«Bei ihm musste man nie zurückblicken und schauen, wo er bleibt. Mauritz war immer gleichauf, wenn nicht sogar voraus», rühmt Bergbauer Roman Styger seinen Besuch aus dem Unterland. Während zwei Wochen war der 14-jährige Mauritz als Agriviva-Praktikant auf dem Hof der Familie Styger im Steinerberg.

Bergbetrieb mit Kühen gesucht

«Ich suchte einen Bergbetrieb mit Milchkühen und fand so über die Agriviva-Website zur Familie Styger», so der aufgeweckte junge Mann aus dem Kanton Aargau. Im Gegensatz zu vielen anderen «Landdienstlern» brachte er bereits Erfahrung aus der Landwirtschaft mit. «Ich fahre in meiner Freizeit oft mit dem Velo auf einen grossen Milchwirtschaftsbetrieb mit Melkroboter, wo ich mithelfen darf. Mit meinem Besuch bei der Familie Styger wollte ich nun auch die Berglandwirtschaft kennenlernen.»

Landwirtschaft hautnah erleben

«Seit 14 Jahren haben wir jedes Jahr während der Kirschernte einen Jugendlichen auf dem Hof», erklärt Bäuerin Susanne Styger. Da die Ernte heuer zehn Tage früher stattfand, waren die Kirschen beim Eintreffen von Mauritz schon geerntet. Dass er nicht in die Bäume steigen durfte, bedauert der kletterbegeisterte Oberstufenschüler ein wenig und fragt fast schon etwas hoffnungsvoll: «Ich kann euch ja im nächsten Jahr wieder besuchen kommen?»

Seine Berggängigkeit konnte er auf den steilen Heuwiesen aber doch noch unter Beweis stellen. Vor allem die Arbeit mit dem Heubläser liebte Mauritz. «Dabei musste man fast Angst haben, dass er mit seinen weit unter 50 Kilogramm Körpergewicht vom Luftstrom abgehoben wurde», so Roman Styger lachend. Auch im Stall war Mauritz eine grosse Unterstützung. Vom Füttern bis zum Melken konnte er in alle Arbeiten einbezogen werden.

Gastgeber nehmen sich die Zeit

«Er machte das wirklich sehr gut und war mir eine grosse Hilfe», betont der Landwirt, ergänzt aber: «Die Jugendlichen sind bei uns zum Mithelfen und nicht zum Arbeiten. Wir möchten ihnen auf diesem Wege die Landwirtschaft näher bringen. Dafür nehmen wir uns auch gerne Zeit.» Und Bäuerin Susanne Styger ergänzt: «Wie soll die Jugend von heute die Landwirtschaft noch kennenlernen, wenn kein Bauer mehr die Zeit hat, ihnen die Vorzüge unseres Berufes zu vermitteln?»

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Chriesi-Leiter gemeinsam bezwungen

Die zwei Wochen, wo jeweils ein Jugendlicher bei der Familie lebt, sind für das Betriebsleiterpaar und ihre Töchter Sofia (15) und Anja (17) eine willkommene Abwechslung. «Es kommt zu spannenden Begegnungen und lustigen Erlebnissen», erzählt Sofia Styger. Besonders in Erinnerung bleiben wird ihr der Jugendliche vom vergangenen Jahr: «Anfangs suchte er beim Viehtrieb jeweils das Weite, wenn eine Kuh ihn beschnuppern wollte. Zudem wollte er trotz bescheidener Geländegängigkeit unbedingt auf die Chriesi-Leiter steigen. Als er oben war, getraute er sich aber nicht mehr runter und wir mussten ihn dann beim Abstieg zu dritt unterstützen.»

Gurken bleiben in Erinnerung

Die Jugendlichen können viel von den Familien lernen, umgekehrt profitiert aber auch die Landwirtschaft, indem sie neue Sichtweisen erhält. «Vor drei Jahren hatten wir einen jungen Mann aus Afghanistan auf dem Hof, der bei Arbeiten vielfach die Wirtschaftlichkeit hinterfragte. Das führte wirklich zu spannenden Diskussionen», erinnert sich Roman Styger. Mit vielen ehemaligen Agriviva-Praktikanten haben sie heute noch Kontakt.

Nicht selten besuchen diese den Bergbauernbetrieb später erneut und es wird in Erinnerungen geschwelgt. Und was wird der 14-jährige Mauritz rückblickend von den vergangen 14 Tagen sicher nicht vergessen? «Gurken», so seine prompte Antwort, und er erklärt mit einem Schmunzeln: «Die vielen Gurken, welche wir in allen Variationen gegessen haben. Ich liebe Gurken. Für jemanden, der damit aber nicht viel anfangen kann, wären das wohl zwei langen Wochen geworden».

Betrieb Familie Styger
Der Hof der Familie Styger ist ein Stufenbetrieb. Während der Vegetationsperiode zügeln Mensch und Vieh je dreimal zwischen dem Talbetrieb Diezigen (600 m ü. M.) und dem Bergbetrieb Mattli (900 m ü. M.) rauf und runter. Somit können die Weiden optimal genutzt werden. Zudem entfallen viele Transportfahrten, sei dies für Hofdünger oder Raufutter. Die gesamte Betriebsfläche umfasst 15 Hektar Futterbauflächen. Im Stall stehen 20 Milchkühe mehrerer Rassen und einige Jungtiere, dazu kommen noch zehn Schafe. Von den 120 Hochstammbäumen sind der grösste Teil Kirschbäume, von welchen Tafel-, Konserven- und Brennkirschen geerntet werden. Das Betriebsleiterpaar arbeitet in kleinen Pensen ausserhalb des Betriebes.

Vom Landdienst zu Agriviva
In der Zeit des 2. Weltkrieges waren Jugendliche in der Pflicht, im Rahmen der Anbauschlacht Landdienst zu leisten und so den Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft zu mildern. 1946 wurde der Landdienst freiwillig und gleichzeitig der Verein «Landdienst» gegründet, welcher seit 2009 unter dem Namen «Agriviva» auftritt. Ziel der Vermittlung von Ferienjobs auf Bauernhöfen ist, den Jugendlichen Einblick in die Landwirtschaft und den Kontakt mit Tieren und mit der Natur zu ermöglichen. Waren es vor 20 Jahren noch über 3000 Jugendliche, welche jährlich Landdienst machten, sind es heute noch rund 1400. Die meisten sind zwischen 14 und 17 Jahre alt, davon sind fast zwei Drittel weiblich. 800 Bauernbetriebe machen bei Agriviva mit, rund 500 von ihnen sind jährlich aktiv.