«Wir durften für nächstes Jahr wieder einmal einen Lehrvertrag unterschreiben!» Die Freude bei Metzgermeister Claudio Stauffer und seiner Frau Ursula aus Kernenried im Berner Mittelland ist gross. Noch vor ein paar Jahren wurden in Stauffers Landmetzg vier Lernende gleichzeitig ausgebildet. Doch diese Zeiten sind längst vorbei.

Dass der Lehrlingsmangel nicht an Stauffers Können als Ausbildner und Chef liegt, beweisen die langjährigen Mitarbeitenden des Betriebes. So ist derjenige Mitarbeiter mit der kürzesten Dienstzeit seit 15 Jahren bei Stauffers angestellt, der Älteste seit 45 Jahren. Bei ihm flitzte der heutige Betriebsleiter bereits als Fünfjähriger mit dem Plastikmesser in der Metzgerei umher. Eigentlich wäre dieser Mitarbeitende bereits pensioniert. Doch wegen des Fachkräftemangels steht er immer noch täglich im Betrieb.

Wertschätzung ist wichtig

«Unser Betriebsklima stimmt», bilanziert Claudio Stauffer. Und zwar so gut, dass drei Mitarbeitende den Wunsch äusserten, gemeinsam in die Ferien zu fahren. So etwas kann das Tagesgeschäft eines kleinen oder mittleren Unternehmens, wie Stauffers Landmetzg eines ist, zum Erliegen bringen. Um dem Mitarbeiterbedürfnis nachzukommen, führten Stauffers kurzerhand Betriebsferien ein. Flache Hierarchien, Wertschätzung, eine gute, aber nicht übermässig digitalisierte Infrastruktur, verkürzte Ladenöffnungszeiten – wegen der Mitarbeitenden –, all das ist Claudio Stauffer enorm wichtig. Er betont mit Nachdruck: «Das Grundgerüst dieser Metzgerei war immer familiär – solange wir verantwortlich sind, bleibt das auch so.»[IMG 3]

So begann alles

Stauffers Landmetzg wurde 1954 von Claudio Stauffers Grosseltern Ruedi und Verena gegründet. 1974 übernahmen Urs und Rosmarie den Betrieb und gaben ihn 2005 an ihren Sohn Claudio und dessen Frau Ursula weiter. Noch immer hilft der 78-jährige Senior fast täglich im Betrieb aus.

Vieles hat sich mit den Jahren verändert, der Betrieb wurde mit Photovoltaikanlage, Wärmerückgewinnung und Fernwärmeanschluss klimafreundlich. Auch beim Tagesgeschäft gab es Änderungen. Was bei den Eltern Stauffer mit einem kleinen Angebot an pfannenfertigen Produkten begann, hat sich stark entwickelt. Heute verkaufen Stauffers in Weckgläsern zahlreiche Gerichte. Darunter auch ein vegetarisches Linsen-Curry. Verkauft wird, was die Kundin wünscht.

Betriebsspiegel Stauffers Landmetzg

Claudio und Ursula Stauffer

Ort: Kernenried
Mitarbeitende: 7
Angebote: Frischfleisch und Wurstwaren, pfannenfertige Gerichte, Käse- und Milchprodukte, Spezialitäten aus der Rauchküche, Fleischfondueplatten, Fleisch- und Käseplatten, Party-Service
Kunden: Private, Gastronomie, Spitäler, Altersheime, Vereine, Berufskollegen, Militär, Wiederverkäufer, Metzgercenter

Die Zeiten ändern

Claudio Stauffer erzählt lebendig von seinem Alltag, nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Er beschreibt, wie kurzfristig teilweise Bestellungen und Anfragen eingehen würden. «Es ist speziell, wie ‹spontan› die Menschen heutzutage sind» und welche Ausnahmen sie für sich beanspruchen möchten.» Jemand müsse das aber ausbaden – und das seien er und seine Mitarbeitenden. Wenn der Metzgermeister aber eine Anfrage ablehne, sei wenig Akzeptanz vorhanden.

Zaubern ist nicht möglich

Er macht deutlich: «Ich weiss, was wir leisten, was wir möglich machen können und was nicht.» Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden deshalb jährlich angepasst. Zudem lehnt Claudio Stauffer vermehrt auch einmal einen Auftrag ab. Das Zauberwort der Zukunft heisse Nein. «Wir können nicht zaubern.» Die Leute müssten immer wieder ein Nein erfahren, um das Planen und Bestellen neu zu lernen, betont er.

Auch sonst hat sich Claudio Stauffers Alltag verändert. «Ich bin viel mehr im Büro», sagt er und ergänzt mit sarkastischem Unterton: «Ich bin stolzer Besitzer von 50 Logins. Lohnmeldungen für die AHV, Steuerformulare usw. – alles muss ich selbst eintöggelen.» Ein Umstand, der ihn sichtlich nervt. Denn auch ohne Login müsse es möglich sein, eine Kundenbeziehung zu pflegen, ist er der Meinung.

Trotz vieler Änderungen ist eines geblieben: der hohe Qualitätsanspruch. Claudio Stauffer hat den Schlachtprozess ausgelagert. Sein Rohfleisch bezieht er als Tierhälften von einem Berufskollegen. Dies habe den Vorteil, dass er immer dieselbe Qualität bezüglich Fleischigkeit und Fettigkeit bestellen könne. Ein Umstand, der die Weiterverarbeitung, etwa zu Wurstwaren, enorm erleichtere, erzählt der Metzgermeister.

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Wurstwaren für andere

Während Stauffers Landmetzg nicht mehr schlachtet, tun dies andere Metzgereien noch, stellen aber die Wurstwaren nicht mehr selbst her. Das kommt für Claudio und Ursula Stauffer nicht infrage. Das Paar sieht in der Eigenproduktion den Vorteil, dass bei Bedarf schnell reagiert und in grosser Sortenvielfalt produziert werden könne. Bei Zugekauftem sei das Gewünschte oft nicht lieferbar. Und wieder kommt die Qualität zur Sprache: «Ich kann als Rohmaterial verwenden, was ich drin haben möchte», erklärt der Metzger.

Arbeit nimmt zu

«Qualität ist unser Credo, nicht nur beim Fleisch. Unsere Lieferungen sind zuverlässig. Das ist für mich relevant», betont der Betriebsleiter. Und so was spricht sich offenbar herum. Stauffers haben in den letzten Monaten viele Kunden einer Metzgerei dazugewonnen, die geschlossen wurde.

Der Erfolg hat aber auch Schattenseiten, das verschweigt das Paar nicht. Mehr Umsatz mit demselben Personalbestand zu stemmen, gehe an die Substanz. Auch deshalb lehnt Claudio Stauffer vermehrt Anfragen ab. Er begründet dies so: «Ich will meine Leute nicht verheizen.» Denn die Suche nach weiterem Fachpersonal gestalte sich schwierig. Ursula Stauffer erklärt: «Inserate und Plakate bringen nichts, da findest du niemanden. Die Zukunft sieht zappenduster aus.»

Keine Nachfolge in Sicht

Sowohl Claudio Stauffer als auch seiner Frau Ursula ist klar, dass ihr Betrieb später nicht familienintern weitergeführt wird. Keines der vier Kinder zeigt Interesse. «Für uns stimmt es so, mit den vielen geleisteten Arbeitsstunden», erklärt der Betriebsinhaber. Beide haben Wege gefunden, um in der spärlichen Freizeit Kraft zu tanken. Die Kunden zudem mit dem Party-Service und den Weckgläsern begeistern zu können, sei auch Antrieb, um weiterzumachen.

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