«Städtische Betriebe sind ein Spielball der Politik», so drückt es ein Landwirt in Winterthur aus, der nicht namentlich genannt werden will. Es geht um die Stadt Winterthur.

Alle paar Jahre wird die städtische Landwirtschaft im Winterthurer Gemeinderat thematisiert. So auch am 30. Oktober. Gegen den Willen der bürgerlichen Gemeinderäte bekam der Winterthurer Stadtrat eine Motion überwiesen, die fordert, dass die Pachtlandvergabe der Stadt Winterthur neu geregelt werden müsse. Eingereicht hatten die Motion vier Frauen von der GLP, den Grünen, der EVP und der SP.

Pächter im Visier

Die Motionärinnen fordern, dass Bewerber für städtisches Pachtland ein Konzept für eine Strategie zur Biodiversitätsförderung und zur nachhaltigen Bewirtschaftung vorweisen müssen. Dieses würde dann von einem Fachgremium beurteilt werden. Laut der Zeitung «Landbote» argumentierte auch der Stadtrat dagegen – vor allem, was das Pachtrecht betrifft. Der Einfluss des Stadtrats auf alle Betriebe und Flächen der Stadt Winterthur sei begrenzt. So wie die Motion es fordere, könne die Stadt, sofern denn Änderungen vorgesehen sind, nur die bestehenden Pachtverträge von ihren sechs eigenen städtischen Betrieben ändern.

126 Einzelpachtverträge

Doch zur Debatte stehen noch 126 Pachtverträge, die mit privaten Bewirtschaftern für Einzelparzellen laufen. Diesbezüglich wären von der Motion eine Vielzahl von Betrieben in und um Winterthur betroffen. Insgesamt gibt es in Winterthur laut dem Bundesamt für Statistik 56 Betriebe mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 1490 ha.

Die Pächter der städtischen Betriebe erfüllen zig Vorgaben, die über die gesetzlichen Vorschriften hinaus gehen. Die Biodiversitätsförderflächen machen laut der städtischen Verwaltung durchschnittlich rund 19 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Das ist einiges höher, als zur Erfüllung des ÖLN nötig wäre.

Viel BFF, viele Hochstämmer

Auf den sechs Betrieben wachsen insgesamt 1310 Hochstamm-Feldobstbäume, was pro Betrieb rund 218 Bäume ausmacht. Dabei sind weder Nussbäume noch standortgerechte Einzelbäume mitgezählt. Die Pächter sind vertraglich verpflichtet, abgehende Hochstamm-Feldobstbäume zu ersetzen. Die Stadt Winterthur unterstützt zudem die Neupflanzung, indem sie Jungbäume und Baumpfähle finanziert.

Auch initiierte die Stadt Winterthur Vernetzungsprojekte. Aktuell sind alle städtischen Landwirtschaftsbetriebe Teil der jeweiligen Vernetzungsprojekte. Die vernetzte Heckengrösse beträgt pro Betrieb durchschnittlich rund 47 a, wovon durchschnittlich rund 13 a der Qualitätsstufe II entsprechen.

Des Weiteren unterstützt die Stadt Winterthur bis Ende Jahr alle Betriebe auf dem Gemeindegebiet bei der Förderung der Ackerbegleitflora, indem sie das Saatgut kostenlos zur Verfügung stellt. Und schliesslich verpflichten sich alle Pächterinnen und Pächter, Neophyten entschieden zu bekämpfen und deren Standorte zu melden.

Dieser Leistungsausweis untermalt, dass die Stadt schon in der Vergangenheit, heute und auch morgen Ökologie und Biodiversität in vielfältiger Weise fordert und fördert. Dabei kommt einiges an Nachhaltigkeit zusammen und eigentlich bedarf es keiner weiteren politischen Interventionen.

Bericht in vier Monaten

Auf Nachfrage der BauernZeitung bei den städtischen Bauernbetrieben wollte sich kein Pächter öffentlich äussern. Man warte darauf, wie der Stadtrat diese Motion behandeln werde.

Laut Debora Schelling, Kommunikationsbeauftragte der Stadt Winterthur, werde sich der Stadtrat innerhalb der vorgegebenen Frist mit dem Vorstoss befassen und eine Meinung dazu bilden. Nähere Informationen würden erst bekannt gegeben, wenn der Bericht und der Antrag des Stadtrats zur Motion dem Parlament überwiesen worden seien.

Klimadebatte in Zürich
Winterthur ist beileibe nicht die einzige Stadt, wo die städtischen Pächter unter Druck stehen. Das ist auch in der Stadt Zürich der Fall. 2021 reichten Vertreter der Sozialdemokraten und der Grünen ein Postulat im Gemeinderat ein. Darin forderten sie die Stadtregierung auf, zu prüfen, wie die städtischen Landwirtschaftsbetriebe im Hinblick auf das Netto-null-Ziel bis 2035 ausgerichtet werden können. Mit dieser Klimastudie hat die Zürcher Stadtregierung das FiBL beauftragt. Im Winter 2024 gehe der Bericht ins Parlament, heisst es seitens der Stadt Zürich. Wird alles bleiben, wie es ist, oder wird die Tierhaltung beziehungsweise deren Abschaffung im Fokus stehen? Auch die Zürcher Stadtbauern sind verunsichert.