Einen «Vollgasbetrieb» mit Milchwirtschaft und Ackerbau habe er früher betrieben. Peter Helbling sitzt am grossen hölzernen Küchentisch. Sein Betrieb, der Brunnehof im bernischen Walperswil, liegt direkt neben dem Wasserturm, der rund 100 000 Menschen mit Trinkwasser versorgt. Der Nitratgehalt sei lange kein Thema gewesen und immer unter den Grenzwerten gelegen. Nach der Auflösung des Bodenschutzindexes seien in der Region die Böden mehr befahren worden. Die Grenzwerte wurden aber nie überschritten. Dennoch machte sich die Wasserverbund Seeland AG Sorgen. Das Nitratprojekt Gimmiz  entstand dann in Zusammenarbeit mit den Landwirten.

 

Das Nitratprojekt Gimmiz

Das Nitratprojekt Gimmiz umfasst 180 ha landwirtschaftliches Land, Schutzzonen und Zuströmbereich in den Gemeinden Aarberg, Kappelen, Bargen und Walperswil. Ins Leben gerufen hat das Projekt der Wasserverbund Seeland AG. Dieser unterhält im Gimmiz, in der Gemeinde Walperswil, den 31 Meter hohen Wasserturm mit einer Kapazität von 600 000 Litern. Aus fünf Grundwasserfassungen wird Wasser in den Turm gepumpt. Der Turm versorgt 32 Gemeinden zwischen Hagneck und Pieterlen mit Wasser. Ziel des 2011 gestarteten Projekts ist es, mit mehr grünen Wiesen, statt Ackerbau, die Nitratbelastung im Grundwasser zu senken. Am Projekt beteiligen sich Kanton und Bund finanziell. Peter Helbling, dessen Betrieb unmittelbar neben dem Wasserturm liegt, hat seinen ­Betrieb auf das Projekt ausgerichtet und entsprechend umgestellt. Er erhält pro Hektare Grünland 2500 Franken. Das Projekt befindet sich in der zweiten Projektphase, die 2022 abläuft. Danach ist noch die dritte Projektphase geplant, welche bis ins Jahr 2028 läuft. Wie es danach weitergeht, weiss Peter Helbling noch nicht. Einige der Verantwortlichen des Projekts seien der Meinung, dass es so weiter­gehe, jedoch ohne, dass die Betriebe Beiträge für ihren Verzicht auf Ackerbau be­kämen. Für Helbling ist das keine Option. Seine extensive Ochsenweidemast sei nur mit diesem finanziellen Beitrag rentabel, macht er deutlich. 

 

Steigende Arbeitsbelastung

«Ich habe mich damals entschieden, beim Projekt voll mitzumachen, weil ich es eine gute Sache finde», erklärt Peter Helbling. Der Betriebsleiter stellte auf Grünland um, dehnte die Milchproduktion aus und erstellte die Tafelkirschenanlage. All diese Massnahmen, nebst dem bereits bestehenden Lohnunternehmen, bewirkten aber eine Erhöhung der Arbeitsbelastung. Dies und der zunehmend sinkende Milchpreis bewogen Familie Helbling 2015 dazu, sich mit dem Gedanken zu befassen, die Milchproduktion aufgeben zu wollen und eine Alternative zu suchen, die nicht jeder hat. Einfach auf Mutterkühe umstellen wollte Peter Helbling nicht. «Da kannst du gleich bei der Milchproduktion bleiben», erklärt er. So kam er darauf, Ochsen zu weiden. Bevor dieser Start jedoch erfolgen konnte, musste eine Lösung für die Kühe her. «Nur weil ich aufhören will zu melken, kann es nicht sein, dass 50 gesunde Tiere in die Metzg müssen», war Peter Helbling klar. Die Lösung ergab sich im Jahr 2016, als ein Berufskollege seinen Stall ausbaute und Kapazitäten für Helblings Kühe hatte. Er selbst hatte keine Mühe, als die Tiere schliesslich im März 2017 auszogen. Anders seine Frau Franziska. Sie vermisste die Tiere anfangs.

Erfahrungswerte fehlen

Nun war der Weg frei für die extensive Ochsenweidemast, mit der 2017 gestartet wurde. Etwas zu beginnen, das noch niemand macht, bedeutet jedoch Herausforderungen und auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen zu können. Zunächst galt es, die richtigen Tiere und Händler zu finden, danach die richtige Fütterungsstrategie. Später stellte sich heraus, dass der umgenutzte Kuhstall weitere kleine Anpassungen benötigte, um «ochsensicher» zu sein. «Die haben genug Zeit zu gfätterlen. Die nehmen Zeugs auseinander und öffnen Gatter, die über 20 Jahre lang Kühen standgehalten haben», erklärt Peter Helbling schmunzelnd. Im Umgang seien sie jedoch unkomplizierter als Kühe. «Die Ochsen sind gemütliche Tiere», so der Betriebsleiter.

