Airedale Terrier Jaro kommt etwas misstrauisch näher. Doch Sandra Meyer-Huwyler schickt ihn gleich ins Zimmer zurück. «Jaro ist schon 13 Jahre alt und reagiert unterschiedlich auf Besucher», erklärt die Bäuerin bei der Begrüssung. Zusammen mit ihrem Mann Eduard bewirtschaftet sie einen Landwirtschaftsbetrieb oberhalb von Hitzkirch LU am Baldeggersee.
Aufgewachsen ist sie allerdings ganz anders. «Als Einzelkind in Wohlen, in einem Block mit 21 Wohnungen», erzählt die 51-Jährige. «Doch gleich dahinter war ein Bauernhof und wir Kinder durften oft auf den dazugehörigen Wiesen spielen.» Sandra Meyer-Huwyler war schon damals gern draussen, entschied sich aber für eine Lehre als Damen- und Herren-Coiffeuse. «Heute weiss ich nicht mehr genau warum», ergänzt sie schmunzelnd. «Zu der Zeit erschein mit das als passend.»
An Fasnacht kennengelernt
Sie arbeitete acht Jahre als selbstständige Coiffeuse, lernte an einem Fasnachtsball ihren Mann Eduard Meyer kennen und zog zu ihm auf den Hof seiner Familie. «Ich machte an der Liebegg die Bäuerinnenschule und 2004 konnten wir den Betrieb von seinen Eltern in Pacht übernehmen.» Damals lebten noch beide Generationen auf dem Hof, was manchmal «etwas anstrengend» gewesen sei, so Sandra Meyer-Huwyler, für beide Seiten. «2009 haben wir den Betrieb schliesslich ganz übernommen und die Schwiegereltern zogen in eine Wohnung nach Aesch. Eines sei seither klar: «Falls eines unserer Kinder mal den Hof übernimmt, ziehen mein Mann und ich hier weg. Das macht es für alle einfacher.»
Als 2002 das erste Kind zur Welt kam, entschied sich Sandra Meyer-Huwyler die externe Arbeit als Coiffeuse ganz aufzugeben. «Ich wollte daheim für meine Kinder da sein. So bin auch selbst aufgewachsen», sagt sie. Mittlerweile sind sie und ihr Mann Eltern von drei Buben und einem Mädchen im Alter von zehn und bis 22 Jahren. Eduard Meyer arbeitet Vollzeit auf dem Hof, unterstützt von einem Teilzeit-Angestellten. Sandra Meyer-Huwyler ist neben dem Haushalt für das Büro, die Kälber und den Gemüsegarten zuständig. «Zudem helfe ich überall mit, wo etwas ansteht. Das gehört für mich dazu und ich mache es gern.»
Zum Betrieb gehören rund 39 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 5 ha Wald, 43 Milchkühe, 270 Hochstamm-Obstbäume und 320 Plätze für Mastsauen. «Wir bewirtschaften eher intensiv», sagt Sandra Meyer-Huwyler. «Aber viel Natur und Biodiversität hat es bei uns trotzdem.» Bei einem Hofrundgang zeigt sie auf die Mehl- und Rauchschwalbennester unter dem Stalldach, erzählt von Zauneidechsen im Garten. «Ich hatte immer einen Hund und war viel draussen unterwegs. Doch die Freude an der Natur ist mit Jahren auf dem Hof noch gewachsen.»
Gewachsen sind mit den Jahren auch die politischen und ehrenamtlichen Ämter der vierfachen Mutter: Es begann mit der Schulpflege im Dorf, dann kam die Umweltkommission Hitzkirch, wo sie derzeit als Präsidentin amtet. Sie ist im Vorstand der Landwirtschaftskommission, der Hochstammfreunde, des Bäuerinnen- und Bauernvereins unters Seetal. Sie ist im Kirchenrat und leitet das Vernetzungsprojekt Hitzkirchertal. Seit fünf Jahren ist sie zudem im Luzerner Kantonsrat.
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Eine eigene Meinung bilden
«Es ist viel», meint Sandra Meyer-Huwyler mit einem kleinen Seufzer. «Zumal es mir wichtig ist, immer gut vorbereitet an jede Sitzung zu gehen. Das heisst, es gibt viel zu lesen, denn ich will mir eine eigene Meinung bilden. Dazu kommen die externen Anlässe, zu denen man als Kantonsrätin geladen wird.» Das Präsidium der Umweltkommission gebe sie daher ab. Erholung findet sie bei Spaziergängen mit Hund Jaro («dabei kommen mir oft die besten Gedanken»), auf Wanderungen oder Kurzreisen mit dem roten Familien-VW-Bus.
