Bern Der Schweizer Biermarkt leidet unter den Einschränkungen im Gastro-Gewerbe. So sagte etwa Gabi Gerber, Mediensprecherin der Brauerei Feldschlösschen, Anfang April gegenüber Tele Basel, die Brauerei habe 2020 im Bereich Bier und Getränke rund 14 Prozent weniger verkaufen können. Damit steht Feldschlösschen nicht alleine da.

Kleine Brauerei kann flexibel sein

Zufrieden mit dem Bierabsatz zeigt sich Eveline Locher, Mitbegründerin der kleinen Brauerei «Mein Emmental» und Mitglied in der Geschäftsleitung. Die Brauerei mit Sitz in Zollbrück hat einen jährlichen Ausstoss von rund 80 000 Litern und betreibt ein kleines Lokal, das im Moment aber geschlossen bleiben muss. Das sei schade, aber nicht existenzbedrohend, sagt Locher. Als kleine Brauerei könne das Unternehmen rasch auf Veränderungen am Markt reagieren und flexibel sein, fährt sie fort.

Grosser regionaler Rückhalt

Zudem braue man keine Standardbiere und richte sich damit nicht in erster Linie an ein Massenpublikum, fährt Locher fort. Ausserdem geniesst «Mein Emmental» einen grossen regionalen Rückhalt, wie die Bierfachfrau erzählt: «Wir haben rund 1000 Aktionäre und damit eigentlich auch eine Fangemeinde. Diese Bierfreunde trinken bewusst ein regional hergestelltes Bier aus regionalen Zutaten und sind auch bereit, dafür einen etwas höheren Preis zu bezahlen.» Die Biere aus der kleinen Brauerei finden sich im Sortiment vieler regionaler Geschäfte und kleiner Läden, wo besonders auf Regionalität geachtet wird. Das tun auch die Verantwortlichen bei «Mein Emmental»: Wo immer möglich, setzen sie auf regionale Zutaten, wie etwa Schweizer Braugerste, die das Unternehmen über die IG Mittellandmalz bezieht.

Gute Ernte, kein Absatz

An der Schnittstelle zwischen Produzenten und Verarbeitern steht beispielsweise die IG Mittellandmalz. Die Interessengemeinschaft besteht aus Bauern, Brauern und Bierfreunden, die sich mit Erfolg für eine heimische Braugerstenproduktion und eine Verarbeitung hierzulande einsetzen. Hier kennt man die Probleme in ihrer ganzen Tragweite. «Die Gesamtsituation ist im Moment wirklich schwierig; in Sachen Absatz ist aktuell wenig bis gar nichts zu machen», sagt Dominik Füglistaller, Geschäftsführer der IG. Nachdem bei der letztjährigen Ernte erstmals alle Produzenten die für Braugerste erforderliche Qualität erreicht hatten, wurde bereits wieder für das laufende Jahr angesät. Aufgrund der Marktsituation steht aber noch nicht fest, wie mit dem Getreide weiter verfahren wird. Die IG Mittellandmalz stehe darüber im Dialog mit ihren Produzenten und Partnern, versichert Füglistaller.

Unterschiedlich betroffen

Der weggebrochene Absatz setzt indes der ganzen Branche Druck auf, wenn auch nicht allen Akteuren im gleichen Ausmass: «Auch grössere Brauereien geraten zunehmend in Not», weiss auch Dominik Füglistaller. «Trotzdem können Grosse weiterhin Bier über den Detailhandel absetzen. Vielen kleineren Betrieben und Mikrobrauereien hingegen fehlt dieser Marktzugang, weshalb manche über kurz oder lang in ihrer Existenz bedroht sind», befürchtet der Agronom. Da der Preisunterschied zwischen heimischem und ausländischem Braumalz noch immer beträchtlich sei, habe er aber Verständnis für Abnehmer, die sich angesichts des fehlenden Absatzes am Markt orientieren und zu günstigeren, importierten Rohstoffen greifen müssten.

100-prozentiges Schweizer Bier ist möglich

Trotzdem hält Füglistaller fest: «Wer ein echtes Schweizer Bier produzieren will, kann und soll das tun. Die neue Mälzerei in Lenzburg ist auf Kurs, die gesamte Wertschöpfungskette ist hierzulande gewährleistet. Sofern die Qualität der Ernte stimmt, zieht also das Argument des Vermälzens im Ausland nicht mehr.» Damit spricht Füglistaller einen oft kritisierten Punkt an: Schweizer Braugerste musste zum Vermälzen bislang zum allergrössten Teil nach Deutschland geführt und danach als Malz wieder in die Schweiz geliefert werden. Dank der neuen Mälzerei im Aargau können Brauereien, die zu 100 Prozent Zutaten aus der Schweiz verwenden wollen, dieses Ziel nun umsetzen.

Wie geht es nun weiter?

«Falls nicht ein kleines Wunder geschieht und jemand grössere Mengen Schweizer Malz aufkauft, wird es schwierig», sagt Dominik Füglistaller. Die Notlösung einer Deklassierung der Ernte 2020 wolle man dringend vermeiden, vom Tisch sei dies aber nicht. Möglich sei auch eine Reduktion der Anbaufläche für das Anbaujahr 2021/ 2022. Abschliessende Aussagen treffen kann Füglistaller aber nicht, dafür sei die Lage zu komplex und die nähere Zukunft zu ungewiss. Eine Botschaft an alle Bierliebhaber hat Füglistaller aber: «Wer gerne ein gutes Bier trinkt, soll die Vielfalt der Schweizer Biere entdecken und dabei kleineren, regionalen Brauereien und deren Produkten eine Chance geben.»