16 Jahre lang leitete Hans Burger die Abteilung Landwirtschaft Aargau; 2009 wurde er pensioniert. Er verliess das Büro und hat seither viel erlebt. Wie viel, darüber staunt er selber an diesem Sommermorgen in seinem Zuhause in Möriken, wo er Bilanz zieht für die Besucherin von der BauernZeitung.
Auch lokale Projekte beschäftigen ihn
Hans Burger bittet in den Wintergarten, der nach Arbeitszimmer aussieht. Auf dem Tisch steht ein Beamer neben einem Aktenstapel. Burger beschäftigt sich gerade mit einem lokalen Projekt: In seiner Wohngemeinde soll ein millionenteurer Entwässerungsgraben als Hochwasserschutz erstellt werden, der Agronom plädiert für eine günstigere und effizientere Lösung.
Aber jetzt startet er den Beamer und der Blick geht in die Welt hinaus, in die Ukraine, nach Indonesien, Albanien, Mazedonien, Nepal. Dort hat er in den vergangenen Jahren elf Freiwilligeneinsätze geleistet, im Auftrag von «Senior Expert Contact», einem Teil von Swisscontact, der Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit der Schweizer Wirtschaft.
Diese Expeditionen verlangen nebst Fachwissen auch Fitness. Ein Bild zeigt Burger beim Schneiden von Kiwibäumen im nepalesischen Hochland auf 2400 Metern über Meer. Der 77-jährige Aargauer hat dieses Jahr einen Familienbetrieb bei der Pflege einer vier Hektaren grossen Kiwiplantage beraten und unterstützt. Die Familie habe sich fachlich und arbeitsmässig übernommen, seufzt er, «dort ist alles, alles Handarbeit.» Die Baumreihen wurden mit der Sichel ausgemäht, er organisierte eine Motorsense.
Grenzschutz gibts in Nepal nicht
Bei der Rückreise kam die Ernüchterung in der Hauptstadt Kathmandu: Kiwis gab es haufenweise zu kaufen, aber viel Importware aus Indien und China. «Nepal hat keinen Grenzschutz bei Lebensmitteln, obwohl zwei Drittel der Menschen vorwiegend von der Landwirtschaft leben», sagt Hans Burger. Mangelndes Fachwissen und fehlende Mechanisierung seien häufige Probleme, das grösste aber die Abwanderung der jungen Leute vom Land in die Stadt und ins Ausland.
Vor- und Nachbearbeitung der Projekte beschäftigen Hans Burger jeweils bis zu zwei Monate, er schreibt Analysen und zeigt Verbesserungsmöglichkeiten. Als Abenteurer sieht er sich nicht; die Einsätze seien durch Swisscontact gut organisiert.
Von einem leicht mulmigen Gefühl bei seinen ersten Reisen, als die Online-Kommunikation noch nicht so verbreitet war, berichtet er dann doch – «Ist wohl jemand da, der mich abholt?» Es hat jedes Mal geklappt. Burger erzählt begeistert von grosser Offenheit und Gastfreundschaft trotz bescheidener Verhältnisse: «Die Einsätze bedeuten mir viel und geben mir viel zurück.»
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Auch die Schweiz ist nicht nur paradiesisch
Die Unterschiede zur Schweiz sind enorm, paradiesische Zustände sieht er aber auch hier nicht. «Ich bewundere die Schweizer Bauernfamilien, wie sie das alles bewältigen», sagt er mit Blick auf den Dschungel an Vorschriften durch Bund, Kantone und Marktpartner. Dann das Bashing der Landwirtschaft in den Medien, «ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte oder Marktrealitäten, dazu der gegenwärtige Biodiversitäts-Hype.» Sehr energisch wird er beim Thema Kulturlandverlust, vor allem der Rückgang pro Kopf sei dramatisch. «Der Aargau hat das grösste Bevölkerungswachstum aller Kantone, dort ist die Ackerfläche pro Kopf seit 1992 um 40 Prozent gesunken.» Die Schweiz liege in diesem Bereich global auf dem miserablen Rang 150 von 179 Ländern, in Europa gar auf Rang 40 von 43 Ländern.
Trotz Interesse am Weltgeschehen und Auslandaufenthalten: «Ein Nomade bin ich nicht, meine Wurzeln sind eindeutig hier», sagt Hans Burger beim Abschied vor seinem Zuhause in Möriken, das seine Familie in siebter Generation bewohnt.