Lorenz Wyssen ist schnell. Sehr schnell sogar. In 47 Sekunden mäht er letzten Samstag mit seiner Sense an der Innerschweizer Handmähmeisterschaft eine Strecke von zehn Metern. Der 16-Jährige ist passionierter Handmäher. 2017 wurde er sogar Junioren-Europameister an der Heim-EM in Ingenbohl SZ. Dass Handmähen ein durchaus ernst zu nehmender Sport ist, der in allen Alpenländern, aber etwa auch in der Slowakei, dem Baskenland oder Grossbritannien betrieben wird, «wissen die meisten nicht», sagt der Berner Oberländer.

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Die Jüngste ist 5 Jahre, der Älteste 74

Bereits zum 34. Mal wurde im Hochmoor von Rothenthurm SZ um die Wette gemäht. Rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Landesteilen und dem nahen Ausland stellten sich mit ihren Sensen der zähen Streue. Mähen in diesem Gras, das nur einmal im Jahr geschnitten wird, «ist quasi die Königsdisziplin des Handmähens», sagt Margrit Föhn. Sie ist OK-Präsidentin der Innerschweizer Meisterschaft und selbst dreifache Europameisterin. Im Emdgras sei das Handmähen viel einfacher, fügt Föhn an.

Die Männer müssen eine Strecke von 40 Metern mähen. Die Damen 18 Meter und die Kinder zehn Meter. Die Breite dürfen sie zuvor selbst bestimmen und den Kampfrichtern mitteilen.

Die jüngste Teilnehmerin ist mit fünf Jahren Alice Reichen aus Adelboden BE, der älteste mit 74 Jahren Karl Arnold aus Spiringen UR.

In der ersten Klasse angefangen

Auch Lorenz Wyssen begann bereits in zartem Alter mit Mähen, in der ersten Klasse. Das Handmähen liegt in der Bauernfamilie. «Wir haben stotziges Land zu Hause», sagt Lorenz Wyssen. Zum Mähen kam er durch seine Mutter Dori, die auch schon als Kind mit Mähen begann und immer noch antritt. «Mini Muetter isch veiechli guet gsi», sagt der Junior in gmögigem Berner Oberländer-Dialekt.

Lorenz Wyssen ist mit drei Brüdern auf einem Bergbauernbetrieb in Ried bei Frutigen BE aufgewachsen. Den Hof mit 15 Kühen und Kälbermast möchte er später einmal übernehmen. Aktuell ist er im ersten Lehrjahr auf einem Milchbetrieb in Frutigen. Während er zu Hause mit der Sense trainiert, kommt sie auf dem Lehrbetrieb nicht zum Einsatz. Dort gibt es eine Motorsense. «Mit der mähe ich aber nicht unbedingt gerne», sagt Wyssen.

Schnell, breit und sauber mähen

Mutter Dori, die ebenfalls aus einer Bergbauernfamilie stammt, betreut Lorenz am Wettkampf in Rothenthurm SZ im Feld. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer darf sich während dem Mähen von einer Person betreuen lassen. «Breiter, breiter!», schallen die Kommandos  etwa über die Wiese oder «Dürezieh!»

Jeweils zwei Kampfrichter(innen) beobachten die Teilnehmenden genau. Es zählt die gemähte Fläche pro Zeit. Bewertet werden ausserdem Anwand (die Breite), der Gesamteindruck und der Durchschlag (stehen Grasbüschel wieder auf?). Je nachdem gibt es Strafpunkte. Wer einen Maushaufen erwischt, bekommt hingegen einen Bonus. «Man muss versuchen, schnell, sauber und rund zu mähen», erklärt Lorenz Wyssen die richtige Technik. Und Einstecken dürfe man nicht, sonst habe man verloren. «Wenn man einsteckt, haut die Sense nachher kaum mehr.»

Sportsensen in Kindergrösse

Die Sensen der Sportmäher sind anders als die handelsüblichen. Das Schwert ist länger, der Stiel hingegen kürzer. «Dadurch ist die Kraft näher beim Boden», erklärt Margrit Föhn. Fürs sportliche Mähen ist das gut, einen ganzen Tag Mähen würde man mit dieser Sense aber eher schwerlich durchstehen. Die Sportsensen gibt es auch in Kindergrössen. Angefertigt werden sie nur noch von einem einzigen Hersteller, einer Firma aus Österreich.

Jung und Alt kämpfen am letzten Samstag in Rothenthurm nicht nur um die begehrten Tagessiege, sondern auch um die Schweizermeistertitel. Wer an den drei Wettkämpfen von Herisau AR, Frutigen  und Rothenthurm zusammen am wenigsten Punkte auf seinem Konto hat, darf sich mit der goldenen Medaille und Ruhm und Ehre schmücken.

Der Beste seiner Klasse

Lorenz Wyssen darf heuer zum letzten Mal bei den Junioren antreten. Es läuft ihm rund und er holt sich mit seinen 47 Sekunden nicht nur den Tagessieg bei den Junioren, sondern auch den Schweizermeistertitel. Bei den Juniorinnen gewinnt Daniela Föhn aus Rickenbach SZ. Bei den Damen gewinnt die Mogelsbergerin Iris Aebli ihren ersten Schweizermeistertitel. Bei den Männern hingegen ein Routinier: Für Stefan Tobler aus Schwellbrunn AR ist es bereits der achte. Lorenz Wyssen kann stolz sein auf seine Leistung. «Ich würde auch als Erwachsener gerne einmal an der EM antreten», sinniert er.

Jetzt steht aber erst einmal die Lehre zum Landwirt im Vordergrund. Gedanken über die Zukunft der Bergbauern macht sich der junge Mann manchmal schon. «Einerseits heisst es, dass die kleinen Betriebe aussterben. Aber uns braucht es auch! Wir produzieren genauso Fleisch und bewirtschaften die steilen Flächen, die ohne uns verbuschen würden», sagt Lorenz Wyssen dezidiert. Zum strengen Berufsalltag ist das Handmähen eine willkommene Abwechslung, genauso wie seine anderen Hobbies Schwizerörgele und Ausgang. 

Wie eine grosse Familie

Lorenz Wyssen schätzt am Handmähen besonders auch das kollegiale Beisammensein. Das betont auch seine Cousine Anina Trachsel, ebenfalls begeisterte Mäherin und im Vorstand des Berner Vereins tätig: «Unter den Handmähern herrscht eine Art familiärer Zusammenhalt.»

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