Mit Tempo nimmt Isabella Figi die Treppen hoch zum Restaurant im Berghotel Mettmen Alp oberhalb von Schwanden im Kanton Glarus. «Sorry für die Verspätung», beeilt sie sich zu sagen. «Doch ausgerechnet heute gab es Probleme mit den Rindern.» Seit Juni ist die Landwirtin auf der Niederen-Mettmen-Alp, auf der 196 Rinder und 35 Milchkühe sömmern. Dazu kommen, statt der üblichen Schottenschweine, sieben Schotten-Mastkälber. Die Alp liegt im Freiberg Kärpf, dem ältesten Wildschutzgebiet Europas. In dem 94 Quadratkilometer grossen Areal leben unter anderem Steinböcke, Gämsen, Hirsche, Rehe, Murmeltiere, Adler und Birkhühner. «Die Gämsen sind nicht scheu und weiden fast neben den Rindern», so Isabelle Figi.

Die Nachbarschaft von Wild- und Nutztieren war es auch, die an diesem Tag ihre Pläne durcheinanderbrachte. «Die Wildtiere drücken immer mal wieder Zäune nieder», erzählt sie auf dem Weg zum Quad, mit dem es zum Oberstafel hinauf geht. «Heute entdeckten wir wieder einen Elektrozaun, der nicht funktionierte.» Bereits hatten sich die ersten Rinder untendurch gefressen. «Wir mussten schnell reagieren, bevor eines der Tiere in einen Abhang stürzt.»

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Erst was anderes lernen

Isabella Figi ist zusammen mit drei jüngeren Geschwistern auf einem Landwirtschaftsbetrieb in Luchsingen GL aufgewachsen, einem Hof mit 23 Milchkühen und Aufzuchtkälbern. Das dazugehörige Land liegt in den Bergzonen 2 und 3. «Vom Betrieb allein können meine Eltern nicht leben, mein Vater arbeitet auswärts», sagt die 22-Jährige. Dennoch spürte sie schon früh, dass sie den Betrieb übernehmen möchte, während ihre Geschwister kein Interesse daran hatten. «Doch da der Hof allein nicht genug abwirft, war auch klar, dass ich noch einen anderen Beruf brauchte.»

Sie entschied sich für eine Lehre als Bäckerin/Konditorin. Auch während der Ausbildung half sie viel und gern auf dem Betrieb mit. «Wenn Bedarf war, ging ich jeden Nachmittag heuen. So war ich draussen an der Sonne und am Ende des Nachmittags sah ich, was ich gemacht hatte.» Im letzten Jahr schloss sie die Zweit-Ausbildung als Landwirtin ab. «Nun habe ich zwei Abschlüsse, obwohl ich eigentlich nie besonders gern in die Schule ging», sagt Isabella Figi schmunzelnd. Doch sie ist froh, sich so entschieden zu haben. «Ich war schon immer ein ‹Veh-Buur›. Ich mag Kühe, das Melken und das Zäunen gefällt mir, ich entscheide gern selbstständig. Damit bin ich gross geworden.»

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Alphütte am Wanderweg

Mit viel Geschaukel geht es mit dem Quad die rund 190 Höhenmeter hinauf zur Alphütte. Sie liegt auf rund 1800 Meter über Meer und am Wanderweg zur Legler-Hütte des SAC. Der Oberstafel beherbergt neben einem Stall und den Räumen für die vierköpfige Alp-Crew auch ein Beizli, in dem es Getränke, Alpkäse oder hausgemachte Nidel-Zeltli gibt.

«Hier oben gibt es keinen Strom, ausser der Chef hängt zum Melken und Käsen ein Notstromaggregat an», sagt Isabella Figi. «Mir gefällt dieses einfache Leben, ich mag auch die viele körperliche Arbeit.» Für sie ist es bereits der 3. Alp-Sommer. Doch dieses Jahr wird es Unterbrüche vom Alp-Leben geben: Sie ist eine der zwölf Ehrendamen des Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest (ESAF), das vom 29. bis 31. August im Glarnerland stattfindet.

«Meine Familie ist im Schwingsport verwurzelt», antwortet Isabella Figi auf die Frage nach ihrem Bezug zum Schwingsport. «Meine Eltern erzählten mir, ich sei schon im Mutterleib an Schwingfesten gewesen. Mein Vater hat geschwungen und mein Bruder ist aktiver Schwinger.» Selber Schwingen war für sie aber nie ein Thema. «Mein Vater wäre nicht begeistert gewesen», meint sie schmunzelnd.

