Im Kloster Fahr gibt es einen Showroom. Mittendrin steht ein grosser Tisch, über den die Sonne gerade eine Lichtspur zieht. Zoe Wüst öffnet eine Schublade, und der Strahl fällt auf die handgewebten Stolen darin. Edel wirken sie auf den ersten Blick, doch sie sind mehr als einfach schön: Die sogenannten Paramente werden bei kirchlichen Handlungen verwendet. Im Showroom schimmern in satten Farben Stolen und Kelchtücher, Messgewänder und Talare, Ministranten- und Erstkommunionsgewänder.

Jetzt ist Zeit für Violett

[IMG 3]In der Vorweihnachtszeit trägt der Priester Violett, als Sinnbild für den Übergang und die Verwandlung. Am Hochfest Weihnachten wird er die Messe in Weiss halten. Jedem Tag des Kalenderjahres ist eine liturgische Farbe zugeordnet, «die musste ich zuerst auch lernen», verrät Zoe Wüst. Sie ist keine eifrige Kirchengängerin, zudem reformiert, aber als gläubig versteht sie sich durchaus. Die 27-Jährige leitet die Paramenten-Werkstatt im katholischen Benediktinerinnenkloster Fahr, einer Aargauer Enklave in Unterengstringen im Kanton Zürich.

Selber sitzt die gelernte Schneiderin und Weberin nicht mehr oft am Webstuhl, als Leiterin der Werkstatt hat sie andere Aufgaben. Besonders liegt ihr die Beratung der Kundschaft. Gäste empfängt sie beim Eingang zur Propstei und leitet sie über verwinkelte Treppen und Gänge nach oben. In den Web- und Nähstuben im Dachgeschoss des Klosters entstehen die kostbaren Paramente unter den Händen von vier Klosterschwestern und fünf externen Fachfrauen mit Teilzeitpensen. Die Paramenten-Werkstatt des Klosters Fahr gehört zu den ersten Adressen im Land. Selbst aus dem nahen Ausland kommt Kundschaft, die Wert auf edlen, zeitlosen Stil legt.

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Wolle von Schweizer Schafen

Allein schon am speziellen «Fahr-Saum» erkennen Fachleute die Textilien aus Unterengstringen. Die Wolle stammt von Schweizer Schafen, die Seide zwar aus China, weil in der Nähe zu wenig produziert wird, aber immerhin aus fairem Handel und über ein Schweizer Unternehmen importiert. Gefärbt werden die Rohstoffe in der Schweiz mit Naturfarben. Schwester Matthäa entwirft seit Jahrzehnten die Muster auf den Stolen. In jedem Messgewand aus der Werkstatt stecken drei Tage Arbeit am Webstuhl und ein Tag in der Nähstube, und das ist erst der Zeitaufwand. «Ein Kilo Seide kostet 130 Franken, ungefärbt», erzählt Zoe Wüst. Die Frauen weben für ein Messgewand drei Meter Stoff, für jeden Zentimeter schiessen sie mindestens 20 Fäden durch die Kette, die wiederum rund 3700 Fäden auf die ganze Breite beinhaltet.

Fehler können durchaus passieren, die Arbeit verlangt handwerkliches Geschick und der Kopf muss bei der Sache sein. Aber unzufriedene Kundschaft hat Zoe Wüst noch nie erlebt. «Wenn etwas nicht gut ist, merken wir das vorher selber.» Martina Brüschweiler ist eine der Frauen, die den Webstuhl bedienen, sie erklärt: «Es hat etwas Mathematisches, es geht um Reihenfolge und Rhythmus.» Nicht nur die Arbeit, auch der Ort sei speziell. «Hier wird zu allen Dingen und zu jedem Menschen Sorge getragen. Es ist ein Geschenk, daran teilzuhaben.» [IMG 4]

Herzliche Frauen

Auch Zoe Wüst freut sich jeden Morgen auf den Moment, wo sie nach der Anfahrt aus dem aargauischen Birrhard dem Stossverkehr entkommen ist und in die Klosterwelt eintritt. Ein besonderer Ort ist es nicht nur wegen der historischen Kulisse, die Schwestern machen ihn dazu. «Sie sind so herzlich und fürsorglich», sagt die junge Frau. «Sie interessieren sich für uns und unser Leben ausserhalb der Klostermauern.»

Altes Wissen weitergeben

«Neue Mitarbeiterinnen werden von den Schwestern unter die Fittiche genommen und sorgfältig eingearbeitet», erzählt Zoe Wüst. Sie arbeitet daran, das alte Wissen der Klosterfrauen zu dokumentieren. Die Schwestern in den Näh- und Webstuben haben wohl kein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis, dafür reiches Wissen und Erfahrung, die sie seit Jahrhunderten pflegen und untereinander weitergeben.

Weitere Informationen: https://www.kloster-fahr.ch