Uh, wie hat sich letzte Woche unser Jüngster gefreut, dass Singen ausserhalb der Familie nicht mehr erlaubt ist. Der Musikunterricht in der Schule ist ihm zuwider und unsere Familie nicht gesangserprobt. Es sei denn, ich sitze alleine im Auto und singe lauthals mit. Aber dieses Gejaule gesangserprobt zu nennen, wäre übertrieben. Masslos übertrieben.
Die Laune sinkt augenblicklich in den Keller, als Sohnmann mitkriegt, dass Singen in der Familie und (!) in der obligatorischen Schule erlaubt ist. «Das hätten die auch verbieten sollen, und zwar für immer», mault er.
Das Virus erkennt, wo es wüten darf und wo nicht
Moment mal. Singen nur in Familien und Schulen? Das bedeutet ja, dass in Kitas, Tagesfamilien und Tagesschulen Singen ebenfalls verboten ist. Wow, das Virus ist schlauer als gedacht. Singen die Kinder beim Schulmittagstisch, verbreitet es sich also. Es wartet aber brav vor der Türe, wenn die Kinder anschliessend ins Singzimmer zum obligatorischen Singunterricht gehen. Clever, das Virus.
Die Politiker gehen als schlechte Vorbilder voran
Die Welt ist verkehrt. Sohnemann muss singen, Kitakinder dürfen nicht und andernorts sollten sie nicht und tun es trotzdem. Erklär das mal einem Kleinkind, wenn es nicht mal die Politiker in Bern in der Ochseschüür, wie Ueli dr Schribchnächt das Bundeshaus nennt, kapieren. Denn da wurde gefeiert. Mit Gesang und Blasmusik. Dabei weiss jedes Kind, dass dadurch die Aerosole im ganzen Raum verteilt werden. Tolle Vorbilder.
Die Selbstverantwortung ist beim Skilift gefragt
Während also in der Ochseschüür gefeiert wurde, bangten die Skigebiete um ihr Weihnachtsgeschäft. Dann die Erlösung, die Skigebiete bleiben auf. Es wird auch an die Selbstverantwortung der Bevölkerung appelliert, beim Anstehen die Abstandsregeln einzuhalten. Mich freuts auf die Piste gehen zu dürfen (aber erst nach den Feiertagen). Ich hoffe jedoch, dass die dann nicht geschlossen wurden, weil über die Feiertage die Bevölkerung beim Anstehen an den Bahnen und beim in die Beiz drängen wollen, genauso wenig Selbstverantwortung an den Tag legten wie die Politiker in Bern.
Wenn es heisst: Achtung Rabatt - geht die Angst plötzlich flöten
A propos Selbstverantwortung. Hofläden verzeichnen höhere Besucherfrequenzen und Umsätze, weil die Grossverteiler aus Angst gemieden werden. Der Onlinehandel boomt so stark, dass die Pöstler kaum noch nachkommen, Pakete auszuliefern. Steht aber eine Rabattschlacht an, geht alle Vorsicht vergessen. Während man sich im Privaten nur zu zehnt treffen darf, pilgern am Black Friday Tausende in die Einkaufsmeilen. Ach ja, da wird ja nicht gesungen … Es kommt noch besser. Die Migros wurde vergangenen Samstag überrannt, weil es bei der aktuellen Murmelsammlung eine Spezialausgabe zu holen gab. So weit haben uns die Massnahmen und Verbote rund um Corona also schon gebracht. Die Bevölkerung ist so hungrig nach Erlebnis, dass eine langweilige Murmel einen solchen Hype auslösen kann.
Das Hirn wird auch angegriffen
Und, wenn ich dann noch lese, dass der deutsche Chefvirologe Drosten bereits von einer neuen Pandemie nach Covid-19 warnt, bleibt mir, auch alleine im Auto sitzend, das «Oh du fröhliche..» zuhinterst im Halse stecken. Der soll doch einfach forschen, das Maul halten und wenn Mers dann wirklich da ist, parat sein und seine Ergebnisse zur Bekämpfung hervorbringen. Aber nein, die Corona-müde Bevölkerung muss noch mehr verunsichert werden. Eines ist wohl klar: Das Coronavirus selbst ist schlauer als gedacht und macht vor dem Schulzimmer halt. Die Krankheit Covid-19 verursacht aber nicht nur Schäden an der Lunge, sondern greift offensichtlich bei einigen auch das Hirn an. Und zwar massiv.