Was haben Designmöbel im Bundeshaus, ein Krustenbrecher auf dem Acker und Gastarbeiterwohnungen auf einer Maschinenhalle im aargauischen Reusstal miteinander zu tun? Auf den ersten Blick: nichts. Aber wer sich für den Gemüsebaubetrieb Haller im aargauischen Mellingen interessiert, merkt bald: sehr viel.

Erst die einen, dann die anderen

Rosa Suter und Bruno Haller, ein Architekt, der in Solothurn tätig war, hatten fünf Söhne: Bruno, Otto, Fritz, Hans und Karl. Weil die Söhne Bruno und Otto, gelernte Gärtner, Gemüsebau betreiben wollten, kaufte ihnen der Vater 1946 zwölf Hektaren Land in Mellingen. Doch die Familien harmonierten nicht.

Deshalb überliessen sie den Betrieb schon bald ihren Brüdern Hans (1920–1992), einem ausgebildeten Tiefbauingenieur, und Karl (1929–2004), der eine kaufmännische Lehre absolviert hatte. Zusammen mit ihren Familien bauten diese beiden den Hof in den 1950er-Jahren zu einem der grössten Biobetriebe in der Schweiz aus.

Sie pflanzten auf zehn Hektaren Gemüse an, den Rest des Landes nutzten sie zur Futterproduktion für das Vieh. Das Gemüse verkauften Hallers den im Bio-Ring zusammengeschlossenen Reformhäusern, Detaillisten sowie der Anbau- und Verwertungsgenossenschaft AVG (heute: Terraviva).

Eine neue Landbautechnik entwickelt

Hans Haller war im Betrieb vor allem für die Produktion und den Maschinenpark, Karl Haller für die Buchhaltung und Verwaltung zuständig. Schon bald beschäftigten sie zahlreiche Saisonniers. Sie gehörten auch zu den ersten, die Tiefkühl-Gemüse pfannenfertig aufbereiteten und an Grossverteiler lieferten. Mit den grossen Tiefkühlanlagen konnten sie die saisonalen und wetterbedingten Ernteschwankungen besser auffangen.

Zudem kauften sie immer mehr Gemüse von anderen Produzenten aus der Region, um es zu verarbeiten und, was ebenfalls neu war, in Plastik verpackt an den Detailhandel zu liefern. In den 1960er-Jahren kamen sie vom Biolandbau weg und setzten Gemüse über den Engrosmarkt in Zürich ab.

Hans Haller hatte schon Mitte der 1950er-Jahre an die Branche appelliert, die Differenzen zwischen dem konventionellen und dem biologischen Anbau zu überwinden. «Wäre es nicht besser, zusammenzustehen und eine Landbautechnik zu entwickeln», zu der «unser Brotgeber, das ganze Volk», Vertrauen hätte, fragte er 1956 im «Neuen Landbau», einer Zeitschrift für Biolandbau. So könnten, war Haller überzeugt, das in der Bevölkerung herrschende «Misstrauen und die berechtigte und die unberechtigte Angst vor allem Künstlichen» in der Landwirtschaft überwunden werden.

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Eine Form von frühem Precision Farming

Hans Haller war zudem ein Tüftler, der u. a. einen Krustenbrecher entwickelte, um das Atmen der lebenden Bodenschicht nach Regenfällen und der Bewässerung zu verbessern. Weil sich die gängigen Hackmaschinen für Feinkulturen wie Spinat, Karotten oder Salat nicht eigneten, entwickelten er ein eigenes Modell, mit dem die Kultivatoren so genau geführt werden konnten, dass die Erde bis wenige Zentimeter an die Pflanzen heran gelockert werden konnte. So betrachtet, war Hallers Krustenbrecher eine Frühform von Precision Farming. Zudem war das Gerät leicht, billig und konnte sowohl von Menschen als auch von Tieren oder Traktoren gezogen werden, was in den 1950er-Jahren noch von zentraler Bedeutung war.

Doch die Zukunft dieses Betriebs lag nicht im Anbau, sondern in der Verarbeitung und Verpackung von Gemüse. Dazu bauten Hans und Karl Haller 1967 innerhalb von sechs Monaten zusammen mit ihrem Bruder, dem Architekten Fritz Haller (1924–2012), eine Maschinenhalle, auf der gleich auch noch die Wohnungen der Gastarbeiter untergebracht wurden. Das war die industrielle Variante des Arbeitens und Wohnens unter dem gleichen Dach. In enger Zusammenarbeit verknüpften die drei Brüder Bauplanung und Betriebsführung des rasch expandierenden Unternehmens. Fritz Haller, der weltberühmte Architekt, war der Miterfinder des Stahl-Möbel-Systems USM Haller, aus dem auch die USM-Haller-Büromöbel hervorgingen, die Bundes-präsident Samuel Schmid 2005 als Arrangement für das offizielle Foto der Landesregierung dienten.

Die Frigemo beteiligte sich

Anfang der 1970er-Jahre, kurz vor dem Konjunktureinbruch, wandelten Hans und Karl Haller ihren Betrieb in eine Aktiengesellschaft um, an der sich auch die den Genossenschaftsverbänden gehörende Frigemo beteiligte. In den 1980er-Jahren übernahm die Frigemo die Mehrheit der Aktien. Die Gebäude hingegen verkauften Hallers erst im Jahr 2000. Hans Haller zog sich nach der Übernahme der Aktienmehrheit durch die Frigemo aus dem Betrieb zurück. Sein Bruder Karl hingegen arbeitete bis zur Pensionierung im Betrieb. Sein Sohn Heinz, der nach der Ausbildung zum Maschinenschlosser und zum Gemüsebauer ebenfalls in den Betrieb eintrat, verliess das Unternehmen 1989.