Der Baumstamm trägt einen blauen Punkt, einen blauen oder weissen Kreis: «Das ist ein sogenannter Zukunftsbaum, den lassen wir stehen und wollen ihn fördern», erklärt Jasmin Hehli.
«Der dort drüben hingegen kommt weg.» Die 26-Jährige zeigt auf einen Baum, an dessen Stamm ein gelber Schrägstrich prangt. Aushieb heisst das. «Nicht alle Förster und Försterinnen markieren gleich», sagt Hehli über die Zeichen, die dem Waldlaien vorkommen mögen wie eine Art Geheimsprache.
Erhalten und nutzen
Die junge Försterin arbeitet beim Staatsforstbetrieb des Kantons Bern. 12 700 Hektaren Wald gehören ihm, sieben Förster(innen) sind dafür zuständig. Eine von Jasmin Hehlis Aufgaben ist das Anzeichnen. Sie schaut sich ein Waldgebiet an – welche Baumarten gibt es, in welchem Zustand ist das Gebiet, gibt es Gefahren, ist es etwa von Windwurf bedroht, muss es verjüngt oder durchforstet werden?
«Dann überlege ich mir, wo ich mit dem Waldstück hin will, und welche Strategie dafür passt.» Entsprechend fallen dann die Markierungen aus. «Einerseits wollen wir starke, stabile Bäume fördern, die sich für die Holznutzung eignen. Andererseits wollen wir natürlich eine möglichst grosse Biodiversität.» Das könne dann heissen, dass sie eher einen seltenen Ahorn stehen lasse statt die starke Tanne.
Faszination Technik
Eine andere ihrer Tätigkeiten – «eigentlich meine liebste» – ist das Planen und Durchführen von Holzschlägen. «Mir gefällt die Technik», sagt die gebürtige Bündnerin. Die starken Maschinen der Forstunternehmer, die Namen wie Harvester (Holzvollernter) und Forwarder (Tragschlepper) tragen, faszinieren sie.
Während des Studiums an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) arbeitete Jasmin Hehli Teilzeit bei einem grossen Forstunternehmer. Das Wissen aus dieser Zeit hilft ihr jetzt. «Wir arbeiten mit vielen externen Forstunternehmern zusammen. Bei diesen muss ich mich als Frau manchmal beweisen. Allerdings wissen sie, dass ich bereits bei einem Unternehmer gearbeitet habe und etwas mitbringe.»
(K)eine Männerdomäne
Der Forstberuf sei eine Männerdomäne, könnte man meinen, aber Jasmin Hehli bewegt sich in ihrem Metier so leichtfüssig wie über Wurzeln und Äste auf dem Weg zum nächsten Holzschlag. «Ich glaube, es kommt nicht auf das Geschlecht, sondern auf die Person an.» Manchmal helfe es, eine Frau zu sein. «Ich habe schon einige Male bei Verhandlungen oder bei verhärteten Fronten einen einfacheren Zugang zum Gegenüber gefunden als wenn das Gespräch zwischen zwei Männern stattgefunden hätte.»
«Holzgeruch ist genial»
Aufgewachsen ist Jasmin Hehli in Davos GR. «Der Wald war ein Stück weit mein Spielplatz», erinnert sie sich zurück. Trotzdem wusste Hehli damals noch nicht, dass sie einmal Försterin werden würde, obwohl sie den Geruch nach Holz schon früh «genial» fand. Nach der Matura wollte sie zuerst Umweltingenieurin werden, doch das Studium an der ETH war ihr dann zu theoretisch.
Städter kritisieren Maschinengrösse
An ihrem heutigen Beruf gefällt ihr neben der Natur und der Technik auch, dass man mit so vielen Menschen zu tun hat. «Einerseits mit unseren Mitarbeitern, andererseits auch mit der Bevölkerung.» Bei der Zentrale des Staatsforstbetriebs kommen ganz unterschiedliche Anfragen rein und die Mitarbeitenden werden im Wald gerne von Spaziergängern, Hündelern und Reiterinnen angesprochen.
Dabei gibt es laut Jasmin Hehli einen Stadt-Land-Graben, wie manihn von Abstimmungen kennt. «Städter, die den Wald für ihre Freizeit nutzen, äussern eher ihr Unverständnis darüber, dass wir den Wald überhaupt bewirtschaften. Man solle ihn stehen lassen, sagen sie, oder unsere Maschinen seien zu gross und machen alles kaputt.» Von der Landbevölkerung oder Menschen mit bäuerlichem Hintergrund kämen eher fachlichere Fragen.
Förster sind treue Seelen
Förster(innen) blieben ihrem Revier oft lange treu, erzählt Jasmin Hehli. Und sie, will sie bis zur Pensionierung auf dem Beruf bleiben? Sie lacht, als sie diese Frage hört. «Das ist noch eine lange Zeit», meint sie, schiebt aber nach, ja, eigentlich könne sie sich das vorstellen.
Spannend wird es im Beruf auf jeden Fall bleiben, denn die Herausforderungen sind vielfältig: Der Klimawandel, der Borkenkäfer, die teilweise fehlende Holzverarbeitungsindustrie, die politischen und gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald.
«Die Berge fehlen mir»
Auch in ihrer spärlichen Freizeit spielt er eine Rolle. Sie durchreitet ihn mit ihrem Freiberger und rückt mit dem Pferd Holz. Oder sie geht in die Berge. «Ich lebe jetzt im Emmental, da sind sie zwar einigermassen nahe, aber sie fehlen mir trotzdem.» Nicht umsonst ist ihr Lieblingsbaum die zähe Arve, die auch ganz weit oben noch gedeiht.