Tauchen Sie mit mir in den Alltag auf meiner Farm in Neuseeland ein, wo der endlose Sommer in den goldenen Herbst übergeht. Ich erzähle, wie mein passives Solarhaus seine Vorteile voll ausspielt und Familienmomente trotz der Herausforderungen auf dem Hof unvergesslich werden.
Ein ungewöhnliches Jahr
Der goldene Sommer will einfach nicht enden. Seit meinem letzten Bericht sind fast zwei Monate vergangen und gross geregnet hat es immer noch nicht. Obwohl wir weiterhin noch viel Gras auf den Weiden haben, wird es langsam lang und holzig.
Es ist nach wie vor ziemlich trocken, speziell für diese Jahreszeit. Der Sommer hat sich in einen Herbst verwandelt. Das meiste Laub ist gefallen und die Nächte werden kühler und definitiv länger.
Warme Oase im Herbst
Es ist die Zeit, in der mein Passiv-Solar-Haus seine Vorteile voll ausspielen kann. Es ist ganz nach Norden ausgerichtet. Jawohl, auf der südlichen Halbkugel liegt der Äquator im Norden und so scheint die Sonne aus dem Norden. In dieser Jahreszeit fallen die Strahlen in einem flachen Winkel ein und erreichen so den Betonboden im Haus durch die grossen Fensterflächen. Der Boden dient als Wärmespeicher, der abends und nachts diese Wärme wieder freigibt und so zusammen mit der guten Isolation für ein wohlig-warmes Klima sorgt. Meine Tochter sagt oft, es sei «roasty and toasty», was so viel heisst wie «geröstet und getoastet». Es erscheint einem oft zu warm. Vor allem, wenn man abends nach der Arbeit bei einer Aussentemperatur von 7 Grad und grosser Luftfeuchtigkeit hereinkommt. Man muss sofort einige Schichten ablegen.
Unvergessliche Momente
Die Tatsache, dass die Sonne im Norden steht, hat auch meinem Vater, der uns für zwei Monate besuchen kam, einiges abverlangt. Sein innerer Kompass funkte ihm immer wieder dazwischen, wenn es darum ging, sich zu orientieren. Ob bei Spaziergängen oder im Auto, für ihn war es schwer, umzudenken.
Abgesehen davon haben wir die gemeinsame und wertvolle Zeit sehr genossen. Es ist ja auch schon 30 Jahre her, seit wir zusammen unter einem Dach gewohnt haben. Mein Bruder und seine Freundin sind viel herumgereist und auch mein Vater hat sich für drei Wochen einer Reisegruppe angeschlossen. Wir haben Freunde zu einem Drei-Generationen-Geburtstagsessen eingeladen und uns von einem kulinarischen Höhenflug zum nächsten geschwungen.
Zum krönenden Abschluss gab es dann eine Woche Schulferien in einem gemieteten Ferienhaus ganz im Norden der Nordinsel. Auch das Wetter war uns sehr wohlgesonnen, so konnten wir neben vielen kleinen Wanderungen auch den Strand noch geniessen. Unvergessliche Erinnerungen!
Schichtwechsel auf der Farm
Auf der Farm hat der Bock seine Arbeit fürs Jahr abgeschlossen und sich – wenn auch nicht freiwillig – in sein Ferienquartier zurückgezogen. Anfang April hat auch meine letzte Kuh abgekalbt und schon bald ist es Zeit, den Stier wieder loszulassen.
Für die zwei Nachwuchsrinder wird es dann Zeit, sich der Herde der Grossen anzuschliessen, etwas zur Weiterverbreitung der Rasse und schliesslich zu meinem Einkommen beizutragen.
Zwischendurch hatte ich etwas Zeit, um auf den Bagger zu sitzen und einige angestaute Projekte in Angriff zu nehmen. «Angestaut», im wahrsten Sinne des Wortes! Ich habe in einem bestehenden Teich die eingetragenen Sedimente ausgebaggert. Dieser dient als Wasserspeicher für die Tiere und die Bewässerung im Obstgarten.
Danach habe ich Humushügel verteilt, die zehn Jahre nach dem Hausbau noch in der Landschaft standen. Dann habe ich eine alte Bachüberquerung befestigt und verbreitert und zuletzt einen Zaun von einem Erdrutsch befreit und instand gestellt. So ein Bagger ist schon sehr praktisch, wenn auch nicht billig in Anschaffung und Unterhalt. Ich habe das Glück, diesen von einem guten Kollegen ausleihen zu können. Als Gegenleistung werde ich ihm einen Schopf erweitern und in der Küche neue Schränke und Schubladen montieren.
Wirtschaftliche Zwänge
Nicht alle Ausgaben kann ich mit Gegenleistungen begleichen. Die Ausbringung von Dünger und Kalk ist so eine Notwendigkeit. In finanziell schwierigen Zeiten wird dieser Posten oft aus dem Budget gestrichen – nicht nur auf meiner Farm. Der Effekt auf den Boden, Mikroorganismen und Gras tritt verzögert und nur langsam ein. Das heisst, ein Jahr darauf zu verzichten, ist nicht schwerwiegend – wenn zuvor regelmässig appliziert wurde. Leider ist dies hier nicht der Fall. Auf meiner Farm ist es bereits vier Jahre her, seit wir das letzte Mal etwas ausgebracht haben.
Wenn ich meine Weiden anschaue und die Tiere beobachte, dann mache ich mir so ein paar Gedanken. Leider bin ich kein guter «Schafflüsterer». Sonst hätten die mir das wohl schon lange ins Ohr geflüstert. Das Problem mit den Kosten liegt nicht nur im Produkt, dessen Preis sich in den letzten vier Jahren verdoppelt hat. Auch die Transport- und Ausbringungskosten haben sich verdoppelt. Alles rundherum wird happig teurer: Steuern, Versicherung, Material und Kraftstoffe – und das alles bei sinkenden Einnahmen. Der Fall des Lammpreises hat sich zwar etwas stabilisiert, aber von Erholung ist noch lange keine Rede.
Trotz all dieser Herausforderungen darf man den Kopf nicht verlieren und sich an etwas Positivem freuen: Heute liegt das auf dem Bild genau vor der Tür: der fantastische Sonnenaufgang.
Zur Person
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Beni Aeschbach (50) wanderte 2009 nach Neuseeland aus. Nach verschiedenen Zwischenstationen, unter anderem auf Milchfarmen, erwarb er 2012 ein Stück bares Land. In einer Ecke wurden ein Wohnhaus, eine Scheune, ein Gemüse- und ein Obstgarten errichtet. Auf den 26 ha Land hält er 70 Schafe und 6 Mutterkühe. Da der Hof zu wenig einbringt, arbeitet Aeschbach auswärts als selbstständiger Baumeister von An- und Ausbauten.