Ein Menüvorschlag aus einer modernen Küche könnte in etwa folgendermassen lauten:

  • Gänseleber mit Apfel zur Vorspeise
  • als Hauptgang Lammsteaks mit Erdbeeren oder Atlantiklachs mit Gruyère
  • und schliesslich zum Dessert wahlweise Mousse au Chocolat mit knuspriger Poulethaut oder Schokomuffins mit Blauschimmelkäse.

Was klingt wie ein fantasievolles Menü aus einer wilden Kinderküche, entspricht einem neuen globalen Trend unter Feinschmeckern. «Food Pairing» bezeichnet das Zusammenführen von Lebensmitteln und Aromen, die nach unserer Intuition so gar nicht zueinander passen wollen.

Neue Horizonte erschliessen

Food Pairing, das kreative Vereinen von Aromen zu einer unerwarteten Kombination, ist aus kulinarischer Sicht nichts Neues. So schwärmen viele etwa von der Kombination von Birnen und Blauschimmelkäse, die sich zum Beispiel auf einem Flammkuchen zusammenbringen lassen. Auch dass Tomaten und Basilikum gut zueinander passen, ist keine neue Erkenntnis. Beim Food Pairing geht es aber um das Entdecken neuer, unerwarteter Geschmackskombinationen und um das Aufbrechen alter kulinarischer Traditionen und Vorstellungen. Das macht den Trend vor allem interessant für «hippe» Gastronomen und für Gourmets, die neue kulinarische Horizonte erschliessen wollen.

Anfänge in den 90er Jahren

Als einer der Food-Pairing-Pioniere gilt der britische Gastronom Heston Blumenthal, dessen Restaurant «The Fat Duck» zu den besten der Welt gehört. Schon zu Beginn der 1990er-Jahre experimentierte der Koch mit ausgefallenen Verbindungen verschiedener Zutaten. Seine Kombination von weisser Schokolade und Kaviar gilt unter Gourmets als erstes Resultat von «modernem» Foodpairing.

Schlüsselaromen gesucht

Blumenthals Kreation kam aber nicht aus heiterem Himmel. So suchte der Koch vielmehr gezielt nach sogenannten Schlüsselaromen, die bestimmte Lebensmittel miteinander teilen und die sich in neuen Gerichten kombinieren lassen.

Mit diesen Schlüsselaromen kennt sich Thomas A. Vilgis bestens aus. Er forscht am Mainzer Max-Planck-Institut für Polymerforschung an Lebensmitteln und hat Erfahrung im Bereich der sogenannten Molekularküche. Seiner Ansicht nach sind in der schier unüberschaubaren Vielfalt an Aromastoffen lediglich rund 300 entscheidend. Diese unterteilt der Forscher noch einmal in acht Klassen:

  • grün/fruchtig/säuerlich
  • schweflig/fleischig/kohlartig
  • blumig/frisch
  • zitrus/pinienartig/herbal
  • holzig/harzig/herb
  • mandelartig/vanille/rauchig
  • würzig/zimtig/muskatartig
  • röstartig/erdig/tierisch

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Das Visualisieren eines Geschmacks ist schwierig. Hier die «Geschmacksspinne» zu «Jungfrau Helles». (Grafik BauZ, Quelle Caviezel/Vilgis)

Studieren und viel Probieren

Diese grobe Einteilung wird ergänzt durch die Grundgeschmacksrichtungen süss, sauer, bitter, scharf und umami (Grundgeschmack z. B. von Fleisch). Diese Aroma-Grundbausteine werden beim Food Pairing auf eine neue Weise zusammengebracht mit dem Ziel, dass sie sich gegenseitig ergänzen, kontrastieren oder verstärken. Doch gemeinsame Schlüsselaromen alleine reichen noch nicht aus, um ein wohlschmeckendes Gericht zu kreieren. Dazu ist einiges an Ausprobieren nötig, denn Aromen wandeln sich während des gesamten Zubereitungsprozesses.

 

Selbstversuch mit Garnelen

Der Redaktor ist kein allzu gewagter Esser. Er hat klare Vorstellungen davon, was er mag und was nicht. Bei der Vorbereitung für diesen Artikel hat er jedoch  beschlossen, sich an ein Food-Pairing-­Rezept zu wagen. Dafür hat er Bio-Garnelen gekauft und sie mit viel Knoblauch, Salz,  Pfeffer und frischem Chili scharf angebraten. Kurz bevor die Krustentiere gar waren, hat er das Innere einer Vanilleschote und ein wenig Zimt dazugegeben. Was sich auf dem Papier eher weihnachtlich liest, hat besonders durch die Beigabe von Zimt exotisch und erstaunlich «meerig» geschmeckt.

 

Das richtige Getränk

Das Kombinieren verschiedener Aromen kennen auch Weinliebhaber(innen) bestens. Ein guter Sommelier kann zu jedem Gang eines Essens den passenden Wein empfehlen. Auch hier sollen Speisen und Wein in Verbindung miteinander wirken.

Doch nicht nur Wein passt zu gutem Essen: Thomas A. Vilgis und der Schweizer Gastronom und Kochbuchautor Rolf Caviezel haben 2017 ein Buch über «Beerpairing» publiziert, in dem sie Bier nicht nur als Begleitung zum Essen präsentieren, sondern es auch als Zutat in ihre Rezepte einbringen. Zu jedem Rezept erklären sie ausführlich, welche Inhaltsstoffe in den verwendeten Zutaten die einzelnen Aromen liefern und wie sich die unterschiedlichen Geschmackskomponenten verbinden. So kommt etwa ein guter Schluck «Jungfrau Helles» der Brienzer Jungfraubrauerei in einer Karottenzabaione zum Einsatz, die Vilgis und Caviezel mit Erdbeeren und Rettichperlen zu einem süssen Dessert kombinieren. Die hopfige Bitterkeit des Bieres schliesse wunderbar an die Süsse der Karotten an, schreiben die Autoren dazu.

Wie die beiden Gourmets zeigen, können auch bekannte Zutaten durch geschicktes Kombinieren neue geschmackliche Horizonte eröffnen. Alles, was es dafür braucht, ist ein bisschen kulinarischer Mut.