Der Heuballen ist für mich zu schwer, meldet mein Rücken. «Kind, bringst du mir bitte schnell den Sackkarren? Er ist im Tenn!» rufe ich und flitz ist er weg. Da hat sich die Uhr mit Schrittzähler zu Weihnachten gelohnt. Seither ist er hochmotiviert für mich hierhin und dahin zu flitzen. Anders als die beiden Älteren, die sich darin messen, wer mit weniger Schritten durchs Leben kommt. Ich fürchte, die Pubertät wird bald auch meinen Jüngsten dahingehend verändern. Kurz darauf ist mein Kind ohne Sackkarren zurück, schaut mich etwas konsterniert an und fragt: «Mama, was ist ein Tenn?»
Die Veränderungen auf dem Hof
In meinem Kopf arbeitet es, während ich ihm erkläre, wo auf unserem Bauernhof das Tenn ist. So ein Hof verändert sich. Während der Rossstall erst zum Schweinestall, dann zum Gustistall und heute zur Gerümpelkammer und zum Meerschweinchenstall wurde, veränderte sich auch die Bewirtschaftung des Hofes entsprechend. So kann sich der Jüngste nicht mehr daran erinnern, dass hier, wo wir heute den Meerschweinchen misten, einst die Rinder standen. Als dann später auch die stolzen Holsteinkühe auf dem Läger gegenüber auszogen, war er zwar schon auf der Welt, aber erinnern kann er sich nur noch dunkel an die Zeit, als wir noch Kühe hatten. «Mama, melkt man nöimen die Kühe am Morgen und am Abend oder nur einmal im Tag», fragte er mich neulich, als er einen Vortrag vorbereitete. Im Kuhstall leben schon seit ein paar Jahren die Ziegen von ihm und seinem Bruder. Wir machen es wie im Dählhölzli, mehr Platz für weniger Tiere. So haben heute die Meerschweinchen mehr Platz als früher das Pferd, das den Pflug durch die Felder zog und so half, die Familie zu ernähren. Gut, heute ist ein Meerschweinchen auch teurer als ein Kalb. Unsere Pferde hingegen leben das ganze Jahr im Offenstall, haben viel Platz und wenig Arbeit, husten nicht mehr vom Dampf und dem Heustaub, dafür ist ihnen manchmal langweilig. Zum Glück sind die Tiere nur Hobby, denn mit jedem Quadratmeter, den man misten muss, sinkt der Stundenlohn.
Der Konsument macht nicht mit
Bezahlen will das kein Konsument und mitmachen schon gar nicht. Seit Längerem suche ich eine Reitbeteiligung für ein Pony. Spätestens wenn die Kandidatinnen in ihren sauberen Turnschühchen anrücken und sehen, wie ein Pony aussieht, das nicht zugedeckt in der Box steht, sondern sich wälzen kann wo und wie es will, sind die wieder weg. Oder es scheitert daran, dass bei uns auf dem Hausplatz keine Bushaltestelle ist und man nicht weiss, wie man auf den Belpberg reisen könnte. Die Menschen sind heute sehr beschäftig, die Welt ist klein geworden und das Naheliegende doch oft unerreichbar. Wir suchen den Horizont nach einem Wunder ab und übersehen dabei die Blume am Wegrand. Ganz oft wäre weniger mehr. Doch das Allerwichtigste sind die Menschen, die wir ohne Scham fragen können, wo eigentlich das Tenn ist. Wissen kann man nicht alles selber. Darum fragen wir den Arzt, wenn wir Bauchschmerzen haben, den Heizungsmonteur, wenn wir kalte Füsse haben, den Zimmermann, wenn uns die Decke auf den Kopf fällt und den Landwirt, wenn wir wissen wollen, wo die Bratwurst und der Salat herkommen. So sollten wir uns nicht ärgern, wenn jemand etwas nicht weiss, sondern froh sein, dass er fragt, bevor er urteilt. Und vielleicht sollten wir uns überlegen, warum ihm das vorher eigentlich noch niemand erklärt hat.