«Wir müssen mehr weiden und vor allem früher», sagt Urs Chrétien und schaut zum Fenster hinaus. Eben noch schien die Sonne – jetzt regnet es bereits wieder. Es ist ein garstiger Tag, an dem wir den frisch pensionierten Projektleiter der Kulturlandaktion Hase und Co. von Pro Natura Baselland in der Wirtschaft im solothurnischen Aedermannsdorf treffen. Er sitzt am Tisch mit zwei Landwirten aus der Region. Jost Meier aus Herbetswil und Benedikt Eggenschwiler aus Aedermannsdorf kennen Chrétien schon eine ganze Weile. Der Grund dafür ist der Brandberg.

Ein Farnproblem auf dem Brandberg

«Vor drei Jahren hat man uns auf die Projekte von Pro Natura Baselland aufmerksam gemacht», erinnert sich Benedikt Eggenschwiler, Präsident der Brandberggemeinde. Bis dato kämpfte die Alpgenossenschaft im Hinteren Brandberg mit einem Farnproblem. Ganz neu war das allerdings nicht, denn der Ort, der geradezu von Farn überwuchert war, hatte auch den Namen von der Sporenpflanze erhalten – Farnrain. Zum Vorderer und Hinteren Brandberg, der auf Boden der Gemeinde Herbetswil liegt, gehören 330 ha Fläche. Rund die Hälfte davon ist Sömmerungsweide.

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Der Hang soll wieder der Sömmerung dienen

Während im oberen Teil des Farnrain Farn selbst das grosse Problem darstellte, war der untere Teil lange Zeit bereits von Stauden und Bäumen überwachsen. Die Bauern waren sich einig, der Hang solle entbuscht werden und so auch wieder der Sömmerung dienen. «Wir verfolgen die gleichen Ziele wie die Bauern – wir wollen Flächen erhalten», erklärt Urs Chrétien. Und genau hier unterstützt Pro Natura Baselland auch mit Fördergeldern. Das Programm Hase und Co. solle massgeblich dazu beitragen, dass solche Flächen, die nicht im Mehrjahresprogramm sind, aufgewertet werden können, wenn denn auch tatsächlich ein ökologischer Wert vorhanden sei. «Wir machen etwas, das von Dauer sein soll. Das Geld, das zur Verfügung gestellt wird, muss einen längerfristigen Nutzen haben», sagt er. Und im Fall des Brandbergs war man sich schnell einig – diese Fläche hat einen hohen ökologischen Wert.

«Die Verbuschung ist ein grosses Problem.»

Urs Chrétien, pensionierter Projektleiter Pro Natura Baselland

Klare Arbeitsteilung führt zum Ziel

Das Credo ist Zusammenarbeit. Während das Hirtenpaar Schaggi Vogt und Rahel Degen, die den Alp- und Landwirtschaftsbetrieb Hinter Brandberg mit dazugehörender Bergwirtschaft seit April 2020 bewirtschaften, die obere Fläche mähen, pflegt im unteren Teil Pro Natura. Das wolle man über mehrere Jahre aufrechterhalten; «dass wir sicher sein können, dass der Farn nachhaltig zurückgedrängt wurde», sagt Urs Chrétien. Damit ist viel Aufwand verbunden. So leisten beispielsweise zwei Pensionierte rund 600 bis 700 Stunden jährlich alleine mit Mähen. Die Bauern der Brandberggemeinde erledigen viel Arbeit selbst. «Es braucht beiden Seiten, auch die Bauern zahlen mit», sagt Jost Meier, der von Kosten von rund 30 000 Franken spricht. Pro Natura hat in etwa die gleiche Summe in die Wiederherstellung des Farnrains investiert.

Chrétien geht in Pension

«Ich habe grossen Respekt vor der Arbeit der Bauern. Gerade in dieser Zeit, wo man nie richtig weiss, in welche Richtung es landwirtschaftspolitisch geht», sagt Urs Chrétien mit Blick auf die Agrarpolitik. «Die ganze Bürokratie und die vielen Ansprüche nicht zu vergessen», ergänzt er. Er weiss, dass die Bauernfamilien den Naturschutzorganisationen gegenüber eher kritisch eingestellt sind. «Naturschützer haben lange gesagt, man solle an solchen Flächen möglichst wenig machen – dann habe man Natur», erinnert sich der pensionierte Projektleiter. An solchen Flächen wie dem Farnrain sehe man nun aber deutlich, dass wenig machen nicht zwingend richtig sei. «Die Verbuschung ist ein grosses Problem. Wir müssen früher und mit mehr Tieren auf solche Flächen», bilanziert Chrétien. In diesem Sinne habe auch im Naturschutz ein Umdenken stattgefunden.

Mehr Kleinvieh wäre wünscheswert, wenn da der Wolf nicht wäre

«Wichtig ist, dass die Weiden gut bestossen sind. Dabei spielt auch die Art der Tiere eine grosse Rolle. Rinderrasse und Alter sind aufgrund des Gewichts und des Fressverhaltens entscheidend. Mehr Kleinvieh wäre zudem wünschenswert. Aber da bekommen wir ein Problem mit dem Wolf», so Urs Chrétien. Und obschon man merkt, dass ihm die Natur sehr am Herzen liegt, hinterlässt der Baselbieter nicht den Eindruck eines eingefleischten Naturschützers, der die Bauern nicht versteht. Mit ein Grund dafür dürfte seine langjährige Alperfahrung sein. Aber nicht nur. «Diskussionen gibt es immer, die Frage ist einfach, wie man sie führt. Es braucht den gegenseitigen Respekt. Wenn ich etwas nicht vertrete, dann mache ich meine Arbeit nicht richtig. Dennoch muss ich fragen, was denkt mein Gegenüber, was will er oder sie», erklärt Chrétien.

«Hier ist es einfach schön»

«Mit Urs konnte man immer diskutieren», sagt Benedikt Eggenschwiler, als Chrétien kurz den Tisch im Gasthof Schlüssel von Aedermannsdorf verlässt. «Wir hoffen, dass es mit seinem Nachfolger auch so wird», ergänzt Jost Meier. Denn die Zusammenarbeit mit Pro Natura Baselland soll noch weitergehen. Urs Chrétien kommt zurück, er schaut aus dem Fenster – es regnet immer noch. «Hier im Solothurner Thal ist es einfach schön. Ich komme künftig einfach als Tourist», sagt er und lächelt.