Aus panischer Angst vor Kühen wurde die grosse Liebe. Ina Rethwisch, gebürtige Deutsche, führt mit ihrer Partnerin einen kleinen Hof auf dem idyllischen Hochplateau Lohnberg in der Gemeinde Zuzgen AG.
Den Anfang machte Smokey
Was für die Pharmatechnologin 2009 mit einer Weiterbildung in der Schweiz begann, wurde zu einem dauerhaften Aufenthalt. Es folgten der erste Job und ihr erstes Pferd Smokey, welches sie hier als Fohlen kaufte. Ina Rethwisch erzählt, sie sei schon von klein auf geritten und habe sich über alle Tiere gefreut. Mit Smokey kam sie auch auf den Lohnberg. Sie hatte ihn anfänglich auf einem anderen Hof eingestellt, wo sie auch ihre Partnerin kennengelernt hatte. Als ihnen beim Reiten und Vorbeifahren auffiel, dass einer der Höfe keine Pferde mehr beherbergte, fragten sie beim Besitzer nach, ob es die Möglichkeit gebe, den Betrieb zu pachten. Und so sind sie kurze Zeit später mit ihren mittlerweile sieben Pferden auf den Hof gezogen und haben seither schon einiges verändert.
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Eier sind ein saisonales Produkt
Ina Rethwisch erfüllte sich ihren Traum von eigenen Hühnern. Zuerst mit ausgestallten Legehennen, «das bereitete mir allerdings Mühe, denn diese sind immer nach kurzer Zeit verstorben, weil sie als Hybriden auf die Legeleistung und nicht auf die Langlebigkeit gezüchtet wurden.»
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Deshalb habe sie sich dann für Rassenhühner entschieden. Heute hat sie 22 Hühner, einen Hahn und aktuell acht Küken aus Naturbrut der Rassen Schwedische Blumenhühner, Appenzeller Spitzhauben- und Barthühner. Die Eier kann sie im Dorf verkaufen. Sie findet es sehr schön, dass sie nicht an eine Menge gebunden ist. Man verstehe, dass es keine Eier gebe, wenn die Hühner in der Mauser sind. «Denn auch Eier sind ein saisonales Produkt», ergänzt sie und kommt damit auf einen wichtigen Punkt zu sprechen: Ihr sei es wichtig, dass die Leute in ihrem privaten, aber auch erweiterten Umfeld wieder mehr sensibilisiert werden, was die Regionalität und Saisonalität betrifft.
«Ich möchte den Betrieb wieder als richtige Landwirtschaft führen.»
Ina Rethwisch, Bäuerin.
Weiter hat Rethwisch eine Obstanlage mit 60 Apfel- und Birnen-Niederstammbäumen mit Tafel- und Mostobst gepflanzt. Geplant ist zudem ein Stall für Pro-Specie-Rara-Ziegen, wobei sie sich noch nicht entschieden hat, ob es Stiefel- oder Pfauenziegen werden sollen.
Die Angst überwunden
«Hätte mir vor einigen Jahren jemand gesagt, dass ich so in einer Kuhherde stehen kann und die Liebe zu den Rindviechern entdecken würde, hätte ich das niemals geglaubt», meint die Kuhliebhaberin. Nach einem Unfall mit dem Pferd, in welchen eine Kuh involviert war, hatte sie regelrecht Panik vor den Tieren. Allerdings hat ihre Angst sie «gefuchst», wohnt sie doch in einem kleinen Weiler, wo die Kühe quasi Nachbarn sind. So fragte sie zwei Höfe weiter einen befreundeten Landwirt, ob sie beim Melken zuschauen dürfe. «Aus dem Zuschauen wurde eine grosse Liebe, mit allem, was dazugehört.» Das heisst, so oft wie zeitlich möglich, Wochenend- und Ferienablösung im Stall, Kühe rein- und rauslassen und melken. Sie habe sogar schon einmal ganz alleine ein Kalb zur Welt gebracht, erzählt sie strahlend.
Der gleiche Stellenwert
Dabei wird klar: Ina Rethwisch ist eine Macherin. Überzeugt meint sie: «Ich finde es schade, dass im Jahr 2024 eine Frau im Melkstand oder auf dem Traktor noch immer nicht den gleichen Stellenwert hat wie ein Mann.» Dass noch immer nach dem «Chef» gefragt wird, statt dass man erst genommen wird. Das müsse sich dringend ändern.
Nebst der Arbeit rund um die Kühe und die Pferde singt Rethwisch in einem Chor. Ihre auffallend bunten Socken zeugen zudem davon, dass sie gerne lacht und das Leben nicht immer so ernst nimmt.
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Klare Ziele für die Zukunft
Im Sommer schloss die Wahl-Zuzgerin die Bäuerinnenschule an der Liebegg ab, mit dabei die Wahlmodule Kleintierhaltung – der Hühner und zukünftigen Ziegen wegen – und Rindviehhaltung. Der Fachausweis ist nun der nächste Schritt. Sie möchte den Betrieb wieder als richtige Landwirtschaft führen: Mit dem Anbau und Konservieren von Gemüse und eigener Futterproduktion, sinniert Rethwisch. Einer ihrer Träume ist es, für ein paar Wochen oder Monate auf der Alp zu arbeiten. Aber das sei mit eigenen Tieren schwierig umzusetzen. Mit den Ziegen, die sie für die Landschaftspflege halten werde, vielleicht auch Trekkings anzubieten oder Schulklassen die Landwirtschaft näherzubringen. Und vielleicht – wer weiss schon, was die Zukunft bringt – eigene Normanne-Kühe halten, wie ihre Lieblingskuh Carina eine ist.
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