Während man in der Schweiz feine Cornets schleckend die Füsse ins kühle Nass hält, flächendeckend der Geruch von leicht angesengtem Cervelat in der Luft hängt und Menschen massenweise die freie Natur oder die vielen Badis, Garten-Beizli und Parks aufsuchen, frieren wir hier in Argentinien.
Kalte argentinische Winter
Das Leben ist nicht fair. Wir froren im ersten argentinischen Winter weit mehr als je zuvor in der Schweiz. Das liegt in erster Linie aber nicht nur an den Wintertemperaturen, die an unserem neuen Wohnort auch mal unter null sein können. Sondern an den schlecht isolierten Häusern und einfachen Heiz-Einrichtungen. Doppelverglasung ist hier ein echter Luxus und Bodenheizung auch.
Meist gibt es in den Behausungen, wo man ohne Probleme einen Karton zwischen Türe und Türrahmen schieben kann, nur einen kleinen Holzofen, genannt Salamandra. Das Füllvolumen ist so gering, dass man den ganzen Tag damit beschäftigt ist, neue Holzscheite nachzuschieben, denn kurze Zeit nach Erlöschen des Ofens fällt die Zimmertemperatur rasch in Richtung Aussentemperatur.
Acht Holzöfchen
In unserem ersten argentinischen Winter versuchten wir den ganzen Tag über, die vielzähligen Holzöfchen in Gang zu halten. Insgesamt gibt es bei uns acht Stück. Die übrige Zeit waren wir damit beschäftigte, Holz zu beschaffen, zu spalten und in beladenen Bananenschachteln herbeizukarren. Doch am Morgen war es wieder überall kalt und der Stress begann von neuem. Und zwar so lange, bis wir die Schweizer Vorstellung aufgaben, in allen Räumen wohnliche Temperaturen haben zu wollen.
Nun haben wir die argentinische Weise adaptiert, die darin besteht, tagsüber nur die Gemeinschaftsküche zu heizen und dann am Abend die Stube. Die Schlafräume sind unbeheizt und es kann vorkommen, dass dort nur noch zehn Grad herrschen. Das Badewasser wird ebenfalls mit Holz erhitzt, denn die Sonnenkollektoren liefern nur im Sommer warmes Wasser. Was für ein Paradoxon. Man überlegt es sich zweimal, dies in Anspruch zu nehmen, nicht nur wegen des Aufwands, sondern auch, weil das Bad unbeheizt ist.
Wir helfen uns in solchen Fällen mit kleinen, mobilen Gasöfen aus, um für kurze Zeit die Erinnerungen an die Schweiz aufleben zu lassen. So wird ein mit Holz befeuerter Jacuzzi, den unsere Vorbesitzer einbauten, zu einem richtigen Wellness-Erlebnis.
Sonnenreicher Winter
Was sich wie ein sehr spartanisches Leben anhört, ist an sich ein effektiver Weg, sehr viel Energie zu sparen. Wir verbrauchen nur noch sehr wenig Holz und verbringen die freigewordene Zeit damit, zusammen ums Feuer zu sitzen, Mate (traditionelles argentinisches Teegetränk) zu trinken. Und uns dabei die täglichen Erlebnisse mit Menschen, Tieren und der Natur zu erzählen. Davon gibt es viele, denn die argentinischen Winter sind voller Sonnenschein und laden dazu ein, viel Zeit draussen zu verbringen. Zudem gibt es viele Arbeiten, die man besser jetzt erledigt, bevor einen die sommerlichen Mittagstemperaturen in die Siesta verbannen.
Erst hier wurde uns bewusst, wie viel Ressourcen man in der westlichen Welt verwendet, um praktisch in allen privaten und öffentlichen Räumen eine wohlig warme Temperatur zu haben. Viele Wohnräume stehen tagsüber leer, da die Bewohner auswärts arbeiten. Ganztags und überall 20 Grad und mehr – was für ein Energiesparpotenzial! Und gesund sei es ja auch, bei tieferen Temperaturen zu schlafen.
Einfaches Leben geniessen
Frieren für die Umwelt! – ertönen die Rufe der Politiker. Zurück zu Grossmutters Zeiten, werden die Opponenten entgegenhalten. Es wäre sicherlich nicht leicht, freiwillig auf einen Luxus zu verzichten fürs Gemeinwohl. Aber mal ganz ehrlich, ein bisschen «zurück zu einem einfacheren Leben» hat auch seinen Reiz. Wir haben uns inzwischen an die etwa sechs bis acht Grad tieferen Zimmertemperaturen gewöhnt und sind wohl wieder zu jenen kälteresistenten Naturmenschen mutiert, welche man in uns Schweizern schon von Anfang an sah.
Zur Person
Mit 40 Jahren wechselte Egon Tschol von seinem Beruf als Finanzanalyst in die Landwirtschaft und übernahm 2009 einen Betrieb von elf Hektaren im schaffhausischen Klettgau. Er stellte auf Demeter und Mischfruchtanbau um. Mit Ehefrau Bea und denzwei Töchtern Fiona und Zoé sowie sechs Pferden wanderte er 2020 nach Argentinien aus, um die erlernte regenerative Landwirtschaft auf einer 15-mal grösseren Fläche uneingeschränkt anzuwenden.