Notruf Burnout: 0900 000 118 (Fr. 3.40/Min.)
Schweizer Berghilfe: 044 712 60 60