In Neuseeland ist aktuell einiges im Gange, fast so, als ob ein Virus grassieren würde. Ein Blick über den Zaun genügt, um das Ausmass zu erkennen. Statt friedlich grasender Rinder sieht man nun kleine Leuchtpunkte in gelben oder orangen Westen über die Hügel kriechen. Diese Arbeiter, bewaffnet mit Spaten und Umhängetaschen voller Setzlinge, sind unermüdlich im Einsatz. Schritt für Schritt, Spatenstich für Spatenstich, pflanzen sie Setzling um Setzling.

Was wird hier grossflächig gepflanzt? Weihnachtsbäume? Jein – CO2-Gutschriften kann man nicht direkt pflanzen, Bäume hingegen schon.

Die «CO2-Sünde» kompensieren

Einer meiner grösseren Nachbarn hat kürzlich einen Grossteil seiner Farm verkauft. Jetzt konzentriert er sich auf seine Milchfarm. Auf dem verkauften Grundstück liess er früher seine Galtkühe, Aufzuchttiere und Rinder für die Fleischproduktion weiden. Das Kaufangebot war, wie er mir sagte, einfach zu gut, um es abzulehnen. Es sei für ihn an der Zeit, Risiken zu minimieren und zu reduzieren. Seine Kinder werden in der kommenden Saison die Führung der Milchfarm übernehmen.

Direkt um mich herum sind es unzählige Hektaren Weideland mit Zäunen und Tränksystemen, die verloren gehen. Teilweise werden nur die Tore und Tröge entfernt. Die Wasserleitungen und Zäune werden jedoch im Boden zurückgelassen.

Der CO2-Handel nimmt dieses Weideland für sicher 30 Jahre aus der Nahrungsmittelproduktion. Finanziell lohnend sind allein schon die CO2-Gutschriften, obwohl die Bäume erst in zehn Jahren einen «Nutzen» bringen. Das Bauholz ist in diesem Fall lediglich ein Nebenprodukt.

Leider will es der Zeitgeist heute so: Man reduziert seine «CO2-Sünden» nicht, sondern kompensiert stattdessen irgendwo auf dem Globus. Die Forstwirtschaft freut das nicht, denn es bringt das Gleichgewicht von Angebot, Nachfrage und Kapazitäten durcheinander, was zu niedrigeren Preisen führen wird.

Eine schnell wachsende Kiefer

Es werden pro Hektar 1000 Bäume Pinus Radiata gepflanzt. Dies lässt Raum für eine gewisse Jungsterberate und spätere Ausdünnung. Ein ausgewachsener Wald hat etwa 400 Stämme pro Hektar und wird nach rund 30 Jahren kahlgeschlagen.

Pinus Radiata, auch Monterey-Kiefer genannt, ist nicht heimisch in Neuseeland. Ursprünglich stammt dieser Baum von der zentralen Küste Kaliforniens und den Inseln Guadalupe und Cedros in Mexiko. In Neuseeland wurde er aufgrund seiner schnellen Wachstumsrate und der Qualität seines Holzes weit verbreitet angepflanzt und hat sich sehr gut etabliert. Dass diese Bäume hier schneller wachsen als irgendwo sonst auf der Welt, sehe ich immer wieder. Etwa, wenn ich als Zimmermann Arbeiten ausführe: Jahresringe, fast so dick wie ein Daumen, sind keine Seltenheit.

Im Bausektor stammt praktisch alles strukturelle Bauholz aus dem eigenen Land. Doch erstaunlicherweise werden drei Viertel der Holzproduktion aus Neuseeland exportiert. Dies umfasst ganze, grüne Baumstämme, Schnitzel, zugesägtes Holz, teilweise verarbeitetes Sperrholz sowie Papier- und Kartonware.

Nicht ganz unproblematisch

Im Februar 2023 fegte ein tropischer Wirbelsturm über die Nordinsel hinweg. Drei Tage lang regnete es ununterbrochen – über 300 mm Niederschlag insgesamt, gefolgt von orkanartigen Winden. Die Böden waren so durchnässt wie nie zuvor, und die Wurzeln einiger Bäume konnten dem Druck nicht mehr standhalten.

