In Zeiten von harscher Kritik an der Landwirtschaft, sei es wegen Klima- oder Umweltbedenken, scheint Hors-Sol eine Lösung für verschiedene Probleme zu sein: Das System braucht weniger Wasser und Dünger und liefert Gemüse für eine wachsende Bevölkerung (Weiterlesen). Man denkt bei Hors-Sol meist an Gewächshäuser, es geht auch anders, wie ein Besuch auf dem Gemüsebeet der Schweiz zeigt.
Dort steht auf einer freien Fläche zwischen Wohnhäusern ein weisses Skelett aus Plastik, etwa einen Meter über dem Boden. «Wir sind die Einzigen, die in der Schweiz Hydro-Salat unter freiem Himmel produzieren», erklärt Thomas Wyssa, der auf seinem Familienbetrieb in Galmiz FR eine breite Palette Gemüse kultiviert.
Eine doppelte Ernte
In einem Gewächshaus wäre die Produktion kontrollierter, da darin die Temperatur und Luftfeuchtigkeit regulierbar sind. Thomas Wyssa spricht aus Erfahrung, denn im Sommer betreibt er auch Hors-Sol unter Glas. Aber draussen zeigen sich ebenfalls Vorteile des Systems: «Wir brauchen etwa 60 Prozent weniger Dünger, 70 Prozent weniger Wasser und seltener Pflanzenschutzmittel. Ausserdem wächst der Hydro-Salat schneller als im Freilandfeld», meint der Gemüsebauer. So könne er die 0,45 Hektaren sechsmal belegen und somit doppelt so viel ernten wie auf dem Feld.
Er habe damals keine Möglichkeit für ein Hors-Sol-Gewächshaus gehabt, aber mit Hydro-Salat an den Markt gehen wollen, erklärt Wyssa seine Freiluft-Anlage, die er seit 2016 betreibt. Mittlerweile ist der so gezogene Trio-Salat ein wichtiges Standbein bei Wyssas.
Idee und Material importiert
Thomas Wyssa sah eine Hors-Sol-Produktion unter freiem Himmel zum ersten Mal in Belgien, von dort und aus Italien kommen auch die Einzelteile seiner Anlage. In den eckigen Rohren aus weissem Plastik zirkuliert Wasser, über das der Salat optimal mit Nährstoffen versorgt wird. Für die Berechnung der Mengen an Düngemittel gibt es ein Computer-Programm. Es errechnet je nach eingegebener Kultur den Bedarf und anhand von Messdaten aus dem Wasserkreislauf (Elektrolyt-Gehalt und pH-Wert) wird die richtige Mischung zusammengestellt. Das Rezept wird von automatischen Pumpen umgesetzt und der Hydro-Salat kann gedeihen.
Die Anlage ist robust
Anfällig sei das System nicht: «Ein Stromausfall wäre schlecht, aber Schnee im Winter oder Hagel machen die Rinnen nicht kaputt», erzählt Thomas Wyssa. Das weisse Plastik wird im Sommer nicht zu heiss und die Wasserversorgung der Kultur sei optimal. Vorteilhaft sei gerade bei starkem Regen der Abstand zum Boden. «Auch nach einem Gewitter ist der Hydro-Salat sauber, während wir bei Freiland-Salat aufwendig die Erde abwaschen müssen».
Problematisch ist Frost im Frühjahr, wie er 2019 auftrat. Bei den tiefen Temperaturen gefrieren die Wurzeln in den wassergefüllten Rohren und sterben ab. Die Pflanzen sind dann zwar nicht verloren, «es dauert aber etwa eine Woche, bis der Salat wieder wächst», so Wyssa. Die Pflanzen kommen als Setzlinge auf die Anlage. Sie bilden grössere Wurzeln als Salat im Freiland. Der Wurzelballen bleibt beim Verkauf dran, was die Haltbarkeit verbessert.
Hohe Investitionskosten, aber trotzdem interessant
Für den Anbau von Hors-Sol unter kontrollierten Bedingungen sieht der Gemüseproduzent ausser den hohen Investitionskosten keine Nachteile. Bei seiner Aussen-Anlage sind das Einpflanzen und Ernten des Salats Handarbeit, unter Glas liesse sich das automatisieren. Seiner Meinung nach lohnt sich diese Anbauform auch für kleinere Betriebe. «Ich habe für die 0,45 ha draussen etwa 160 000 Franken investiert.» Die Hors-Sol-Produktion an sich ist nicht billiger als jene im Freiland. Sie ist gleich teuer oder teurer. «Aber weil man mehr ernten kann, holt man die hohen Investitionskosten relativ rasch wieder auf». Das bedeute viel Ernte auf wenig Fläche, resümiert Thomas Wyssa. Die Amortisationsdauer betrage etwa zehn bis 15 Jahre.
Deklarationspflicht aufgehoben
Für die Pflanzen ist es kein Problem, ohne Erde zu wachsen – manche Konsumenten hingegen finden bodenlose Anbaumethoden unnatürlich.
Wahlfreiheit gewährleisten
In den Neunzigerjahren stand der bodenlose Anbau in der Kritik. Die Methode war damals neu und wenig bekannt, zudem bestanden Zweifel an der Wiederverwertung der Substrate.
Wegen der Skepsis gegenüber Hors-Sol hatten der Schweizerische Gemüseproduzentenverband (VSGP) und das Schweizerische Konsumentenforum (KF) beschlossen, diese Produkte entsprechend zu kennzeichnen. Es habe ein Bedürfnis nach Wahlfreiheit beim Einkauf bestanden, schrieb das KF 2016.
Kritik nicht mehr relevant
In der Zwischenzeit hat sich die Lage geändert und die Hors-Sol-Flächen in der Schweiz haben stark zugenommen. Die Deklarationspflicht ist 2016 aufgehoben worden mit der Begründung, dank des technischen Fortschritts und angepasster Praxis seien die Kritikpunkte von einst nicht mehr relevant. Vielmehr seien die ökologischen und ökologischen Vorteile dieser Anbauform heute unbestritten. Zudem könne der Konsument immer noch wählen, indem er nämlich Bio-Produkte kauft, wo Hors-Sol generelll verboten.
Bei den Besichtigungen, die auf dem Betrieb angeboten werden, waren die Reaktionen auf das Hors-Sol-Gemüse bisher positiv. Es gilt als ressourcenschonend und umweltfreundlich, was bei den Konsumenten gut ankommt. Das wäre auch ein Verkaufsargument. «Als wir den Salat selbst verpackten, haben wir darauf hingewiesen», erinnert sich Wyssa. Seit das Verpacken vom Abnehmer übernommen wird, ist das nicht mehr möglich.
Farbenfroher Anblick
Der Hydro-Salat wächst auf den Rohren umgeben von Wohnhäusern. Die Nachbarn störten sich aber nicht an der ungewöhnlichen Aussicht. «Wir kultivieren hier nicht nur Kopfsalat, sondern verschiedene Sorten. So wird das Ganze etwas farbig und sieht im Sommer richtig chic aus», bemerkt Thomas Wyssa mit einem Lächeln.