Ein Sturm der Entrüstung fegte vergangene Woche durch die Westschweizer Landwirtschaft. Grund dafür war ein einziger Satz: «On est des paysans» – «Wir sind Bauern». Gesagt hatte ihn Migros-Sprecher Tristan Cerf, und zwar als Antwort auf die Frage, was die Migros eigentlich mit den riesigen Datenmengen mache, die sie von ihren Kunden sammle. Nutzt der Konzern etwa künstliche Intelligenz und ähnliche Methoden, um den «gläsernen Kunden» zu erschaffen? Mais non, wiegelte Cerf ab. Bei der Migros wisse man nicht einmal, wie so etwas gehe. Und dann eben: «Wir sind Bauern.»

Arroganz und Verachtung warf ihm daraufhin eine Medienmitteilung von Prométerre vor: Als bestbezahlter Kommunikationsprofi werde Cerf wohl ganz genau gewusst haben, was er da gesagt habe. Die Migros konterte: Cerf habe sich auf die sympathische und bodenständige Art der Bauern bezogen.

«Bauer» wird seit jeher auch als Schimpfwort verwendet

Honi soit qui mal y pense – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber die geharnischten Reaktionen sind auch nicht eben beste Imagepflege. So viel Emotion wegen einer missglückten Bezeichnung kannte man bisher eher von Gruppierungen, für die schon die korrekte Bezeichnung eines Schaumgebäcks mit Schokolade-Überzug eine Frage von Demokratie und Menschenwürde ist.

Selbstverständlich war «Bauer» immer auch ein Schimpfwort, ob nun auf Deutsch oder auf Französisch. Ein Mädchen mit einem losen Maul und einem breitbeinigen Gang war auf gut Deutsch immer schon ein «Bauerntrampel». Ein ungebildeter und ungehobelter Kerl gilt seit jeher als «bäuerisch». In anderen Sprachen sieht es nicht viel besser aus.

Ein peasant kann auf Englisch ein Kleinbauer sein. Aber es gibt schon einen Grund, warum sich die Landwirte im englischen Sprachraum lieber farmer nennen. Was das französische paysan angeht, heisst es so viel wie «einer vom Land». Es ist damit ziemlich nahe beim païen. Das wäre dann ein «Heide» – oder im bis vor Kurzem üblichen Sprachgebrauch ein «Wilder».

Nicht nur die Städter schauten auf andere herab

Natürlich blickten die reichen und gebildeten Städter schon vor Jahrhunderten auf alle herab, die auf dem Land mit den Händen arbeiteten. Und für die Landlosen und die Arbeiter waren die Bauern schon immer «bauernschlaue» Profiteure, die viel wollten für den Speck und wenig hatten für den Lohn.

Genauso, wie Berufsbezeichnungen wie «Korber», «Scherenschleifer» oder «Webstübler» in der bäuerlichen Sprache nicht immer nur von Respekt und Hochachtung zeugten. Von den vielfältigen Assoziation mit der ehrenhaften Profession der Viehhändler ganz zu schweigen.

Die Bauern haben in der Schweiz einen guten Namen

Wer einen Namen trägt, muss dessen Ruf ertragen. Und einen guten Ruf hat man meist nicht bei allen. Zumindest in der Deutschschweiz hat aber kaum eine Gruppe einen so guten Namen wie die Bauern. Dass die «Bauernproteste» in der Bevölkerung Rückhalt geniessen, hat auch damit zu tun, dass sie nicht «agrarberufliche Proteste» heissen.

Und sollte das Wort «Bauer» doch einmal wieder abschätzig verwendet werden, spendet die Sprachwissenschaft etwas Trost. Laut dem umfangreichen Datensatz von Wiktionary.org kommt es vom protogermanischen Tätigkeitswort *buana. Das heisst so viel wie «bewohnen, da sein» und geht auf die proto-indoeuropäische Wurzel *bhuH- zurück: «Sein, werden, wachsen, erscheinen». Das ist schon mal nicht schlecht. Aus derselben Wurzel kommen die slawischen Wörter für «Sein», «Existenz», «Kultur» und «Freiheit». Oder das lateinische Wort probus: «aufrecht, edel, gut». Oder gar superbus. Wenn sich da nicht eine Welt auftut.

Für die Schwaben war einst jeder Schweizer ein «Küeswanz»

A propos: Dass sich die Schweizer bis heute mit ihren Bauern identifizieren, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die alten Eidgenossen einst wegen ihrer Herkunft als Viehbauern verspottet wurden. Laut dem «Schweizerischen Idiotikon» wurden sie von ihren schwäbischen und österreichischen Nachbarn nämlich schon ab dem 14. Jahrhundert als «Küeswanz» und «Kuogehîer» bezeichnet – Ersteres dürfte sich von selbst erschliessen, Letzteres muss hier unübersetzt bleiben.

Ganz so gelassen, wie hier empfohlen sei, scheinen es die «Kuhschweizer» damals nicht genommen zu haben. Dies legt zumindest der heutige Grenzverlauf der Eidgenossenschaft nahe. Nicht überliefert ist, ob die Reaktion damals auch schon von empörten Medienmitteilungen begleitet war und ob sich die Schwaben eigentlich jemals entschuldigt haben. 

Die BauernZeitung fragt: Landwirt oder Bauer – wie bezeichnen Sie sich selbst?

[IMG 2]Marc Grüter, St. Urban LU: Es gibt durchaus immer mal wieder die Diskussion, ob denn Landwirt oder Bauer die treffendere Bezeichnung für unseren Berufsstand ist. Ich selber bezeichne mich als Landwirt, das klingt in meinen Ohren einfach etwas professioneller. Mit dem Wort Bauer werden meiner Meinung nach immer auch ein wenig die Klischees vom «Chnorzi» oder vom «Chnübli» assoziiert. Gerade in nicht landwirtschaftlichen Gesprächen spreche ich deshalb immer bewusst vom Landwirt. lja

[IMG 3]Walter Eberhard, Schnottwil SO: Ich bin Bauer – ein stolzer Bauer sogar. Es war mir aber schon immer wichtig, dass ich mich nicht von Weitem als einer zu erkennen gebe, denn um den Beruf gibt es einfach viele Klischees. Als Landwirt bezeichne ich mich etwa dann, wenn ich als Musiker unterwegs bin und mit Leuten aus anderen Kreisen spreche. Letzten Endes sind für mich die Begriffe Bauer und Landwirt aber gleichwertig. Man hat ja nicht mehr oder weniger Erfolg, nur weil man sich als das eine oder das andere bezeichnet. lja

[IMG 4]Hanspeter Brunner, Valendas GR: Ich bin Bauer, aus Überzeugung und schon in fünfter Generation. Hier oben bei uns ist man einfach Bauer. Ich versuche immer, ich selbst zu sein; so, wie ich bin. Ich kann mich besser mit dem Begriff Bauer identifizieren als mit Landwirt. Den Begriff brauche ich nur, falls jemand «Bauer» nicht verstehen sollte. Ich will in dem, was ich tue, glaubwürdig sein und das entsprechend repräsentieren. Es ist etwas Schönes, wenn man die Leidenschaft zum Beruf machen und das so benennen kann. lja