Es braucht nur Gemüse, Wasser, Salz – und Geduld: Jahrhundertelang war ­Fermentieren eine bewährte ­Methode dafür, Ackerfrüchte haltbar zu machen. Mit dem Aufkommen von Kühlschränken und Tiefkühlern geriet sie etwas in Vergessenheit. Das hat sich geändert. Die Methode erlebt ein kreatives Revival mit vielen neuen Rezepten.

«Ich kann nur spekulieren, woran das liegt», sagt Karin Haltinner, Hauswirtschaftslehrerin an der Bäuerinnenschule Hondrich BE. Doch auch sie stellt ein vermehrtes Interesse an Selbstgemachtem fest, insbesondere an hausgemachtem «Superfood». Den Grundkurs «Fermentieren» bietet sie in Hondrich diesen Herbst daher gleich an drei Daten an.

Hilfreiche Bakterien

[IMG 2]Was passiert beim Fermentieren? Vereinfacht ausgedrückt, gibt man Gemüse mit Salz (-Lake) in ein Glas, verschliesst das Ganze – und lässt bereits im Gemüse enthaltene Bakterien für sich arbeiten. Diese Milchsäurebakterienstämme ernähren sich vom Zucker im Gemüse und wachsen, es beginnt im Glas zu blubbern und zu gären, und das ist gut so. Denn nun sterben schädliche Bakterien ab, und es entsteht ein Sauergemüse, das je nach Würzkräutern recht unterschiedlich schmeckt. Zu den Vorteilen gehört:

  • Gemüse bleibt monatelang haltbar – wenn man es kühl und dunkel lagert, zum Beispiel in einem Keller.
  • Überschüsse können verwertet werden.
  • Bei vielen Gemüsen steigt der Gehalt an verschiedenen Vitaminen.
  • Die Gemüse werden bekömmlicher.
  • Da die Gemüse ungekocht bleiben, enthalten sie probiotische Bakterien, die gut für den Darm sind. Fermentierte Gemüse sollen generell besonders gesund sein. Doch Studien dazu fehlen noch.

Alles Gemüse geht

Autorin Sibylle Hunger hat sich ganz dem Fermentieren verschrieben. In ihrer Heimat Oberbayern gibt sie regelmässig Kurse zum Thema. Nun erschien im AT-Verlag ihr Buch «Gemüse und Obst einfach fermentieren». «Fermentieren mittels Milchsäuregärung ist die einfachste und nachhaltigste Methode, Lebensmittel haltbar zu machen», sagt sie zu ihrer Leidenschaft. «Schwieriger wird es erst bei anderen Fermenten, wie etwa Miso.»

Praktisch alle Gemüse können fermentiert werden. Je frischer sie ins Glas kommen, desto besser. «Mit Gemüse, das bereits wochenlang im Kühlschrank liegt, gelingt das Fermentieren nicht perfekt.»

Einfache Gläser reichen

Aufwendiges Material braucht es dazu nicht. Bei den Behältern haben sich runde Weck-Gläser mit Gummiring und Klammern bewährt. Schraubgläser sind nicht ideal, da sie sich nicht selbstständig entlüften und die Deckel oft nicht säurefest sind.

In den Kursen in Hondrich sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anfangs oft verunsichert, ob sie hygienisch sauber arbeiten müssen, wie etwa beim Sterilisieren. «Beim Fermentieren genügt ‹sauber›», erklärt Karin Haltinner. Das heisst, die Gläser vor Gebrauch wie üblich heiss abwaschen.

