Die Esskastanie ist eine der wenigen Früchte, die ihre Saisonalität bewahren konnten. Das Sammeln der Marroni kann mit einem Herbstausflug verbunden werden. Die Bäume, die mehrere Hundert Jahre alt werden, kommen jedoch nur in wärmeren Gebieten vor. In der Schweiz vor allem im Puschlav, im Bergell, in Teilen des Tessins und des Wallis, im Chablais und bei Fully. Auch rund um die Rigi wachsen Edelkastanien. Wer Kastanien sammeln möchte, sollte beachten, dass viele Bäume im Privatbesitz sind. Kastanien, die in Pärken am Boden liegen, sind meistens Rosskastanien. Diese sind nicht geniessbar.
Nach dem Sammeln sollten die Kastanien möglichst bald verarbeitet werden, um Veränderungsprozessen wie Fermentation und Austrocknung entgegenzuwirken. Frische Kastanien halten sich bei Zimmertemperatur etwa eine Woche, in einem gelochten Plastiksack verpackt rund einen Monat im Kühlschrank.
Gut wässern
Im Puschlav werden pro Jahr rund 2000 kg gesammelt. Damit sie haltbar sind, werden sie im Tal bis zu neun Tage gewässert. So wird durch Luftabschluss der Stoffwechsel der Kastanie reduziert und gleichzeitig wird die Schimmelbildung gehemmt. Allfällige Larven von Ungeziefer sterben ab. Bereits wurmstichige und faule Exemplare schwimmen oben auf. Nach dem Wasserbad müssen die Maroni gründlich getrocknet werden. So bleiben sie drei- bis viermal länger haltbar. Zudem lassen sie sich durch dieses Verfahren einfacher schälen.
Konfitüre aus Kastanien
Eine der wenigen, die die aufwendige Verarbeitung von Kastanien zu kommerziellen Zwecken im Puschlav auf sich nehmen, ist Bäuerin Valentina Zanolari aus Campascio GR. Die Familie besitzt über 100 Bäume. Ihre Kastanienkonfitüre ist an Märkten und dem jährlich stattfindenden Kastanienfest Mitte Oktober sehr gefragt. Die gewässerten Früchte kocht sie rund 20 Minuten. Dann nimmt sie sie portionenweise aus dem heissen Wasser.
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«Für das Schälen schneide ich jede mit einem Küchenmesser beim Bödeli ein. So kann ich zuerst die Schale und dann das Häutchen abziehen», erklärt Valentina Zanolari. «Wenn es noch nicht klappt, gebe ich sie nochmals zurück ins heisse Wasser.» Hat sie keine Zeit für die weiteren Schritte, gefriert sie Früchte ungeschält oder geschält ein. Ansonsten püriert sie die Früchte in einem leistungsstarken Mixer, bevor sie sie in einer grossen, beschichteten Pfanne mit Zucker, Vanillesamen und etwas Wasser aufkocht. «Die Masse soll breiartig und homogen sein. Ist sie zu dick, gebe ich noch etwas Wasser dazu», beschreibt sie die Konsistenz, bevor sie noch wenig Kirsch dazu rührt und die Masse heiss in Gläser mit Schraubdeckel abfüllt. «Damit sich sicher ein Vakuum bildet, erhitze ich sie nochmals im Wasserbad.»
In der Schweiz sind Vermicelles ein beliebtes Dessert. In unseren Nachbarländern kennt man Coupe Nesselrode und Ähnliches hingegen kaum. Der Name Vermicelles leitet sich vom italienischen Wort «vermicelli» ab. Es steht für «kleine Würmer» und wurde ursprünglich für einen Teig aus dünnen, langen Fäden verwendet, der für Suppen gebraucht wurde.
Wer erfand die Vermicelles?
Wer Vermicelles «erfunden» hat, ist nicht ganz belegt. Im Inventar des kulinarischen Erbes Frankreichs wird ein Rezept aus dem Jahre 1542 erwähnt. Allerdings war Maronenkonfekt nur für Wohlhabende reserviert. Für die breite Bevölkerung in Anbaugebieten waren Kastanien ein Grundnahrungsmittel. Im Puschlav ass eine Person über 100 kg pro Jahr.
Wer Vermicelles selber herstellen möchte, folgt den ersten Verarbeitungsschritten von Valentina Zanolari. Nach dem Schälen müssen die Früchte allenfalls auf einem Dampfsieb weichgekocht werden. In einer zweiten Pfanne kocht man für 500 Gramm geschälte Kastanien rund 2 dl Milch, einen aufgeschlitzten Vanillestängel und die herausgekratzten Samen auf. Danach die gekochten Kastanien und etwa 100 g Zucker beifügen. Alles aufkochen. Vor dem Pürieren oder Passieren durch das Passe-vite unbedingt den Vanillestängel entfernen.
Sollte die Masse zu dick sein, noch etwas Milch beifügen. Vermicelles lassen sich tiefkühlen, am besten portionenweise. Wer es selber herstellt, kann es nach Belieben abrunden, etwa mit geriebenen Schokoladespänen, wenig Zimt, fein abgeriebene Orangenschalen, Kirsch, Cognac, Marc oder Grappa. Das Rezept kann auch mit 500 g tiefgefrorenen, geschälten Kastanien gemacht werden oder mit glasierten Kastanien, wie sie im Handel angeboten werden. Der ausgeprägte Karamellgeschmack gibt eine besondere Note.