Vier Bauernhäuser, eine Schmiede, eine Wagnerei, ein Restaurant und ein Laden – so präsentiert sich heute die Wäckerschwend. Eingebettet zwischen den Wynigen-Bergen und der Oschwand, in einer einzigartigen Hügellandschaft, hätte man hier auch gut einen Gotthelf-Film drehen können, so idyllisch präsentiert sich das kleine Bauerndorf. Auf 740 m ü. M. führten hier Eva und Fritz Wälchli fast 40 Jahre lang ihren Betrieb. Einen Betrieb, der seit der 12. Generation im Besitz der Familie Wälchli ist. Heute führt ihr Sohn den Bauernhof mit Ackerbau und Viehzucht weiter.
[IMG 2]
Eine Zeitreise zurück
Die BauernZeitung macht mit Wälchlis eine Zeitreise zurück, zurück an den Ort, wo alles begonnen hat. Eine Reise zurück in eine Zeit, als die Mechanisierung in der Landwirtschaft Fahrt aufnahm, als der Liter Milch für Emmentalerkäse über einem Franken lag und 100 kg Weizen für die Bauern mehr als 100 Franken einbrachten.
Im Stöckli neben dem Bauernhaus haben wir uns verabredet, dort verbringen Fritz und Eva Wälchli ihren Lebensabend. Mit dabei ihre älteste Tochter Monika Neuenschwander, die ihre Eltern so viel wie möglich besuchen kommt. In der heimeligen Wohnstube liegen auf dem Tisch die alten Fotos schon parat, die brauchen wir jetzt, denn wir tauchen ein in eine Zeit, wo das Bauern noch ganz anders war.
[IMG 3]
Geschrieben in einer Chronik
Fein säuberlich hat Fritz Wälchli die alten Geschichten von der Wäckerschwend in einer Chronik aufgeschrieben. Darin sind Geschichten zu lesen, wie es früher war, als es auf der Wäckerschwend noch keine Käserei gab.
Im Spätherbst seien jeweils die Küher-Familien von der Lushütte und der Arnialp aus dem Emmental zu Fuss mit ihren Kühen zum Überwintern auf die Wäckerschwend gekommen. Damals lag der Schnee noch meterhoch, Minustemperaturen waren an der Tagesordnung. In den Jahren 1829 / 1830 sei es so ein kalter Herbst und Winter gewesen. So kalt, dass den Kühen der Küher-Familien während des Fussmarsches auf die Wäckerschwend richtige Eiszapfen an den Mäulern gewachsen seien.
Erst als das Käsefieber ausbrach, nahm die Küher-Zeit ein Ende. 1870 habe der Urgrossvater von Fritz Wälchli eine Käserei auf der Wäckerschwend bauen lassen, vorher habe man nur im Keller des Wälchli-Stöcklis Käse gemacht. Seit 22 Jahren gibt es diese Käserei aber nicht mehr, seither bringen die Bauern ihre Milch in die Käserei Oschwand, wo daraus dann Emmentalerkäse hergestellt wird.
[IMG 4]
«Mein Vater wollte das so»
In den 1950er-Jahren sind sich Fritz und Eva Wälchli das erste Mal begegnet. «Kennengelernt haben wir uns am Burgdorfer-Märit 1959», erinnern sie sich. Nun schauen sich beide an, ein Grinsen huscht über ihre Gesichter. «Am Abend nach dem Märit gab es im Bären immer noch Tanz, da sah ich ihn zum ersten Mal», erzählt Eva Wälchli die Geschichte. Blutjung sei sie mit 17 Jahren damals gewesen und eigentlich noch nicht auf der Suche nach einem Mann. Der damals 22-jährige Fritz Wälchli liess aber nicht locker, zu sehr habe ihm damals das junge Mädchen gefallen. Und warum wollte sie gerade einen Bauern? «Das war früher so. Wir Bauerntöchter heirateten einfach einen», sagt Eva Wälchli, während sie in einem alten Fotoalbum rumstöbert.