Salz macht haltbar

Damit die Fermentation in Gang kommt, braucht es naturbelassenes Salz ohne Zusatzstoffe wie etwa Jod. «Salz unterdrückt unerwünschte Bakterien und Hefen und sorgt für Geschmack», erläutert Sibylle Hunger. Die Salzmenge beträgt bei vielen Gemüsen 2 bis 2,5 Prozent. Entweder mischt man das Salz mit dem Gemüse und lässt es ziehen, bis sich Flüssigkeit bildet. Oder es wird als vorbereitete Lake dazugegossen: Für eine 2-prozentige Salzlake braucht es 20 Gramm Salz auf einen Liter Wasser.[IMG 3]

Die Salzlake immer kalt zum Gemüse geben. Das Salz entweder in einem separaten Glas in etwas kaltem Wasser auflösen oder Wasser abkochen. «Das Wasser abzukochen, ist dann wichtig, wenn die Wasserqualität schlecht ist respektive zu ­wenig oder nicht kontrolliert wird», weiss Karin Haltinner. «Zudem löst sich mit aufgekochtem Wasser das Salz schneller auf.» Sie koche oft nur einen ­kleinen Teil des Wassers auf, löse das Salz darin auf und ergänze die Restmenge mit kaltem ­Wasser.

Gut beschweren

Damit die Milchsäuregärung funktioniert, darf kein Sauerstoff ans Gemüse kommen. Das Fermentiergut daher satt ins Glas drücken und den Inhalt beschweren, damit alles unter der Lake bleibt. Zum Beschweren eignen sich

  • Kabisblätter,
  • spezielle Glasgewichte oder Weck-Glasdeckel von kleineren Gläsern,
  • kleine, verschlossene und mit Lake gefüllte Gefriersäcke. Selbst wenn der Sack rinnt, ändert die Salzlake den pH-Wert im Glas nicht

Fehler beim Fermentieren

Buchtipp Wie man ganz einfach Gemüse und Obst fermentiert Friday, 23. June 2023 Was sollte man beim Fermentieren vermeiden? «Die Gläser vorzeitig öffnen», sagt Sibylle Hunger. «Denn so gelangt Sauerstoff ins Glas und nährt unerwünschte Mikroben.» Auch vom Wassernachfüllen, Gummizupfen oder Probieren vor Ende der Reifezeit rät sie ab. Für Karin Haltinner gehört zu den Anfängerfehlern, die Salzmengen nicht einzuhalten. «Oder dass nicht alles Gemüse unter der Lake liegt. Dadurch entstehen Fehlgärungen, und es kann sich Schimmel bilden.»

Ist alles eingeschichtet und verschlossen, braucht das Gemüse etwa fünf bis sieben Tage «Gärzeit» bei 19 bis 21 Grad. Anschliessend sollte das Fermentiergut zwei bis drei Wochen bei 12 bis 18 Grad reifen.

Rezept Sommer-Konfetti
Für ein Weckglas von 600 ml

Material und Zutaten
Ein rundes 600-ml-Weckglas,
etwas zum Beschweren des Inhalts, zum Beispiel kleinere Weck-Glasdeckel,
400 Gramm festes, knackiges Sommergemüse nach Wahl: zum Beispiel je 100 Gramm Peperoni, Rüebli, Kohlrabi, Brokkolistiele und Radieschen.
Zum Würzen eignen sich je nach Geschmack Zwiebeln, Knoblauch, Basilikum, Dill oder auch Chili.10 Gramm Salz (2?%).
Nur bei Bedarf: 5 Gramm Salz in 250 ml kaltem Wasser auflösen (je nach Wasserqualität kaltes Leitungswasser verwenden oder Wasser abkochen, Salz beigeben und Wasser abkühlen lassen).

Zubereitung
Das Gemüse waschen und in 5 bis 10 mm grosse Würfel schneiden. In einer Schüssel mit dem Salz gründlich mischen und 15 Minuten ziehen lassen.
In der Zwischenzeit die Würzmittel vorbereiten und mit 50 ml kaltem Wasser unter das Gemüse mischen.
Die Mischung portionenweise ins Glas füllen und leicht andrücken.
Falls zu wenig Flüssigkeit entsteht, mit etwas 2-prozentiger Salzlake bis 2 cm unter den Rand auffüllen. Inhalt mit einem kleineren Glasdeckel als Gewicht beschweren und das Glas verschliessen.
Während sieben Tagen bei 19 bis 21 Grad gären lassen. Dann zwei Wochen bei 15 bis 18 Grad reifen lassen.

Rezept aus dem Buch «Gemüse und Obst einfach fermentieren», AT-Verlag