Unser Schaden war gering und im Vergleich zur Hawk’s Bay klein. Dort fielen 450 mm innert weniger Tage. Das ist mehr als ein Viertel des Jahresniederschlags. Ein weiteres Problem war das Schwemmholz. Das ist zwar nicht neu, aber in diesem Ausmass wurde das noch nie gesehen. Das Holz wurde nach den Kahlschlägen der Nutzholzflächen zurückgelassen. Halbe Baumstämme, Äste und Wurzelstöcke wurden allesamt nach gängiger Praxis mit Bulldozern zu gigantischen Haufen zusammengeschoben. Diese Haufen wurden nun von den Wassermassen erfasst und mitgerissen. Für viele Brücken war das zu viel. Das Holz brach ihnen sprichwörtlich das Rückgrat. Schwemmholz, so weit das Auge reichte.

Energie bereitet Sorgen

Das jüngste Sorgenkind heisst Energiekrise. Ein niedriger Füllstand der Stauseen, schwindender Ertrag der Gasfelder und jahrelang fehlende Investitionen der Politik in Infrastruktur oder neue Energiesysteme haben dahin geführt, wo wir heute sind. In den letzten drei Jahren hat sich der Stromgrosspreis verachtfacht. Wir stehen nun bei 800 «Kiwi-Dollar/MWh», also 425 Franken. Als Folge davon hat die örtliche Aluminiumschmelze die Produktion stark gedrosselt und der grösste Gasverarbeiter seine Produktion vorübergehend ganz gestoppt.

Selbst die Holzindustrie bleibt davon nicht verschont. Die zwei jüngsten Opfer dieser Krise sind die zwei grössten Säge- und Verarbeitungswerke für Holz und Papierbrei. Zuerst war die Rede von vorübergehender Schliessung. Jetzt aber sieht es mehr danach aus, als ob 200 Angestellte ihre Arbeit verlieren werden. Und das in einer Region, wo Grossarbeitgeber eine Seltenheit und das Fachwissen der Branche sehr spezifisch sind. Bis der Strompreisschock die Privatkunden trifft, werden wohl ungefähr vier Monate vergehen.

Welche Folgen haben EU-Pläne?

Anfang 2025 tritt eine neue Importregelung für Güter in die EU in Kraft. Zusammengefasst dürfen keine Produkte in die EU eingeführt werden, die auf gerodeten Böden gewonnen wurden. Dies betrifft unter anderem Tiere und tierische Produkte, Holz, Kaffee, Soja und mehr. Die USA und andere Länder, darunter auch Neuseeland, versuchen, in Brüssel mehr Zeit zu gewinnen. Die Details dieser Regelung kenne ich nicht, aber sie ist sicherlich mit vielen Deklarationen und einer Menge Papierkram verbunden.

Vor tausend Jahren, als die ersten Maori hier ankamen, hatten die Inseln von Neuseeland noch keine Menschen gesehen. Alles war überwuchert von dichtem Tropenwald und nur bewohnt von Vögeln und Echsen. Erst im Jahr 1642 nannte der holländische Seefahrer Abel Tasman diese Inseln Neuseeland. Und es ist nicht einmal 184 Jahre her, seit die Engländer Neuseeland zu einer britischen Kolonie machten.

Die Abholzung der einheimischen Wälder und die Beweidung der Grasflächen brachten uns das Landschaftsbild, das wir heute von Neuseeland kennen. Streng genommen, basiert also alles auf der Rodung von Naturwald. Man könnte sagen, das sei jetzt lange her. Aber, was passiert, wenn man die Felder neben meinem Land nach 35 Jahren CO2-Kreditwirtschaft wieder beweiden und das Fleisch exportieren will? Da ist noch vieles unklar.

[IMG 2]Zur Person

Beni Aeschbach (50) wanderte 2009 nach Neuseeland aus. Nach verschiedenen Zwischenstationen, unter anderem auf Milchfarmen, erwarb er 2012 ein Stück bares Land. Nach und nach ist eine Farm entstanden. Auf den 26 ha Land hält er 70 Schafe und 6 Mutterkühe. Zusätzlich arbeitet er als selbstständiger Baumeister von An- und Ausbauten.