Der Himmel ist dunkelgrau, hellgrau und vielleicht auch mal blaugrau. Es nieselt, es giesst, es schüttet, gern auch unangekündigt. Hauptsache, alles wird nass. Wenn man sich 2024 auf eines verlassen konnte, dann waren das die instabilen Wetterlagen. Arbeiten zu planen und durchzuführen, war für viele Landwirtschaftsbetriebe deutlich schwieriger als in anderen Jahren.

«Mengenmässig ist viel Futter da, aber in welcher Qualität? Und wie viel Aufwand steckt dahinter?», sagt etwa Fabian Gut, Präsident des Schweizerischen Raufutterverbands. Gerade in der Berglandwirtschaft sei das Heuen vielerorts mühsam gewesen. Ihm hätten Bauern von «hochkriminellen» Arbeiten erzählt, weil die Maschinen auf den durchtränkten Böden ins Rutschen gerieten. Und in Deutschland schrieb die Landwirtschaftsplattform «Agrarheute»: «Die Heuernte 2024 ist für viele Landwirte wie im Krimi.»

Verheerende Unwetter

Das war 2024 längst nicht alles. Zur Erinnerung ein kurzer Rückblick an die düsteren Wetterereignisse des Jahres: Im Durchschnitt gab es in der ersten Jahreshälfte laut Meteorologen rund 200 Sonnenstunden weniger als sonst. Das entspricht einem Defizit von 20 Prozent. Anfang Juni überschwemmten Starkregen die Regionen im Norden der Schweiz. Ende Juni verursachten Unwetter im Misox, im Maggiatal, im Mattertal und im Südwallis verheerende Schäden – und es gab mehrere Tote. Nach tagelangen, intensiven Regenfällen gab es in Brienz BE gravierende Verwüstungen.

Auf die meisten Bauernfamilien wirkte sich das trübe Meteojahr weniger dramatisch aus. Doch das Wetter schlägt aufs Gemüt, wie man von verschiedenen Verbandspräsidentinnen und -präsidenten hört und liest. Da ist die Rede von «Nervosität», «schlaflosen Nächten» und davon, dass die Bauern dünnhäutiger geworden sind. Der Boden und die Ernten litten, es gab Einbussen bei Qualität und Menge. Das zehrt an den Nerven, dämpft die Freude. Denn Bäuerinnen und Bauern stecken viel Leidenschaft in ihre Arbeit. Zudem sind ihre Tage oft ohnehin stark getaktet.

Planen? Wird schwierig

Moderne Landwirtschaftsprofis sind es gewohnt, zu planen. Doch sie sind auch von der teils unberechenbaren Natur abhängig. Das Wetter kann Existenzen bedrohen. Dieses Wissen begleitet viele Familien seit Generationen. Ein Schlechtwetterjahr brauchte noch mehr Flexibilität, um «irgendwie» alle Arbeiten zu erledigen. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage: Geht das finanziell auf?

Ob das unstete Wetter zu mehr Anrufen beim bäuerlichen Sorgentelefon geführt hat, weiss dessen Präsident Andri Kober bislang nicht, das ehrenamtliche Team trifft sich erst nächste Woche zum vierteljährlichen Austausch. «Doch aus Erfahrung weiss ich, dass sich viele erst melden, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht», sagt der Pfarrer und Mediator.

Mehr finanzieller Druck 

Was er zudem feststellt: Der finanzielle Druck auf die Bauernfamilien hat zugenommen. «Und wenn es den Leuten wirtschaftlich schlecht geht, steigern sich auch die zwischenmenschlichen Konflikte.» Es gäbe zwar im landwirtschaftlichen Umfeld diverse Hilfsangebote zur Schuldensanierung. «Doch die Landwirte sind administrativ häufig überfordert und verpassen es dadurch oft, an der entsprechenden Stellen die korrekten Gesuche zeitgerecht zu stellen.» Und manchmal sei es eben immer noch so, dass der neue Traktor wichtiger sei als ein stabiler Alltag in Beruf und Beziehung.

Auch die Genossenschaft «Coop Patenschaft für Berggebiete» verzeichnet dieses Jahr generell mehr Anfragen. Ob das mit den Wetterbedingungen zusammenhängt, kann auch der stellvertretende Geschäftsleiter Michael Borbély noch nicht sagen. «In der Alpregion kommen die Anfragen oft erst im Nachhinein.»

Doch bereits mit je 100'000 Franken unterstützte die Hilfsorganisation dieses Jahr die Bauernfamilien im von Unwetter schwer gebeutelten Misox, dem Oberwallis und dem Maggiatal. «Dieser Betrag ist zweckgebunden, für Massnahmen und Projekte mit landwirtschaftlichem Bezug», so Borbély weiter.

Die Anstrengungen würdigen

Es geht hier nicht darum, übers Wetter zu jammern, das ändert nichts. Doch ein Jahr wie dieses zehrt an den Kräften. Diese Anstrengung gilt es zu würdigen. Anerkennung erfahren viele Bauernfamilien aber manchmal wenig – besonders, wenn wie in diesem Sommer der ungewisse Ausgang einer Abstimmung im Raum stand, die die Landwirtschaft betraf. Dazu kam, dass vielerorts Anlässe wie Auktionen gestrichen wurden, manche Bauern kommen kaum mehr vom Hof. Auch das schlägt auf die Stimmung.

So ein bisschen über das Wetter zu jammern, hilft offenbar doch, das sagt zumindest der deutsche Psychologe Michael Thiel. «Indem wir uns gemeinsam über das Wetter beschweren, bauen wir Stress und Druck ab», erklärt er in einem Interview in der Zeitschrift «Geo». «Wenn ich mit einem Freund über das schlechte Wetter rede, fühle ich mich gleich von ihm verstanden. Denn er hat ja dasselbe Problem wie ich.»

Andri Kober empfiehlt den Bäuerinnen und Bauern aus seiner Erfahrung, sich bei Sorgen «rechtzeitig und lieber zu früh als zu spät nach externer, professioneller Unterstützung umzusehen». Und Fabien Gut erinnert sich an das Vorgehen eines landwirtschaftlichen Beraters: Bei Hofbesuchen forderte er die Bauern jeweils auf: «Zeig mir erst mal, was auf deinem Betrieb gut läuft. Dann schauen wir weiter.»