Was unterscheidet eine «landwirtschaftliche» Scheidung von einer «normalen» Scheidung?

Christine Burren: Aufgrund der starken Verflechtung von Geschäftlichem und Privatem ist eine Ehescheidung in der Landwirtschaft besonders komplex. Der Landwirtschaftsbetrieb bietet einer Familie Arbeit, Lebensgrundlage, Wohnen und Freizeit und ist damit das zentrale Element im Leben einer Bauernfamilie. Eine Auflösung der Ehe hat weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten und für den Landwirtschaftsbetrieb.

Entsprechend muss auch der Ehevertrag anders sein?

Ob und wie ein Ehevertrag abgeschlossen werden soll, ist von Fall zu Fall verschieden. Es lohnt sich, im Rahmen der Eheschliessung und/oder bei grösseren Veränderungen (beispielsweise Geburt von Kindern oder grössere Investitionen) eine fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Dem Inhalt im Ehevertrag sind zudem rechtliche Schranken gesetzt.

Wo sind finanziell die Stolpersteine, damit beide Ehepartner nach einer Scheidung finanziell abgesichert sind?

Beim Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung, welcher von den meisten Paaren in der Landwirtschaft gewählt wird, gilt es Folgendes zu beachten: Bereits während der Ehe sollten klare finanzielle Verhältnisse zwischen den Ehegatten mit getrennten Konten herrschen. Jeder Ehegatte soll sein eigenes Geld selbst verwalten und darüber verfügen können. Für den Unterhalt der Familie sollen beide Ehegatten gemäss ihren Kräften aufkommen. Arbeitet die Frau oder der Mann auf dem Betrieb des Ehegatten mit, ist für deren Arbeit ein entsprechender Lohn auszuzahlen. Dieser soll nicht nur einfach fiktiv in der Buchhaltung aufgeführt werden, sondern auf ein persönliches Konto überwiesen werden.

Wie erklären Sie sich, dass in der Landwirtschaft die Scheidungsrate vergleichsweise tief ist? Ist ein Grund auch, dass die Scheidungen kompliziert sind?

Eine Scheidung in der Landwirtschaft ist mit grösseren Konsequenzen verbunden als bei einer «normalen» Scheidung. Es passiert ein Abwägen auf allen Ebenen, bevor der Entscheid zur definitiven Trennung und späteren Scheidung erfolgt.

Welche Ratschläge gibt es, damit eine Scheidung den Umständen entsprechend «friedlich» ablaufen kann?

Eine Scheidung ist mit vielen Emotionen verbunden und sehr schmerzhaft. Damit in dieser schwierigen Zeit nicht überreagiert und ungerecht gehandelt wird, sollten folgende «Spiel-regeln» eingehalten werden:

  • Ehrlich zueinander sein und einen respektvollen Umgang miteinander pflegen.
  • Den Ehepartner bei den Kindern nicht schlecht machen, die Kinder nicht unnötig beeinflussen.
  • Keine Einmischung der neuen Lebenspartnerin/des neuen Lebenspartners in den Scheidungsprozess.
  • Die Kinder stufengerecht über den Stand der Dinge informieren.
  • Sich bewusst sein, dass mit der Scheidung die Ehe aufgelöst ist, die beiden Ehegatten jedoch ein Leben lang Eltern der Kinder bleiben. Die Kinder sollten unter der Scheidung der Eltern nicht leiden.

Welche Vorkehrungen können bereits während der Ehe getroffen werden, um für den Fall einer Scheidung gerüstet zu sein?

Auch wenn es nicht sehr romantisch ist, sich bereits vor der Hochzeit mit dem Thema Scheidung auseinanderzusetzen, sollten unbedingt vor der Eheschliessung die rechtlichen Grundlagen einer Eheschliessung im Detail und die möglichen Konsequenzen im Fall einer Scheidung besprochen werden. Denn, wer einen Landwirt oder eine Landwirtin mit Hof heiratet, heiratet nicht nur die Person, sondern ist auch unweigerlich mit dem Betrieb «verheiratet».

Folgende Vorkehrungen können konkret für den Scheidungsfall getroffen werden:

  • Aufbewahrung der letzten eigenständigen Steuererklärungen vor der Eheschliessung.
  • Das Führen von getrennten Bankkonten für Eigengut und Errungenschaft jedes Ehe-gatten.
  • Nach Bedarf gegenseitige Vollmachten einzelner Konten regeln.
  • Veränderungen des Eigengutes lückenlos nachweisen (Belege aufbewahren).
  • Investitionen des einen Ehegatten in Vermögenswerten des anderen Ehegatten schriftlich festhalten und gegenseitig anerkennen (Darlehensvertrag).
  • Gegebenenfalls einen Ehevertrag abschliessen.

Wie finden Betroffene einen Anwalt, der sich mit landwirtschaftlichen Scheidungen auskennt?

Bei der Suche eines Anwaltes ist es wichtig, dass sich diese Person sowohl im Familienrecht (Ehe- und Scheidungsrecht) als auch im bäuerlichen Bodenrecht auskennt. Viele Anwälte verfügen heute über eine Internetseite, wo sie ihre Tätigkeitsgebiete aufgelistet haben. Neben der fachlichen Kompetenz ist es zudem wichtig, dass es auch zwischenmenschlich stimmt. Eine Scheidung ist ein zentrales Ereignis im Leben, bei dem über den weiteren Verlauf entschieden wird. Wenn kein Vertrauen zur Fachperson aufgebaut werden kann, lohnt sich ein Wechsel immer.

Sind landwirtschaftliche Ehen durch die Nähe von Wohnen und Arbeiten besonders gefährdet für einen Rosenkrieg nach dem Ende der Ehe?

Eine Umfrage der HAFL hat ergeben, dass es in der Landwirtschaft häufiger zu einem Rosenkrieg kommt, als dies allgemein bei Scheidungen der Fall ist. Ein möglicher Grund besteht sicherlich darin, dass es in der Landwirtschaft um mehr geht, als nur die Auflösung der «privaten» Partnerschaft.

Welche Rolle können Angehörige einnehmen, um das Paar in der Trennung zu unterstützen?

Die Angehörigen können das Paar oder die einzelnen Parteien vor allem in folgenden Bereichen unterstützen:

  • Zuhören, ohne wohlgemeinte Ratschläge zu geben.
  • Ermuntern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch wenn die Beratung etwas kostet.
  • Arbeiten abnehmen (beispielsweise Kinderbetreuung, Stallarbeiten) so dass die Paare/ Einzelpersonen Zeit haben, sich mit der Trennung/Scheidung auseinanderzusetzen und sich professionell beraten zu lassen.

Christine Burren ist betriebswirtschaftliche Beraterin am Inforama. Ihr Beratungsschwerpunkt sind Trennungs- und Scheidungsberatungen.