Ein Einfamilienhaus am Dorfrand, ein gepflegter Vorgarten – aber nach Landwirtschaft sieht es hier nicht aus. «Der Betrieb liegt rund einen Kilometer weiter weg in einer Talsenke», erklärt Edwige Steulet nach der Begrüssung. Die Bäuerin hat den Betrieb in Bourrignon JU vor drei Jahren von ihren Eltern übernommen. Zudem amtet sie als Präsidentin der jurassischen Bäuerinnenvereinigung.

Die 33-Jährige führt in eine Wohnung im oberen Stock des renovierten Hauses. Hier wohnt sie mit ihrem 5-jährigen Sohn Jonas und ihrem Lebensgefährten Tristan Oppliger. «Die Eltern haben seit zwei Jahren eine Wohnung im Parterre, das ist in ihrem Alter praktisch», sagt sie zur Aufteilung.

Umzug wegen Autobahn

Sie lebt seit ihrem siebten Lebensjahr hier in Bourrignon. Früher hatten die Eltern im 20 Autominuten entfernten Courrendlin einen Hof geführt. «Doch dann kam die Autobahn.»

Zum IP-Suisse-Betrieb in Bourrignon gehören 37 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, die als Weide- und Grasland für die 35 Limousin-Mutterkühe genutzt werden. Je nach Saison umfasst die Herde mit Kälbern und Rindern bis zu 90 Tiere.

Die Arbeiten auf dem Hof hat Edwige Steulet von den Eltern gelernt. «Ich bin das einzige Kind. Vor allem als meine Mutter an Brustkrebs erkrankte, arbeitete ich viel mit», sagt sie. Damals war sie ein Teenager. Die Mutter genas und die Tochter entschied sich nach der Schulzeit für eine Ausbildung als Fachfrau Gesundheit. 

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An Gesunden üben

Nach Ende des Studiums arbeitete sie einige Jahre in der Spitex und als unabhängige Krankenschwester, wo sie vor allem ältere Patienten betreute. Seit zwei Jahren ist sie mit einem 60-Prozent-Pensum an der Fachhochschule für Krankenpflege in Delémont tätig.

Edwige Steulet koordiniert und organisiert dort den Einsatz der rund 60 «simulierenden Patienten». «Das sind teils Schauspieler, teils Laien. Sie übernehmen die Rollen von Patienten mit verschiedenen Erkrankungen. So können die Studierenden an echten Menschen ihre Praxis-Kompetenzen trainieren.»

Das Büro im Griff

Bevor sie den Hof übernahm, absolvierte Edwige Steulet die Weiterbildung zur Bäuerin mit Fachausweis. Die ersten zwei Jahre bewirtschaftete sie den Betrieb allein. «Ich kann alles machen, bin aber nicht überall gleich gut», sagt sie.

Heute teilt sie sich die Aufgaben mit Freund Tristan Oppliger, der ausgebildeter Landwirt ist und ebenfalls Teilzeit ausserhalb des Betriebs arbeitet. «Das Büro ist aber klar meine Domaine», sagt die Jurassierin mit einem Schmunzeln. Neben Kühen hält Edwige Steulet einige Schafe sowie fünf Pferde, da sie gern reitet, vor allem Dressur. «Doch dafür fehlt mir leider oft die Zeit.»

Schon kurz nach der Fachausweis-Übergabe wurde die junge Bäuerin angefragt, ob sie nicht im Vorstand der kantonalen Bäuerinnenorganisation aktiv werden wollte, der «Association des paysannes jurassiennes». Zwei Jahre war sie im Vorstand aktiv, seit dem Frühling amtet sie als Präsidentin. «Nun sind wir zehn junge Frauen im Vorstand», sagt Edwige Steulet strahlend. «Eine schöne Truppe mit einem bunten Strauss an Kompetenzen. Das macht Spass.»

Alle Frauen sind dabei

Im Jura sind alle Frauen auf den rund 900 Höfen im kantonalen Bauernverband automatisch in der Bäuerinnenvereinigung, egal, ob Landwirtin, Bäuerin oder Partnerin des Betriebsleiters. «Doch es war früher eine Vereinigung, die schlief», so Edwige Steulet.

Seit es eine Verjüngung des Vorstandes gab, sind die Bäuerinnen auf den sozialen Medien aktiv, geben Einblicke in ihr Leben, schalten Rezepte und Deko-Tipps auf, sprechen aktuelle agrarpolitische Themen an. Es wurden T-Shirts mit farbenfrohen Aufdrucken kreiert, ein neues Logo gestaltet, und die Frauen sind auf Messen und Märkten präsent.

Sichtbar machen

So buken sie an einem Stand «Striflates», ein typisches Brandteiggebäck aus dem Jura, und nutzen dafür nur regionale Grundprodukte. «Dazu zeigten wir Fotos der Bäuerinnen, von deren Höfen die Produkte stammten. Das schuf sofort eine Verbindung.» Oder sie kreierten einen Wettbewerb mit Sonnenblumen und spendeten die Einnahme der Krebsliga. [IMG 3]

Edwige Steulet ist es ein Anliegen, dass sich die Frauen auf den Höfen zeigen. «Sie haben so viele Fähigkeiten. Doch viele Bäuerinnen trauen sich nicht, dazu zu stehen, sie verstecken sich hinter den Männern. Doch Gleichstellung ist wichtig.»

Zu viel Papierkram

Nach den agrarpolitischen Herausforderungen gefragt, fallen Edwige Steulet zwei Themen ein. Zum einen die Überlastung mit administrativen Arbeiten. «Man kann als Praktiker noch so gut sein, aber vergisst man, auf einem Formular ein Kreuz zu setzen, bekommt man Ärger.» Hier brauche es Vereinfachungen. Dann die Haltung der Konsumenten. «Die haben oft fixe Vorstellungen. Da kommt man als Bäuerin leicht in die Position, dass man sich verteidigen muss.»

Nach dem Kaffee geht es mit dem Auto zu einer der Weiden, auf der eine Herde Mutterkühe neugierig näher kommt. «Mein Vater war damals einer der ersten im Jura, der auf Fleischrassen setzte», sagt Edwige Steulet. Auch für sie ist das Betriebskonzept stimmig – genauso wie die Kombination ihrer beiden Berufe. Denn sie hätten Ähnlichkeiten. «Bei beiden sorgt man sich um Lebewesen, als Krankenschwester kümmert man sich um Menschen, als Bäuerin um Tiere.»

Jurassische Bäuerinnenvereinigung: www.agrijura.ch


Fünf Fragen

Was möchten Sie gerne besser können?

Ich möchte weniger perfektionistisch sein und mehr Zeit für mich haben.

Was raubt Ihnen den Schlaf?

Ich gehe spät ins Bett und schlafe nicht viel. In der Nacht kommen mir oft schöne Ideen.

Wie erholen Sie sich von Ihrer Arbeit?

Beim Spielen mit meinem Sohn oder beim Basteln.

Über was für ein Kompliment freuen Sie sich?

Jedes Kompliment ist willkommen. Ich gebe auch gern Komplimente.

Wohin möchten Sie eines Tages reisen?

Nach China und nach Kanada, ich mag andere Kulturen.

Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig?

Dass man offen miteinander kommuniziert.