Beim Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) in Sursee LU arbeitet seit fünf Jahren eine besonders schlagfertige junge Frau. Fabienne Kaufmann, im Innendienst bei der bäuerlichen Versicherungsberatung tätig, dominiert die Schweizer Karate-Szene seit einigen Jahren in der Kategorie plus 68 kg. Sechs Schweizermeisterinnen-Titel in Folge schmücken ihr Palmarès. Folglich ist die in Nottwil am Sempachersee wohnhafte Luzernerin häufig im Ausland an Turnieren anzutreffen. Dafür opfert sie einen schönen Teil ihrer Ferien und kompensiert Überzeit.[IMG 2]
Schlagen und stossen
Als «herzlich», «kompetent», «hilfsbereit» und «humorvoll» wird sie von ihrem Team beschrieben. Bei ihrem Sport, der weit mehr als ein Hobby ist, sind allerdings andere Attribute gefragt. Der Duden beschreibt Karate als «sportliche Disziplin und Methode der waffenlosen Selbstverteidigung, die in erster Linie auf Techniken des Schlagens und Stossens beruht». Die Schläge mit Fuss oder Hand sollen Kopf, Bauch oder Rücken treffen. Die intensiven Kämpfe dauern drei Minuten. Vorher gestoppt wird, wenn es blutet oder der Kampf nach Punkten zu einseitig ist. An einem Turnier kommt es zu fünf Duellen.
Ins bäuerliche Arbeitsumfeld kam Kaufmann eher zufällig. Die Branche war ihr aber nicht fremd, verbrachte sie doch als Kind oftmals die Ferien auf dem Bauernhof ihrer Gotte. Heute weiss sie, was auf einem Bauernhof alles so kaputtgehen kann und entsprechend passend versichert sein sollte. Ihr Gebiet sind vor allem Sachversicherungen. Im Team Versicherungsberatung des LBV arbeiten sieben Personen im Innendienst und gleich viele in der Beratung.
Von Tokio bis Dubai
Kürzlich hat Fabienne Kaufmann nebenbei auch noch die höhere Fachschule für Wirtschaft absolviert. Bleibt da noch ein Fenster für Freizeit? «Nein, eigentlich nicht», sagt die 25-Jährige spontan. Elf Trainings absolviert sie wöchentlich in der turnierfreien Zeit, insgesamt zwischen 18 und 25 Stunden. Davon einen Teil im Fitnesscenter, Trainings in der Karateschule Sursee und häufig an den Wochenenden zusätzliche Einheiten mit dem Nationalkader im solothurnischen Zuchwil. Die Turniere finden dort statt, wo Karate einen hohen Stellenwert hat und die Gegnerinnen stark sind. Etwa in Tokio, aber auch in Dubai, Amsterdam oder irgendwo in Ägypten, Frankreich oder Österreich. Je nach Zeitzone reist sie dann Anfang Woche hin und Sonntag oder auch erst Montag wieder zurück.
Angefangen mit der Kampfsportart, deren Ursprung auf eine japanische Insel in der Nähe vom chinesischem Festland zurückgeht, hat sie bereits als Fünfjährige. Damals war sie mit ihren Eltern gerade umgezogen und eher schüchtern, so führte der Weg ins Karate. Seither sind 20 Jahre vergangen. Sportlich habe es von Anfang an gepasst. Die Erfolge kamen rasch, und Kaufmann absolvierte die Oberstufe in der Sportschule Kriens. In der Schweiz betreiben nur rund zehn Frauen den Sport auf Kaufmanns Niveau, verteilt auf fünf Gewichtsklassen. Hierzulande die klare Nummer eins, ist Kaufmann weltweit im Ranking an 22. Stelle gelistet. Zwischenzeitlich war sie diesen Sommer unter den Top 20. Was liegt noch drin?
«Weltweit unter die Top 10 ist möglich.»
Fabienne Kaufmann sieht Luft nach oben.
Bald ist Schluss
Die Zeit drängt ein wenig. Zwischen 28 und 30 haben bei dieser stark auf Schnellkraft und Beweglichkeit basierten Sportart die meisten Kämpferinnen ihren Zenit erreicht. Das passt für die sympathische Kaufmann. Denn in drei bis vier Jahren ist für sie dann ohnehin «langsam Schluss», wie sie sagt. Obwohl sie von den typischen Karate-Verletzungen (Nasenbruch, Bänder) bislang verschont blieb.
Finanziell kommen die Kämpferinnen auf keinen grünen Zweig. Das Preisgeld für die Siegerin an einem hochklassigen K1-Turnier beträgt zwischen 1000 und 2000 Franken. Dank zehn Sponsoren kann die LBV-Fachfrau den Sport finanzieren. Das Reisen bezahlt grösstenteils der Verband. Mit dem 60-Prozent-Pensum beim LBV finanziert der Halbprofi quasi das Leben neben dem Sport.
Unkomplizierte Bauernfamilien
Allzu weit mag Fabienne Kaufmann nicht in die Ferne blicken. Beim Luzerner Bauernverband gefalle es ihr gut, die Arbeit beschreibt sie als abwechslungsreich. Der Umgang im Team sei familiär und die Kunden, zum grossen Teil Bauernfamilien aus den Kantonen Luzern und Zug, meist unkompliziert.
Zerschlagen hat sich ein sportliches Ziel: Die japanische Kampfkunst Karate wird in Paris 2024 nicht ins olympische Programm aufgenommen.