Das Interesse an der Politik ist aber immer noch ungebremst. «Ich begann 2011. Damals hörte man oft, was die Bauern alles falsch machen», erinnert sich die Bäuerin. «Als man mich für die Umweltkommission angefragte, sagte ich daher zu – und es hat mich gepackt.» Durch die Beschäftigung mit verschiedenen Themen der Gemeinde- und Kantonspolitik habe sich ihr Horizont erweitert. Als sie vor sechs Jahren im Kantonsrat nachgerückt sei, sei ihre erste Reaktion allerdings «Jesses Gott!» gewesen, erzählt Sandra Meyer-Huwyler lachend. «Doch dann dachte ich mir, das geht schon irgendwie – und es geht.» Sie habe gelernt, eine dicke Haut zu haben, ihre Positionen zu vertreten und sich klar auszudrücken. «Wenn ich mein Votum halten soll, will ich etwas Gutes, Ehrliches machen. Wenn ich etwas schriftlich einreiche, möchte ich es einfach halten, so dass es jeder versteht.»
Mobbig gegen Bauernkinder?
Auch im Kantonsrat setzt sich Sandra Meyer-Huwyler unter anderem für Themen rund um die Landwirtschaft ein. So lancierte sie etwa vor drei Jahren eine Anfrage zu «Mobbing an Schülern an Luzerner Volksschulen.» «Wiederholt hört man, dass Kinder und Jugendliche, die eine bäuerliche Herkunft haben, in der Schule von Mitschülern und Lehrpersonen gemobbt wurden», schrieb sie damals, und bat um die Beantwortung auf verschiedene Fragen zum Thema. Doch die Schuldienste hatten keine statistischen Angaben darüber, ob Kinder mit einem landwirtschaftlichen Hintergrund verstärkt gemobbt wurden.
Noch in Bearbeitung ist ein Postulat von Sandra Meyer-Huwyler rund um eine «bessere Integration von landwirtschaftlichen Themen an den Schulen des Kanton Luzerns». In ihrem Postulat beauftragt sie den Regierungsrat zu prüfen, wie der Unterricht zum Thema Landwirtschaft an der Schule besser verankert werden kann. Es brauche gute Lehrmittel rund um das Thema, um die «Komplexität und Kontroversität aufzeigen, ohne zu beschönigen.» Angebote wie «Schule auf dem Bauernhof» sollen ein fester Bestandteil des Unterrichts werden. Mehrere Hofbesuche in regelmässigen Abständen könnten vertiefte Einblicke bringen.
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Mehr Landwirtschaftswissen
«Mir ging es darum, dass Kinder erleben, wie es auf einem Bauernhof wirklich zugeht», sagt sie zu ihrem Vorstoss. Denn die Bevölkerung entfernte sich mehr und mehr von der produzierenden Landwirtschaft, der Stadt-Land-Graben werde immer grösser. Noch ist das Postulat in Arbeit, die Reaktion des Regierungsrats steht noch aus. Doch von Seiten der Landwirtschaft bekam sie bisher nur positive Reaktionen.
Der Hofrundgang führt zum Gemüsegarten des Hofs. Ihr Ziel sei, von Mitte April bis in den Spätherbst Gemüse und Salat für den Eigenbedarf zu ernten, sagt die Bäuerin. Der Kuhstall etwas weiter oben am Hang gehört ebenfalls zu ihrem Arbeitsbereich. «Ich hatte in all den Jahren noch nie kein Kalb zum Tränken», sagt sie und streicht ihrer Lieblingskuh Biggi kurz über den Kopf.
Neben dem Stall grasen die beiden kastrierten Geissböcke Caruso und Benedetto. Sie habe eigentlich auf dem Hof Geissen-Trekking anbieten wollen und über dieses Thema ihres Businessplan für den Abschluss als dipl. Bäuerin HFP geschrieben, erzählt Sandra Meyer-Huwyler. Doch mit Kindern, Haushalt, Hof und Ämtern fehlt ihr die Zeit. «Vielleicht später einmal», meint sie zum Abschied. Denn am Abend steht eine Gemeindeversammlung auf dem Programm.
Fünf Fragen
Wie belohnen Sie sich selbst?
Etwa mit einer Wanderung, mein Mann und ich waren erst kürzlich in Ligerz am Bielersee und machten eine Wanderung durch die Twannbachschlucht.
Wie offen reden Sie über Ihre Finanzen?
In der Familie sehr offen. Ich weiss, was rein und raus geht und bin über die aktuelle finanzielle Situation informiert. Grössere Anschaffungen besprechen mein Mann und ich immer zusammen. Ich selbst brauche nicht viel zum Leben.
Wohin würden Sie gerne einmal reisen?
In ein paar Jahren würde ich gern einmal ans Nordkap und mir für die Reise drei, vier Wochen Zeit lassen.
Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Schön war, dass wir trotzt Blockwohnung oft auf den Bauernwiesen hinter dem Haus spielen konnten. Wir hatten viele Freiheiten.
Worauf achten Sie bei einem Mann oder einer Frau als erstes?
Auf das Gesamtbild. Aber auch wenn mich jemand nicht auf den ersten Blick anspricht, lasse ich mich im Gespräch gern von einer Person überzeugen.