Entspannt sitzt sie bis zu den Schultern in der Aare. Sie lächelt sogar. Und das im sechs Grad kalten Wasser. «Mit dem richtigen Fokus und Entspannung ist vieles möglich», sagt Helena Hefti beim Abtrocknen. Die Bauerntochter hat sich in Bern als Coach für Atmung und Kälte selbstständig gemacht.

Aufgewachsen ist sie auf einem Milchwirtschaftsbetrieb im Kanton Glarus, zusammen mit vier Schwestern und einem Bruder. «Als Kind empfand ich es als Last, eine Bauerntochter zu sein», erzählt Helena Hefti. «Zum Beispiel, weil wir nie als Familie in die Ferien konnten.» Zudem war es ihr im Glarnerland zu eng.

Das Fernweh ausleben

Abo Keine Angst vor Minus-Temperaturen Wie Kälte- und Atem-Training helfen können, gelassener durchs Leben zu gehen Thursday, 4. January 2024 Kaum war die Glarnerin mit 16 mit der Schule fertig, zog sie daher ein Jahr in die USA. Sie besuchte die Highschool und lebte auf einer Farm in Nebraska. «Landwirtschaft, Rösser und Rodeo», fasst sie die Zeit lachend zusammen. «Doch ich hatte eine gute Zeit und realisierte, wie offen die Schweiz ist.»

Kaum war sie zurück in der Schweiz, packte sie bereits wieder die Koffer und zog ins Welschland. Dort absolvierte sie auf Französisch die Handelsschule und machte die Wirtschaftsmatura. Anschliessend entschied sie sich für ein Geografiestudium in Bern. «Aber ich war nie eine gute Geografiestudentin. Mir fehlte der Praxisbezug.» Sie studierte ein Austauschjahr in Kolumbien, hängte einen Nachdiplomlehrgang in internationaler Landwirtschaft an. Beruflich war das allerdings noch nicht das Richtige für sie.

Gemeinsam mit ihrem Mann Lorenz Wenger und Söhnchen Jorik reiste sie in die Philippinen. Das Paar betrieb dort eine Tauchbasis. Er leitete den Tauchbereich, sie managte das angegliederte Hotel. Zwei Jahre später kam Tochter Oona auf die Welt.

Helena Hefti und ihr Mann kehrten nach einigen Jahren in die Schweiz zurück. Sie entschied sich für eine Ausbildung zur Qualitätsmanagerin und arbeitete bis Anfang 2023 als Qualitätsleiterin im Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.

Tauchen ohne Flasche

Doch ihre Leidenschaft lag woanders. Zum einen hatten Helena Hefti und Lorenz Wenger ihre Begeisterung fürs Apnoe-Tauchen entdeckt, dem Tauchen ohne Sauerstoffflasche, mit nur einem Atemzug. «Ich dachte immer, das kann ich nicht, auch weil ich damals keine gute Schwimmerin war.» Doch sie lernte, dass sie mit Wissen sowie ohne innerlichen Widerstand und mit entspanntem Geist und Körper weiterkam, als sie gedacht hatte.

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Zum anderen machte sie eine ganze Reihe von Aus- und Weiterbildungen im Coachingbereich, unter anderem nach der Methode von Byron Katie. «Eine mentale Selbstcoaching-Methode, um stressige Gedanken zu hinterfragen», erklärt sie.

Eigenen Wegen folgen

Sie begann eine Teilzeit-Selbstständigkeit und gründete ihre Firma «Jala». Jala sei das Sanskritwort für Wasser, erklärt die 50-Jährige. «Es ist eine Metapher: Wasser geht immer den Weg des geringsten Widerstandes.» Man müsse zum Beispiel nicht zu allem eine fixe Meinung haben, könne aber trotzdem seinen eigenen Weg gehen. «Je überzeugter ich von etwas bin, desto weniger muss ich andere davon überzeugen.»

Ihre Schwerpunkte als Coach liegen bei den Themen Kälte und Atmung: als Instruktorin für die Wim-Hof- und für die «Oxygen Advantage»-Methode. Der Niederländer Wim Hof ist als «Iceman» bekannt, der es auch bei Minustemperaturen erstaunlich lange im Wasser aushält. Das Training, unter anderem im Wasser, soll sich positiv auf die mentale und körperliche Gesundheit auswirken. «Das kalte Wasser ist ein Stress-Simulator», erklärt Helena Hefti. «Kaltes Wasser kann helfen, eine innere Stärke aufzubauen und gelassener zu bleiben, auch wenn das Aussen unangenehm ist.»

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Weniger atmen kann helfen

Bei der Oxygen-Advantage-Methode geht es darum, weniger und sanfter zu atmen. Dadurch wird der Körper toleranter gegenüber CO₂, das wiederum dafür sorgt, dass das Gehirn, Organe und Muskeln besser mit Sauerstoff versorgt werden. Auch hier ist Entspannung ein wichtiger Faktor. «Wir reduzieren unser Potenzial, wenn wir uns verspannen», sagt Helena Hefti. «Wir gehen das Leben viel zu kompliziert an.» Wer selbst in die Themen «Kälteerfahrungen und entspanntes Atmen» hineinschnuppern möchte, findet am Ende dieses Artikels einen Kurzlink und einen QR-Link zu Tipps und einfachen Übungen für Einsteigerinnen und Einsteiger.

In die Ferne zieht es Helena Hefti heute deutlich weniger. «Bern ist meine Heimat geworden.» Und auch ihre Kindheit als Bauerntochter im Glarnerland sieht sie nun mit anderen Augen. «Seit ich selbst Kinder habe, betrachte ich es als Privileg, wie und wo ich aufwachsen durfte.»

Schätzt das Bodenständige

Den elterlichen Hof hat ein Neffe übernommen. Sie habe aber immer noch Interesse und viel Verständnis für bäuerliche Anliegen, meint Helena Hefti. «Ich schätze das Bodenständige und Einfache. Nahrung zu produzieren, ist etwas Elementares. Wenn diese Werte konstruktiv und offen in Politik und Gesellschaft eingebracht werden, können sie aus meiner Sicht den Wandel positiv beeinflussen.»

Seit rund einem halben Jahr hat sie sich ganz als Coach selbstständig gemacht; sie möchte ihr Angebot für Schulen und Unternehmen weiter ausbauen. Manchmal mache sie das noch etwas nervös. Doch aus ihrer Erfahrung weiss sie: «Vertrauen kann man üben, etwa im kalten Wasser. Es sind oft die kleinen, unscheinbaren Handlungen, die in der Summe einen Unterschied machen.»

Weitere Informationen: www.jala.ch

Einsteiger-Übungen und -Tipps zu Kälte und Atmen finden Sie hier

Fünf Fragen an Helena Hefti
Was raubt Ihnen den Schlaf?
Derzeit sind es gelegentlich Gedanken rund um meine Selbstständigkeit.
Was möchten Sie sich abgewöhnen?
Immer so lange hin und her zu überlegen.
Welches Alltagsritual gehört für Sie dazu?
Am Morgen kalt duschen und dann Atemübungen machen.
Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig?
Ehrlichkeit.
Welche drei Dinge nehmen Sie auf eine einsame Insel mit?
Dinge fallen mir keine ein. Aber ich nehme meinen Mann mit.