63 Jahre sind sie verheiratet, Greti und Hans Fankhauser aus Treiten BE. 63 Jahre, in denen die Landwirtschaft enorme Entwicklungen durchgemacht und sich auch das Leben des Bauernpaares stark verändert hat.

«Kennengelernt haben wir uns in Frieswil», erzählt Greti Fankhauser, die damals noch Joder hiess. Sie ist dort, im Berner Seeland, in einer Bauernfamilie aufgewachsen. Hans Fankhauser kommt aus dem Emmental, auch er ist ein Bauernkind und absolvierte mit 17 auf dem Nachbarhof von Gretis Familie ein Lehrjahr. «Es war keine Frage, ob ich etwas anderes lernen wollte», erinnert er sich. «Darüber wurde nie diskutiert.»

Greti war damals ebenfalls 17 und sah den neuen «Lehrbueb» jeweils, wenn sie am Morgen mit Ross und Wagen unterwegs war, um Gras für die Kühe zu holen. «Er hat mir gefallen», meint sie mit leisem Lächeln. Und Hans Fankhauser schwärmt. «Greti hatte ganz schwarze Haare und konnte schön singen.»

Unerlässliche Mitarbeit

Viel Zeit hatten die beiden nicht füreinander. Gretis Mutter starb mit gerade mal 44 Jahren, die junge Frau musste die Frauenarbeitsschule abbrechen, um sich um die fünf Geschwister zu kümmern und auf dem Hof mitzuarbeiten. Als Hans Fankhausers Lehrjahr zu Ende war, ging er zurück auf den elterlichen Hof ins Emmental. Doch die beiden blieben in Kontakt.[IMG 2]

«Erst als meine Schwester mit der Schule fertig war, konnte ich ein Jahr weg», erinnert sich Greti Fankhauser. Sie fand auf einem Hof im Emmental Arbeit, «so war sie etwas näher bei mir», wie sich ihr Mann schmunzelnd erinnert.

Mit 21 heirateten die beiden, das erste Kind war unterwegs. Das Paar zog auf den Hof von Hans Fankhausers Eltern. Dort hatten die beiden nur eine Stube im Bauernhaus für sich. «Für Greti war es nicht einfach», sagt ihr Mann. «Wir hatten kaum Platz für uns, und sie war es von daheim her gewohnt, selbstständig zu arbeiten. Nun bestimmte die Schwiegermutter, wo es langging.»

Die beiden zogen zurück nach Frieswil, auf einen Pachtbetrieb ihres Bruders. Dort hatte das Paar eine eigene Wohnung. «Das war schön, doch wir hatten auch viel Arbeit: Vier Kinder in vier Jahren, und eine Waschmaschine gab es nicht», so Greti Fankhauser. Sie musste die Wäsche draussen im Trog waschen, nass und schwer zum Schleudern ins Haus tragen und dann wieder nach draussen zum Aufhängen. «Ich habe manchmal morgens um vier Wäsche gewaschen, damit ich mit allem durchkam.»

Neben der Arbeit für die Familie und den Hof kümmerte sie sich regelmässig um den Haushalt des verwitweten Vaters. Etwas einfacher wurde es, als die Wirtin des benachbarten Gasthofs eine richtige Waschmaschine anschaffte und die junge Mutter diese mitbenutzen durfte.

Einen Pachthof übernehmen

Als der Bruder heiratete, musste sich das Paar nach 5 ½ Jahren etwas Neues suchen. Sie zogen nach Landerswil BE. Hans Fankhauser fand eine Stelle als Melker, und sie wohnten in einem kleinen Haus. «Es war strenge Arbeit und hat mir nicht besonders gefallen», sagt er. Doch dann entdeckte Gretis Vater ein Inserat für einen Pachtbetrieb in Baggwil BE, und die junge Familie bekam 1971 den Zuschlag.

Im Bauernhaus gab es weder Heizung noch Badezimmer. Brauchten die Kinder ein Bad, musste der Zuber hervorgeholt und Wasser aufgekocht werden. Die Toilette war hinter dem Haus, und zum Kinderzimmer ging es nur über eine Aussentreppe. «Alles war alt», sagt Greti Fankhauser. «Wir mussten das Inventar übernehmen, doch es gab keine neuen Maschinen und daher viel Handarbeit.» «Greti arbeitete drinnen, ich draussen», ergänzt ihr Mann. «Wenn ich im Winter im Burgerwald war, fing sie im Stall schon an.»

Als die Kinder etwas grösser waren, wurden sie zum Helfen eingespannt, vor allem bei der Obsternte und den Feldarbeiten. «Das halten sie uns noch heute vor, dass sie wochenlang Kirschen ernten mussten, nie in die Badi und Schwimmen lernen durften», sagt Hans Fankhauser mit einem Schmunzeln.

Auszeiten als Paar? Das war für die beiden kein Thema. «Wir waren ja beim Bauern viel zusammen. Zudem hatten wir keine Grossmutter in der Nähe zum Hüten», sagt Greti Fankhauser. Die beiden arbeiteten hart. «Doch wir mussten trotzdem so manches Jahr schmal durch.» Besonders in Erinnerung geblieben sind den beiden zwei schwere Jahre, eines war sehr trocken, das andere sehr nass. «Es gab fast keine Kartoffeln, und wir mussten natürlich trotzdem jedes halbe Jahr Zins zahlen», so Hans Fankhauser.

