So lange hat der Böögg noch nie gebraucht, bis ihm der Kopf explodierte. Wären noch drei weitere Minuten verstrichen – die Stunde wäre voll gewesen. Nach 57 Minuten stand also fest: Uns steht ein miserabler Sommer bevor. So besagt es zumindest der Volksbrauch. Denn je länger der Böögg brauche, umso später beginne die warme Jahreszeit.

Wie bereits mehrfach überprüft, scheint die Wettervorhersage mit dem Zürcher Böögg aber keine sehr verlässliche Methode zu sein. Heuer könnte er aber für einmal doch ein wenig recht erhalten, denn auch der 100-jährige Kalender, auf den viele Bäuerinnen und Bauern weitaus mehr setzen als auf den Zürcher auf dem Scheiterhaufen, prophezeit uns keinen wirklich warmen Frühling. So soll sogar der Juni im ersten Drittel noch mit Frost starten.

Luzerner am Start

Am Sechseläuten in Zürich stand heuer auch der Luzerner Landwirt Willy Birrer im Einsatz. Für seinen Auftritt für die Zunft zur Zimmerleuten war Birrer von Luthern LU nach Zürich mit vier Pferden und sieben Helferinnen und Helfern gereist.[IMG 2]

«Für private Anlässe wie Hochzeiten oder Jubiläen ist es in der Regel nicht so schwierig, Gespanne zu finden. Doch am Sechseläuten braucht es wirklich viele Fuhrleute, und da sind vor allem Fuhrleute für Vierspänner sehr rar geworden», erklärt Zunftmeister Philippe Blangey auf Anfrage der BauernZeitung. Wie er erklärt, wurde Familie Birrer vom Vorgänger Armin Schönenberger empfohlen, weil dieser altershalber und aus gesundheitlichen Gründen die Fuhr nicht mehr übernehmen konnte.

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Willy Birrer setzt seine Pferde in der Zucht und im Sport ein. Und sie kennen die Fasnacht. Im Gegensatz zu jener, gehe es am Sechseläuten in Zürich sehr gesittet zu und her, erklärt der Züchter und Landwirt auf Anfrage. Die Pferde hätten in keinster Weise Stress erlitten. «Ich hatte auch eine Stute dabei, die noch nie an Umzügen lief, sie war in keinem Moment überfordert. Die Zürcher zeigen uns mit diesem Sechseläuten, wie es geht. Sie leben eine Tradition auf höchstem Niveau», so Birrer.

Alles Fuhrwerke

Beeindruckend sei auch für ihn als Rösseler die enorm hohe Anzahl Pferde, die an diesem Tag durch die Strassen der Grossstadt ziehe. «Da war ein einziges motorisiertes Gefährt unterwegs und das notabene noch mit einem Elektromotor – alles andere waren Fuhrwerke», erzählt er. An mehreren Stellen in der Stadt stünden Tierärzte im Einsatz, die sich nach dem Befinden der Pferde erkundigen und diese beobachten. Der Vorwurf, das Sechseläuten könne für die Pferde eine Überforderung darstellen, weist Birrer entschieden zurück. «Es gibt immer und überall Kritiker – das bringt unsere Zeit, in der wir leben, mit sich. Ich glaube, das müssen wir einfach hinnehmen, ändern lässt es sich kaum», sagt der Landwirt versöhnt.

Sechseläuten sexistisch?

Kritik hat Willy Birrer auch im Zusammenhang mit der Beteiligung der Frauen am Sechseläuten wahrgenommen. Die Tages-Zeitung «20 Minuten» stellte die Frage, ob die Sechseläuten-Tradition rassistisch und sexistisch sei. «Dass Zünfter noch immer ihre Gesichter braun schminken und Frauen noch immer nicht in allen Zünften zugelassen sind, ärgert die SP. Nun verlangen mehrere Kantonsräte, dass der Regierungsrat Stellung bezieht», schreibt die Tageszeitung.

Für den Landwirt eine wenig nachvollziehbare Denkweise. Er ist sicher, die Frauen würden ihren Raum in der Schweiz sicherlich einnehmen können, wenn sie das wollten. Anstatt sich ob solcher wertvollen Traditionen zu erfreuen, würde stets das Negative gesucht. «Eigentlich schade, aber eben beliebt», sagt Birrer, der das Sechseläuten 2023, ganz unabhängig von den vielleicht schlechten Wetterprognosen, die sicherlich auch am Napf zu spüren sein dürften, in bester Erinnerung halten wird.

Sogar die Heimreise sei ein Highlight gewesen. «Unser Pferde kamen sogar mal in den Genuss einer Schiffsreise», so der Landwirt schmunzelnd. So führte der Heimweg der Luzerner über den Zürichsee und über den Hirzel; es dürfte nicht das letzte Mal sein, denn die Zunft zur Zimmerleuten pflegt die Tradition auch im Zusammenhang mit ihren Fuhrleuten – wenn immer möglich.