Ab August 2018 boten die Kantone Aargau, Bern, Freiburg, Neuenburg und Tessin einjährige Integrationsvorlehren (Invol) für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene an landwirtschaftlichen Schulen an.
Am Inforama in Zollikofen BE begannen zwölf Männer diese Ausbildung, neun davon schlossen erfolgreich ab. Es sollte der einzige Jahrgang bleiben. Die Invol Landwirtschaft wird aktuell nicht mehr angeboten, wie die BauernZeitung erfuhr. Die Medienstelle der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern teilt auf Anfrage mit, es habe zu wenig Interessenten gegeben.
Wenig mobil und mit Familie
Grundsätzlich seien im Kanton Bern in allen Brückenangeboten mit Integrationscharakter die Anmeldezahlen zum Teil stark rückläufig, sagt Stefan Furrer, Leiter Fachstelle Brückenangebote.
Viele der anerkannten Flüchtlinge kämen selber aus einem bäuerlichen Umfeld und «verbinden durch die Erfahrungen aus ihrer Heimat mit diesem Beruf nur beschränkte Entwicklungsperspektiven». Ebenso spielte eine Rolle, dass viele Lernende auf dem Hof lebten. Für junge Erwachsene mit Migrationshintergrund, oft wenig mobil und zum Teil schon mit Familie, sei dies eine zusätzliche Hürde.
In anderen Branchen läuft es besser
«Es ist jedoch keinesfalls so, dass die anerkannten Flüchtlinge harte Arbeit scheuen», sagt Furrer. So fänden sich viele Interessenten für Bau- und Baunebenberufe oder eine Ausbildung zum Gärtner.
«Das erste Invol-Ausbildungsjahr 2018/ 2019 verlief gut», teilt das Staatssekretariat für Migration auf die Frage nach der schweizweiten Situation mit. Im zweiten Ausbildungsjahr hätten über alle Branchen rund 800 Teilnehmende eine Invol angefangen.
«Beruf mit null Prestige»
Karin Oesch, die neue Geschäftsführerin des Berner Bauernverbands, damals noch für Bildung verantwortlich, engagierte sich stark für das Projekt am Inforama. Sie suchte unter anderem telefonisch nach geeigneten Bauernfamilien. «Es ist schade, aber wir hatten keine einzige Anmeldung mehr.» Gründe habe es mehrere gegeben.
«Die meisten unserer Lernenden waren Eritreer. In ihrer Kultur hat der Beruf Bauer null Prestige.» Auch sei es sehr darauf angekommen, welche(r) Sozialarbeiter(in) die Kandidaten betreut habe. «Wenn der Betreuer sagte, Landwirtschaft ist eine super Sache, dann waren auch die Flüchtlinge interessiert», erinnert sich Oesch.
Generell seien die Sozialarbeiter(innen) sehr ausgelastet gewesen. «Man spürte nur wenig Energie, die sie in ihre Mandanten investieren konnten.» Das habe die Zeit für die Bauernbetriebe intensiv gemacht, weil manchmal ein Ansprechpartner fehlte.
«Überall nette Leute»
Bei einigen Bauernfamilien seien Freundschaften mit den Flüchtlingen entstanden, andere würden es wohl kein zweites Mal machen. «Ich persönlich nehme daraus mit, dass es überall nette und weniger nette Leute gibt, im Kanton Bern genauso wie in Eritrea», sagt Karin Oesch. In Eritrea wachse man mit der Realität auf, es irgendwie bis zum Abend schaffen zu müssen. Weiter reiche der Zeithorizont nicht.
In der Schweiz hingegen sei der Weg über Jahre hinaus klar: Schule, Ausbildung, Berufsleben, Weiterbildungen. Oesch würde sich freuen, wenn künftig wieder Flüchtlinge in die Invol am Inforama starten würden. «Aber Integration ist nicht einfach. Einstellungen und Kulturen kann man nicht ändern.»