Vor einer Woche fand das erste Innovationsforum Ernährungswirtschaft statt, aufgrund der Pandemie jedoch nicht wie geplant im thurgauischen Tänikon, dem Standort der Swiss Future Farm SFF und von Agroscope, sondern als Online-Konferenz.

Bis zur Produktion rückverfolgen

Organisiert wurde der Anlass vom neu geschaffenen Innovationsboard Tänikon, hinter dem unter anderem der Verband Thurgauer Landwirtschaft VTL, die SFF, die Ostschweizer Fachhochschule OST, das Thurgauer Landwirtschaftsamt sowie Agro­scope stehen. Christof Widmer, Tagungsleiter und Vorsitzender des Innovationsboards, sagte einleitend: «Unser gemeinsames Ziel ist der Austausch von Forschung und Praxis in der Ernährungs- und Landwirtschaft».

Im Zentrum des ersten Innovationsforums stand die Agri-Food-Automation: Digitalisierung und Automatisierung spielen in der Produktion eine immer grössere Rolle, um etwa komplexe Prozessabläufe zu optimieren oder die Rückverfolgbarkeit bis zum Produzenten zu ermöglichen. Wie dies in der Praxis heute aussehen kann, wurde anhand verschiedener Firmen der Region veranschaulicht. Drei Beispiele:

Smart Mill Program: Gernot Ruppert von der Bühler AG stellte das Smart Mill Program vor, welches das Technologieunternehmen aus dem st. gallischen Uzwil für die Müllereibranche entwickelt hat. Dabei wird eine Vielzahl von Betriebsdaten erfasst und miteinander verknüpft, um Abläufe effizienter aufeinander abzustimmen. «Energie, Abfall und Wasser sollen bis 2025 um die Hälfte reduziert werden. Digitalisierung kann dazu einen grossen Beitrag leisten», sagte Ruppert. «Das Ziel ist letztlich eine komplett autonome Mühle, die immer genau das produziert, was produziert werden soll.»

Als Beispiel für ein konkretes Tool, das es bereits gibt, nannte Ruppert das Grainigo. Dabei handelt es sich um ein mobiles Gerät, mit welchem sich die Qualität von Maiskörnern analysieren lässt. Eigenschaften wie Grösse und Beschaffenheit werden zentral mit bereits ausgewerteten Daten verglichen und eingeordnet. Das Ergebnis wird anschliessend auf das Smartphone gesendet. «Das Gerät dient zur Prognose, wie eine bestimmte Maisauswahl sich bei der Verarbeitung verhalten wird», sagte Ruppert. «Damit lässt sich der Einkauf gezielter gestalten». Grainigo liesse sich auch in der Landwirtschaft einsetzen.

Die Digitalisierung, so Ruppert, habe noch einen anderen Effekt: Sie mache die traditionelle Müllereibranche, die unter Nachwuchsmangel leidet, auch für jüngere attraktiver.

Moderne Schälmühle: Ebenfalls einen Einblick in die Müllereibranche verschaffte Ralf Hahn, Verkaufsleiter Schweiz bei der E. Zwicky AG in Müllheim-Wigoltingen. Die Schälmühle verarbeitet zwischen 40 und 60 Rohwaren. In den Neunzigerjahren begann sie, glutenfreie Extrudate herzustellen. «Heute sind wir bereits viel weiter», hielt Hahn fest. «Neuste Produkte wie die glutenfreien Bio-Maisflips, die eine besonders schonende Verarbeitung benötigen, stellen grosse Anforderungen an die Technologie». Ein weiterer Trend ist der Einsatz von Extrudern zur Herstellung von Fleischersatzprodukten aus pflanzlichen Proteinen. Bei der Zwicky AG nutzt man moderne Reinigungsanlagen, die beispielsweise Körner anhand von Farbnuancen unterscheiden können. «Dabei geht es darum, von Anfang an die kundenindividuellen Kriterien zu definieren, um unnötige Reinigungsverluste zu vermeiden», sagte Hahn.

Online-Handel: Auch die Farmy AG in Zürich nutzt die Fortschritte der Digitalisierung. Die Online-Plattform bringt Hofprodukte direkt von den Landwirten zur Kundschaft. Frischwaren machen rund drei Viertel des Sortiments aus. Die Firma war nach ihrer Gründung 2014 schnell gewachsen. «Besonders zugelegt haben wir diesen Frühling während des Lockdowns. In dieser Zeit konnte eine Vielzahl neuer Kunden gewonnen werden», so Thomas Zimmermann, Einkaufsleiter und Mitinhaber. Nicht zuletzt deshalb, weil die Online-Shops der Grossverteiler angesichts des plötzlichen Ansturms überfordert waren. Bestellungen seien früher eher abends eingegangen, nun würden sie mehr über den ganzen Tag verteilt getätigt, weil zahlreiche Arbeitnehmende im Homeoffice sind.

Digitale Helfer im Einsatz

Farmy beschäftigt heute rund 150 Mitarbeitende an den zwei Standorten Zürich und Lausanne VD. Um die komplexen Abläufe von der Bestellung bis zur ­termingerechten Lieferung bewältigen zu können, nutzt die Firma verschiedene Tools, von der Einkaufs-App über Logistiksoftware bis zur digitalen Routenplanung. Die Auslieferungen erfolgen mit E-Fahrzeugen. «Da die Digitalisierung sehr schnell voranschreitet, ist ein Miteinander förderlich», meinte Nadja El Benni von Agroscope in ihrem Schlusswort zur Tagung. «Kompetenzen sollten gebündelt werden und es ist sinnvoll, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen.» Im Umgang mit digitalen Daten sei es zudem wichtig, sich an Leitlinien zu orientieren, wie sie die«Charta Digitalisierung» für die Land- und Ernährungswirtschaft vorgibt.