«Kennen Sie Hermann Müller?» – «Nein, nie gehört. Meinen Sie den Pfarrer?» So oder so ähnlich lauteten die Antworten einer Strassenumfrage, welche die Müller-Thurgau-Stiftung in Wädenswil durchgeführt hat.
Grund für die Umfrage ist das diesjährige 175-Jahre-Jubiläum von Hermann Müller-Thurgau. Am Freitag, 10. Januar, informierte die Stiftung an einer Medieninformation an der ZHAW Wädenswil darüber, mit welchen Veranstaltungen dieses Jubiläum gefeiert wird. Zu diesem Zweck gab die Stiftung Einblick in die Produktion eines Dokumentarfilms und sie präsentierte zahlreiche Events, die an den verstorbenen Müller-Thurgau erinnern sollen.
Forscher, Lehrer, Innovator
Das Ziel der ganzen Aktion sei, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Bevölkerung an Hermann Müller-Thurgau und seinen Errungenschaften zu wecken. Müller-Thurgau war noch viel mehr als der Weisswein, der von ihm gezüchtet und nach ihm benannt wurde.[IMG 2]
«Forscher, Lehrer und Innovator» – mit diesen Attributen bezeichnet Lukas Bertschinger, Präsident der Müller-Thurgau Stiftung, Hermann Müller. Wirft man einen Blick auf Müller-Thurgaus Erfolge, merkt man gleich: Bertschinger untertreibt nicht. Hermann Müller-Thurgau war das, was man auf gut Schweizerisch «en Sibesiech» nennt, oder auf Hochdeutsch «Universalgenie».
Von Müller zu Müller-Thurgau
Hermann Müller kam 1850 in Tägerwilen zur Welt und verbrachte seine jungen Jahre in der Nähe des Bodensees. Hier waltete er zuerst als Lehrer, im Alter von 20 Jahren zog er an die ETH, mit 23 Jahren ging er an die Uni Würzburg (D), wo er eine Promotion auf dem Fachgebiet der «Moosphysiologie» erlangte.
Kurz darauf zog es Müller an die pflanzenphysiologische Versuchsstation im deutschen Geisenheim. Hier entstand auch die legendäre, nach ihm benannte Weinrebe. Um sich von anderen Forschern mit gleichem Namen abzuheben, nannte sich Müller fortan Müller-Thurgau.
Mit der Weinrebe im Gepäck
1891 zog Hermann Müller-Thurgau schliesslich, mit der Weinrebe in Gepäck, nach Wädenswil an die «deutsch-schweizerische Versuchsstation für Obst-, Wein- und Gartenbau», heute bekannt als Agroscope Wädenswil.
An den Hängen der Zürcher «Silberküste» pflanzte er seine Rebe ein und verblieb bis 1924 an der Versuchsstation. Hier leistete er wertvolle Pionierarbeit im Bereich der Pflanzenzüchtung, Pflanzenforschung und auch in der Nachwuchsförderung. Zu seinen Errungenschaften zählen zum Beispiel die gezielte Zucht und Nutzung von Reinhefen, bahnbrechende Arbeiten auf dem Fachgebiet des biologischen Säureabbaus beim Wein oder die Einführung der Sortenprüfung im Gemüseanbau.
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Zu seinen grössten Erfolgen zählen die Anwendung der zur damaligen Zeit bereits bekannten, jedoch bisher nicht umgesetzten Pasteurisierungs-Techniken bei Fruchtsäften.
«Erfinder» des haltbaren Fruchtsaftes
Auf gut Deutsch: Dank Herrmann Müller-Thurgau wurden Fruchtsäfte wie Apfelsaft haltbar; das Volk konnte diesen endlich das ganze Jahr über trinken, ohne ständig beschwipst zu sein. Die gesundheitlichen, aber auch wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Entdeckung waren enorm. Durch diese Aktion von Hermann Müller-Thurgau entstand so ein ganzer Zweig der heutigen Getränkeindustrie.
Einen weiteren Grosserfolg feierte Hermann Müller-Thurgau schliesslich mit seiner mitgebrachten Rebsorte – dem Müller-Thurgau. Diese Ur-Rebe, bekannt als «Urstock 58», wächst übrigens heute immer noch an den Hängen des «Zürisees».
Erfolgreicher Weisswein
Mit dem Riesling als Mutter und der Madeleine Royale als Vater, schlug diese Sorte im Weinbau wie eine Bombe ein und verbreitete sich innert kurzer Zeit auf den Rebhängen im gesamten deutschsprachigem Raum. Sie überzeugte die Winzer mit ihrer frühen Reife, ihren hohen und regelmässigen Erträgen sowie den fruchtig-lieblichen Weinen, die aus den Trauben hervorgingen.
Als Schmuggelware gelangte sie über die Grenze am Bodensee zurück nach Deutschland. Offiziell durfte sie nämlich erst später angebaut werden. Auch heute wird sie in Deutschland noch auf einer Fläche von über 12 000 Hektaren angebaut. In der Schweiz sind es knapp 500 Hektaren.
Bereiter der modernen Welt
Hermann Müller-Thurgau hat unsere Welt somit merklich mitgeprägt. Mit seinem Motto: «Nur die gesunde Mischung zwischen Chaos und Ordnung ermöglicht eine gute Forschungsleistung und Innovation», seinem Fleiss und seinen Resultaten hob er die Landwirtschaft auf eine neue Ebene und leistete so einen wesentlichen Anteil zu einer auf der Wissenschaft basierten, modernen Welt.
Die Stiftung Müller-Thurgau
Mit einem vielfältigen Programm zu Ehren von Hermann Müller-Thurgau feiert die Müller-Thurgau-Stiftung dieses Jubiläum. Geplant sind unter anderem ein Dokumentarfilm, zahlreiche Sonderausstellungen, Degustationen, ein Müller-Thurgau-Cup, ein partizipativer Kunstevent für ein Müller-Thurgau-Memorial sowie ein Jubiläumsfest. Die Müller-Thurgau Stiftung fördert zahlreiche praxisnahe Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Schweiz und im Ausland.
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