«Eigentlich wollte ich nur Äpfel und Kartoffeln kaufen», sagt die Kundin im Hofladen und begutachtet voller Vorfreude die weiteren Fundstücke in ihrem Einkaufskorb: eine bronzen schimmernde Kaiser-Alexander-Gurke, hübsche Mini-Ufos namens Patissons, pflückfrische Pfirsiche. In der Sommersaison lassen sich in Aargauer Hofläden überraschende Produkte entdecken.

Das Sortiment bereichern

«Normales Gemüse gibt es im Grossverteiler», sagt Doris Suter vom Loorhof in Lupfig. Im Hofladen von Familie Suter sorgen «normales Gemüse» und vor allem Obst zwar ebenfalls für den Hauptumsatz, aber regional gewachsene Raritäten gehören zum Bauernhof-Charme. Die meisten Kundinnen und Kunden reagierten erfreut und neugierig, erzählt Doris Suter. Skeptischen Personen bietet sie Rezeptideen an oder schneidet ein Müsterchen zum Degustieren. Anbau und Verkauf der Spezialitäten sind manchmal schwer berechenbar. Gibt es einmal eine Überproduktion, werden Obst und Gemüse eingemacht und kommen konserviert im Glas in den Laden.

Die Kunden entscheiden

«Wir haben Freude an diesen speziellen Sorten, sie machen unseren Laden interessant. Drauflegen wollen wir trotzdem nicht», sagt Doris Suters Ehemann, Betriebsleiter Andreas Suter, zur Wirtschaftlichkeit seiner Raritäten, deren Setzlinge er selbst zieht. Robust müssten diese Kulturen sein und ohne Pflanzenschutz auskommen. «Und wenn im Laden etwas nicht läuft, ist nach drei, vier Jahren Schluss.» Leicht wehmütig nennt er die Zackengurke als Beispiel: Er fand sie toll, doch die Kundschaft griff nicht zu, und so bekam stattdessen die Kaiser-Alexander-Gurke eine Chance.

Auf dem Loorhof ergänzen einige aus der Region zugekaufte Produkte das Sortiment, derzeit locken Fricktaler Aprikosen und Pfirsiche von Andy und Pia Steinacher aus Schupfart. «Ich probiere gerne etwas aus, von dem andere sagen, dass es nicht funktioniere», sagt Andy Steinacher, der auch Präsident der Aargauer Obstproduzenten ist, zum Anbau dieser Kulturen im Freiland.

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Selber Erfahrungen sammeln

Noch exotischer wird es bei Familie Salm in Lenzburg, die Wassermelonen und Erdnüsse produziert. «Wir haben schon immer gerne experimentiert», kommentiert Betriebsleiter Hansjörg Salm. Der Anbau funktioniere hierzulande, kann der Landwirt vier Jahre nach dem Start sagen, aber er stellt klar: «Es ist sehr anspruchsvoll. Niemand erklärt dir, wie es geht, du musst deine eigenen Erfahrungen sammeln.».

«Wir haben schon immer gerne experimentiert.»

Hansjörg Salm baut Erdnüsse und Wassermelonen an.

Bei den Wassermelonen ist jetzt Erntesaison, die Erdnüsse sind im Spätherbst reif. Beides verkauft Familie Salm ausschliesslich direkt ab Hof und kennt keine Absatzschwierigkeiten. Die Kunden bescheinigen den Aargauer Wassermelonen einen tollen Geschmack. Die Erdnüsse kämen ebenfalls sehr gut an, informiert der Produzent, da mache auch die Handröstung den Unterschied zu Massenware.

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Ansprüche sind gestiegen

Dass solche Raritäten vermehrt in Hofläden auftauchen, erstaunt Andy Steinacher nicht: «Mit Spezialitäten kannst du dich von anderen abheben und machst deinen Laden attraktiver.» Die Konkurrenz unter den Anbietern und die Ansprüche der Kundschaft sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Manche Bauernfamilie ist mit etwas Obst auf einem Tisch vor dem Haus eingestiegen und führt heute einen professionellen Verkaufsraum. Das Direktvermarktungs-Potenzial im dicht besiedelten Kanton Aargau hilft bei dieser Betriebsentwicklung.

Andy Steinacher liefert den grössten Teil seines Obstes an den Handel, wo Einheitlichkeit gefragt ist. In seinem eigenen Selbstbedienungs-Hofladen gelten andere Gesetze: «Die Kundschaft mag immer mal wieder eine Überraschung.» Doch lohnt sich dieser Aufwand? «Direktvermarktung ist wirtschaftlich interessant. Man darf aber nicht vergessen, dass der Anbau je nach Produkt ein Hochrisikogeschäft ist.» Bei den Freiland-Aprikosen beispielsweise muss er Baumausfälle einkalkulieren.

Preise unter Druck

Auf dem Hof dürften die erntefrischen und genussreifen, lokal produzierten Früchte mehr kosten als im Grossverteiler, «aber die Kundschaft ist auch bei uns sparsamer geworden. Wenn es im Laden eine Nektarinen-Aktion zu zwei Franken das Kilo gibt, will bei mir auf dem Hof keiner sechs Franken bezahlen». Steinacher braucht einen entsprechenden Verkaufspreis, um den beträchtlichen Aufwand zu decken. Seine Aprikosenbäume sind einer professionellen Obstanlage angegliedert, mit Netzen gegen Hagel und Insekten geschützt und können bewässert werden. Frost ist der grösste Gegenspieler der Aprikosen, bei den Pfirsichen ist es die Kräuselkrankheit, die durch einen Pilz verursacht wird. Ganz ohne Pflanzenschutz gehe es im Freiland nicht, erklärt der Produzent.

«Mit Spezialitäten kannst du dich abheben.»

Andy Steinacher zur Bedeutung des Angebotes in Hofläden.

Die Herausforderung dieses Jahres ist es, die reiche Aprikosenernte unter die Leute zu bringen. Andy Steinacher strebt mit seinen 150 Bäumen eine Jahresmenge von rund 1,5 Tonnen an, heuer dürften es gegen 4 Tonnen sein.