Finanziell nicht einfach

Der finanzielle Druck führte manchmal zu hitzigen Diskussionen. «Ich machte das Büro und wusste, welche Rechnungen da waren, und konnte nicht verstehen, wenn Hans unnötig Geld ausgab», so Greti Fankhauser. War die Ernte schlecht oder hatte man Pech im Stall, war das einschneidend. «Damals bekamen wir für jedes 14-tägige Tränkekalb mindestens 1000 Franken. Doch wenn es eine Totgeburt gab und man eigentlich mit dem Geld gerechnet hatte, war das ein Desaster für uns», sagt Hans Fankhauser.

In den 1970er-Jahren kamen Schwergeburten im Stall noch viel häufiger vor als heute. «Einmal mussten wir bei einer Kuh, die Ruth hiess, sogar das Kalb heraussägen», weiss Greti Fankhauser noch. Die Kuh konnte danach für mehrere Tage nicht mehr aufstehen, hatte das Festliegen. «Das halbe Dorf half mit, um Ruth wieder auf die Beine zu bringen, und auch der Tierarzt fuhr fast jeden Tag vor – das ging ins Geld.»

Schweigen oder ausdiskutieren?

«Es gab hin und wieder ein Gstürm», bestätigt ihr Mann. «Ich wurde laut und konnte den Streit auch so schnell nicht vergessen.» Am Familientisch herrschte dann ein ungemütliches Schweigen. «Vielleicht war es ein gutes Rezept, wenn wir nicht immer alles ausdiskutiert haben, sondern dem Frieden zuliebe geschwiegen haben», so Greti Fankhauser.

Ein gutes Beispiel war, wenn ihr Mann am Sonntag nicht wie abgemacht um 11 Uhr, sondern erst um 12 Uhr zum Zmittag erschien. «Das fand ich damals nicht so lustig», weiss sie noch. Auch bei der Erziehung der Kinder waren sie sich nicht immer einig. «Hans war viel strenger als ich», sagt Greti Fankhauser. Er hingegen konnte damals nicht verstehen, dass sie immer erst die Küche aufräumen wollte, bevor sie mit aufs Feld kam. «Bei meiner Mutter war das nicht so», meint er achselzuckend.

Ferien waren in jenen Jahren kein Thema. Mit den Kindern machten die Eltern manchmal einen Ausflug, zum Beispiel aufs Schilthorn, oder man besuchte die Gusti auf der Alp. Erst als der jüngste Sohn allein melken konnte, fuhren die Eltern für drei Tage nach Österreich.

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Eine schwierige Zeit war es auch, als 1998 der Eigentümer des Betriebs ihnen die Pacht kündigte, weil dessen Enkelin auf dem Hof Pferde halten wollte. «Wir haben über die Jahre viel Geld und Arbeit in den Betrieb investiert», sagt Hans Fankhauser. Die Familie musste alle Kühe und das Inventar versteigern. «Das war hart.»

Das Paar fand ein Haus in Treiten, doch bis wenige Wochen vor dem Umzug hatte der damals 58-jährige Hans Fankhauser noch keine neue Stelle. Der finanzielle Druck war erneut gross, die Stimmung gedrückt, wieder gab es ungemütlich stille Mittagessen. Doch dann wurde der Bauer angefragt, ob er künftig für den landwirtschaftlichen Bereich des Wohn- und Pflegeheims Frienisberg arbeiten wollte. «Es war streng, nach so vielen Jahren Selbstständigkeit wieder genau nach den Vorgaben eines Chefs zu arbeiten», sagt er. Doch er blieb bis zur Pensionierung dort. Greti Fankhauser war als Mitarbeiterin bei den Gemüsebauern im Dorf gefragt.

Vermissen die Kühe

Inzwischen sind die beiden 84-Jährigen seit 27 Jahren in ihrem Häuschen. Hans Fankhauser hat hinter dem Garten eine kleine Obstplantage, deren Erträge er zur Erntezeit vor dem Haus an einem Stand verkauft. Zudem fertigt er aufwendig gestaltete Wildbienenhäuser. Greti Fankhauser pflegte bis vor wenigen Jahren mit viel Herzblut die Blumen rund ums Haus. Da Rücken und Knie nicht mehr so mitmachen, nimmt sie es heute ruhiger. «Doch das Brot backe ich noch immer selbst.» Kinder und Grosskinder mit den Familien kommen oft vorbei, Hans und Greti Fankhauser vermissen nichts oder fast nichts. «Nur die Kühe in der Umgebung», meint die pensionierte Bäuerin lächelnd. «Es ist halt ein Gmüesler-Dorf.»

Die Verbindung der beiden ist während des Gesprächs deutlich spürbar. Immer wieder blicken sie sich an, ergänzen die Aussagen des anderen. Doch nach dem «Rezept» für eine langjährige Beziehung gefragt, zucken sie die Schultern. Im bäuerlichen Umfeld sei es damals nicht üblich gewesen, sich zu trennen, meint Hans, auch wenn es manchmal schwierig gewesen sei. «Die Frauen hatten kein eigenes Geld, die konnten nicht weg. So sind wir aufgewachsen.» «Wir sind dankbar, wie es gekommen ist», sagt seine Frau. «Heute hat Hans mehr Zeit, mir zu helfen, das ist schön.» Schmunzelnd fügt sie hinzu: «Früher bekam ich von ihm nie ein Kompliment fürs Kochen, heute schon.»

Dass ihre gemeinsame Zeit nicht selbstverständlich ist, realisierten die beiden, als Greti eine Lungenembolie hatte. «Die vielen Schläuche, das gab mir zu denken», sagt Hans. Greti Fankhauser hört das gern: «Jetzt bin ich doppelt so viel wert», meint sie lächelnd.

Die Porträtierten sind die Eltern unseres Redaktors Peter Fankhauser.