Der Boss und der Chef

In der Herde gibt es zwar einen tierischen Boss. Der Betriebsleiter macht ihnen aber früh auf seine ruhige und bestimmte Art klar, dass er der Chef sei. Dies zeigt sich auf der Weide eindrücklich. Die Tiere scharen sich in einem Halbkreis um Helbling. Sie sind offensichtlich neugierig, wahren aber zu ihrem Chef einen Abstand von rund zwei Metern. Diesen fordert Helbling bei Bedarf auch konsequent ein. Er legt einem Tier, das ihm näherkommt, die Hand auf die Nase, übt ein wenig Druck aus und macht einen Schritt auf das Tier zu. Sobald dieses etwas zurückweicht, nimmt er sofort die Hand weg.

Flexiblere Einteilung

Mit der Umstellung auf die extensive Ochsenweidemast hat die Familie wieder Lebensqualität zurückgewonnen, versichern Franziska und Peter Helbling. Die Präsenzzeit sei zwar nicht kleiner geworden, aber die Einteilung sei einfacher, weil die ­fixen Melkzeiten wegfallen. Dennoch nehmen die Herausforderungen nicht ab. Ein bislang kleiner Teil Fleisch, rund zehn Prozent, wird direkt ab Hof ­vermarktet, der Rest geht in den normalen Handel. Doch das langfristige Ziel wäre, den Fleischabsatz komplett über die Selbstvermarktung tätigen zu können. Daran arbeiten Fränzi und Peter Helbling, die eine klare Rollenverteilung haben. «Die Tiere sind mir, solange sie leben», erzählt Peter Helbling und setzt sein breites Grinsen auf. «Danach ist meine Frau zuständig.» Franziska Helbling verpackt beim Metzger in der Nähe das Fleisch, ist für die Buchhaltung sowie den Haushalt verantwortlich und hilft bei der ­Kirschenernte und bei den Lohnarbeiten zum Teil als Traktorfahrerin mit.

 

Helblings extensive Ochsenweidemast

Was Ochsenmast ist, ist bekannt. Aber extensive Ochsenweidemast betreibt wohl ausser der Familie Helbling, Walperswil, niemand. Und sollte es doch anders sein, so würden sie sich über Kontakt, zwecks Erfahrungsaustausches, freuen. Peter Helbling kauft aus der Umgebung Stierkälber mit rund 80 Kilogramm der verschiedenen Milchrassen. Nach rund 14 Tagen auf dem Betrieb werden die Tiere vom Tierarzt unter Narkose enthornt und mit der Zange kastriert. Dies ist aus Sicht des Betriebsleiters die weniger schmerzhaftere Methode, als Kastration mittels Gummiring. Die Kälber werden mit einem Milchpulver-Wassergemisch aus dem Automaten gefüttert. Das Pulver enthält kein Palmfett, was zwingend für den Betriebsleiter ist. Antibiotika wird nicht vorbeugend eingesetzt, sondern nur bei einer akuten Erkrankung eines Kalbes, was eher selten vorkommt. Die Tiere haben doppelt so viel Platz wie andere Mastkälber, erklärt Helbling. «Das brauchts, um so, also ohne Antibiotika, starten zu können», betont er. Kraftfutter (Getreidegemisch) wird nur bei den Jungtieren eingesetzt. Danach fressen die Ochsen ausschliesslich Raufutter in Form von Gras auf der Weide, Heu und im Winter Silage. So dauert es mit 27 bis 30 Monaten relativ lange, bis die Schlachtreife ­erreicht wird. Das betriebseigene Futtergetreide wird von der regionalen Mühle Fischer, Lüscherz, zu einer Getreidemischung aufbereitet. Mit rund 250 Kilogramm wechseln die Jungtiere in den Boxenlaufstall mit Tiefstreue zum Rest der Herde. Die Ochsen haben Tag und Nacht jederzeit Zugang zu Stall und Weide.

 

Vorschriften fehlen

Eine Herausforderung, bedeutet diese spezielle Art, Ochsen zu mästen, auch für die IP-Suisse-Kontrolleure. Es gebe in der Gesetzgebung keine Vorschriften dazu, weiss Peter Helbling. Der eine oder andere Kontrolleur habe sich da auch schon leicht überfordert gezeigt. Da den Tieren aber offensichtlich genug Platz zur Verfügung steht, gab es bislang keine grösseren Probleme. Denn schnell haben Helblings gelernt, dass die Boxenpflege der Ochsen mehr Zeit und Material beansprucht, als diejenige für Kühe. Und Zeit ist ein wichtiges Gut, da sind sich die beiden einig. Sie sind froh, haben sie sich bei der Entscheidung zur Umstellung genug Zeit gelassen und was möglich war, vorausgeplant. Andrea Wyss

Weitere Informationen: www.brunnehof.ch