«Nein, ich hätte mich meinem Vater gegenüber nie getraut, nicht einen Bauern nach Hause zu bringen», sagt sie nachdenklich. Sie, die als Bauerntochter auf der Hirschegg in Heimiswil aufgewachsen ist, hat mit Fritz Wälchli aber den Richtigen getroffen. «Wir haben es immer gut gehabt, vier Kinder grossgezogen und den Betrieb in all den Jahren vorangebracht», nickt das Ehepaar zufrieden am Stubentisch.
[IMG 5]
Für 700 Franken geheiratet
1964 haben sie auf der Moosegg im Emmental geheiratet. Nicht nur zum Znacht, sondern auch zum Zmittag sei die Hochzeitsgesellschaft eingeladen worden. «Meine Frau und ich haben danach noch im Hotel übernachtet», erzählt Fritz Wälchli das Erlebte. 700 Franken habe damals die ganze Hochzeit gekostet, mit 32 geladenen Gästen, dem Mittag- und dem Abendessen sowie der Übernachtung. «Die Rechnung habe ich noch», sagt Eva Wälchli, und schon huscht sie davon und sucht das Beweisstück in einem alten Briefumschlag. Mit dem Auto sei es später auf die Hochzeitsreise gegangen. «Über den Grossglockner bis hinunter nach Venedig sind wir gefahren», schwärmen beide heute noch.
Noch viel Handarbeit
21 Hektaren Land, 11 Hektaren Wald, 20 Simmentalerkühe und 4 Pferde – so wurde in den 1950er-Jahren auf der Wäckerschwend gewirtschaftet. An den stotzigsten Hängen habe man Kartoffeln und Getreide angepflanzt. Vom Bund gab es damals noch eine Anbauprämie und auch das Schlachtvieh wurde mit einer Ausmerzprämie unterstützt.
«Die Kartoffeln haben wir mit dem Schüttelgraber ausgegraben, die Knollen von Hand aufgelesen», weiss Fritz Wälchli noch. Das Getreide wurde mit einer Pferde-Sämaschine gesät, das Gras für die Kühe noch jeden Morgen von Hand gemäht. «Die Pferde kamen fast täglich zum Einsatz», so der Landwirt. Im Kuhstall standen reine Simmentalerkühe, gemolken wurde von Hand. Und warum hat man damals die Kühe nicht draussen geweidet? «Das war einfach so. Es gab keinen Viehhüter und man hatte Angst, dass die Kühe zu viel Schaden auf den Wiesen anrichten könnten», sagt der Bauer. Höchstens im Herbst habe man sie weiden lassen, erst in den 1960er-Jahren sei die Weidewirtschaft richtig aufgekommen.
[IMG 6]
500 Franken Lohn
Angestellt bei den Eltern von Fritz Wälchli, hatte das junge Paar am Anfang nicht viel gehabt: «500 Franken Lohn plus Kost und Logis hatten wir», erinnert sich die Bäuerin zurück. Viel zu wenig, um mit der grossen Kelle anrühren zu können, viel zu wenig, um etwas Geld auf die Seite zu legen. Mit ihren 21 Hektaren zählte die Wäckerschwend damals aber zu den Grossbetrieben. Vom Melker über den Karrer bis hin zur Magd – ja, auf der Wäckerschwend gab es immer etwas zu tun. «Am Tisch waren wir immer zwischen zehn und zwölf Personen», sagt Eva Wälchli, die es damals nicht leicht hatte mit ihrer Schwiegermutter. Der Stubentisch sei über drei Meter lang gewesen – lang genug, um alle Angestellten und Familienmitglieder beherbergen zu können.
Auf dem Hof geschlachtet
Zur Familie gehörte auch Marta Hofer, eine leicht behinderte Frau, die als 17-jähriges Mädchen aus dem Sonderschulheim Sunneschyn in Steffisburg zu ihnen auf den Hof kam und 56 Jahre lang, bis sie erblindete, auf der Wäckerschwend gelebt und mitgeholfen hat. So gab es damals viele Mäuler zu stopfen: «Wir waren quasi Selbstversorger», sagt Eva Wälchli.
Ab und zu habe man auch eine Kuh auf dem Hof schlachten lassen, erst recht, wenn diese ein Versicherungsfall war. «Damals haben wir noch fast von jeder kranken Kuh das Fleisch gegessen», erinnert sich der Landwirt zurück. Da spielte es keine Rolle, ob sie wegen Pansenblähung oder Geburtsschwierigkeiten geschlachtet werden musste. Aber nicht nur das: Auch vom Bund sei es damals vorgeschrieben gewesen, dass man einen Notvorrat von 100 kg Mehl auf dem Hof anlegte.
[IMG 7]
Viele Bettler und Hausierer
Nicht nur die eigenen Leute und die vielen Angestellten mussten damals verköstigt werden. Fritz Wälchli kann sich noch daran erinnern, dass früher auch ein Bettlerweg zu ihnen auf die Wäckerschwend führte. Die armen Leute oder eben die Bettler seien damals den Weg entlanggekommen und haben an den Bauernhäusern angeklopft. «Wir gaben ihnen meistens eine warme Suppe, ein grosses Stück Brot und liessen sie im Stroh schlafen», so der Landwirt.
Aus Sicherheitsgründen habe man ihnen vorher noch ihre Feuerzeuge abgenommen. «Das waren Leute, die heute unter der Brücke schlafen würden», erzählt das Ehepaar und sinniert in die Vergangenheit zurück. Auch die vielen Hausierer mit ihrem «Gerümpel», Pfannen und Geschirr, welches sie den Bauersfrauen verkaufen wollten, seien früher noch mit ihren Karren von Hof zu Hof gezogen.
Mit Benzin und Petrol
1967 konnte das junge Paar endlich den Betrieb von den Eltern übernehmen. Von da an hatten sie das Sagen auf der Wäckerschwend. Immer noch blieb die Milchwirtschaft der wichtigste Betriebszweig, hingegen hielt auch die Mechanisierung Einzug. «1953 hat mein Vater seinen ersten Traktor gekauft, einen Bührer», weiss Fritz Wälchli noch. Dieser Traktor funktionierte mit Benzin und Petrol. Gestartet wurde mit Benzin, nach dem Warmlaufen schaltete man auf Petrol um. «Damals war Petrol viel billiger als Benzin und man verwendete dieses nur zur Starthilfe», erklärt der Landwirt die Technik.
Ende der 60er-Jahre haben dann Fritz und Eva Wälchli «ihren» ersten neuen Traktor gekauft. «Es war ein nigelnagelneuer Ferguson, der 30 000 Franken gekostet hat», erinnert sich das Ehepaar zurück. Nicht nur draussen, sondern auch im Stall gab es Veränderungen: Das Einkreuzen mit Red Holstein hielt auch bei ihnen Einzug. «Die Simmentalerkühe liessen sich damals schlecht melken und man erhoffte sich mit den Red-Holstein-Kühen eine bessere Melkbarkeit und eine höhere Milchleistung», so der heute 85-jährige Altbauer.
[IMG 8]
Rösti zum Frühstück
Schweifen wir noch einmal zurück, als Eva und Fritz Wälchli 18 respektive 23 Jahre alt waren. «1960 habe ich die Autoprüfung bestanden», sagt Eva Wälchli stolz. Ihr Vater habe es damals so gewollt, nicht üblich für ein 18-jähriges Bauernmädchen. «In Bern, am Bärengrabenstutz, musste ich mit dem Auto an der Prüfung rückwärts einparken», weiss sie noch. Später habe sie am Waldhof in Langenthal die Bäuerinnenschule besucht. Auch Fritz Wälchli absolvierte am Waldhof die Landwirtschaftsschule. «Das war eine schöne Zeit mit toller Kameradschaft», erinnert er sich gerne zurück. Wenn zum Frühstück Rösti auf den Tisch kam, hiess das am Vorabend für die ganze Klasse, Kartoffeln dafür zu schälen.
Im Militär sei er ein begeisterter Dragoner gewesen. «1957 absolvierte ich die Kavallerie-Rekrutenschule», schwärmt Wälchli mit leuchtenden Augen. «Während meiner ganzen militärischen Karriere und während meiner Zeit als Bauer hatte ich immer Freude an den Pferden», hält er fest. Heute sind Fritz und Eva Wälchli 85 beziehungsweise 80 Jahre alt. Sie blicken gerne auf eine Zeit zurück, als die Landwirtschaft noch anders war. Anders, als noch viel von Hand gearbeitet wurde, aber dennoch eine grosse Aufbruchstimmung herrschte.