Um Ehrendame am ESAF zu werden, musste sie von einem Schwing-Club vorgeschlagen werden, eine Bewerbung schreiben und beim Vorstellungsgespräch überzeugen. «Schon die Vorbereitungen waren spannend», sagt Isabella Figi. «Wir hatten ein Fotoshooting, ein Medientraining und gingen zur Trachtenschneiderin.» Denn die Ehrendamen tragen je nach Region, aus der sie kommen, eine Neue Glarner Kirchentracht, eine Kaltbrunner oder eine Sarganserländer Festtagstracht. Welche der Damen den Schwingerkönig küren darf, das wird am letzten ESAF-Tag per Los entschieden.

Erste Auftritte hatten einige der Ehrendamen bereits mit Schwyzerörgeli im Bundeshaus und an der Taufe von Muni Zibu. Es stimme übrigens nicht, dass eine Ehrendame weder verlobt, verheiratet, schwanger, zu alt, ausländischer Herkunft oder übergewichtig sein dürfe, schreibt das ESAF auf seiner Website als Antwort unter «häufige Fragen». «Uns sind Eigenschaften wie ein sympathisches und gewinnendes Auftreten, Bezug zum Schwingsport und zur Gastgeberregion, Volljährigkeit zum Zeitpunkt des Festes sowie das stolze Tragen der Tracht wichtig», so das Organisationskomitee. «Darüber hinaus stellen wir keine Bedingungen.» Ebenfalls falsch sei das Gerücht, dass eine Ehrendame drei Jahre vor und nach dem Event nicht schwanger sein dürfe.

Erste eigene Tracht

ESAF 2025

Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest, das nur alle drei Jahre stattfindet, steigt vom 29. bis 31. August in Mollis GL. Es wird mit insgesamt 350 000 Festbesuchende an den drei Tagen gerechnet. Mit dabei sind 274 Schwinger und 50 Steinstösser. Das Festgelände umfasst 70 ha. Die Gesamtfläche der Arena beträgt rund 49 000 m2 und gilt als das grösste mobile Stadion der Welt. Für die sieben Ringe braucht es rund 250 m3 oder 37 Tonnen Sägemehl.

Weitere Informationen:  https://esaf2025.ch/ 

«Ehrendame zu sein bedeutet mir sehr viel und ist eine grosse Ehre», sagt Isabella Figi. Sie habe auch Freude an der Tracht. «Ich hatte bisher nie eine eigene, trug aber gelegentlich die meiner Mutter.» Als Kind sei sie in einem Jodelchörli gewesen, heute spielt sie in einer Formation Schwyzerörgeli. «Wir sind zu fünft. Jede und jeder hat einen eigenen Stil». Sie spiele neben Mitsing-Liedern wie «Ufem Stoos ob Schwyz» gern auch moderne Songs wie «Du hast mich tausendmal belogen» von Andrea Berg oder «Ma Chérie» von DJ Antoine.

Der Quad steht inzwischen unterhalb einer Aussichtsplattform, von der aus das Wild beobachtet werden kann. Gleich daneben weiden die Milchkühe der Alp. Da die Eltern noch relativ jung sind, wird es noch einige Jahre dauern, bis Isabella Figi den Hof übernimmt, dann gern auch mit einem Partner. Bis sie selbst Betriebschefin wird, möchte Isabella Figi weiter mit Rindern arbeiten und z’Alp gehen. Im Winter arbeite sie jeweils als Bäckerin/Konditorin oder in der Gastronomie, erzählt sie. Nach ihren Träumen gefragt, antwortet die Glarnerin. «Ich möchte mal nach Montana, um als Cowgirl mit dem Pferd die Kühe zu holen. Und mein grosser Traum wäre eine eigene Alp

Für das ESAF wünscht sie sich «schönes Wetter, aber nicht zu warm, auch wegen der Tracht». Sie sei ein Fan des Schwingers Roger Rychen aus Mollis. «Und es wäre natürlich toll, wenn ein Glarner gewinnen würde», meint Isabella Figi zum Abschied, bevor sie mit dem Quad zur Alphütte weiterfährt.

Fragen an Isabella Figi
 
Welches ist Ihre Lieblingsmusik?
Countrymusic und Ländler.

Was möchten Sie besser können?
Ich wäre gern etwas selbstbewusster, sodass ich jeweils weniger daran herumüberlegen würde, ob ich einen Fehler gemacht habe oder nicht.

Welches Landwirtschaftsthema beschäftigt Sie am meisten?
Der Wolf. Letzten Sommer auf einer Alp in Elmen musste ich am Morgen im Dunkeln zu den Rindern. Ich dachte oft: «Was, wenn ich jetzt ein halbtotes Tier finde?»

Welche Arbeit liegt Ihnen so gar nicht?
Büroarbeit am Computer, wie etwa die Buchhaltung.

Was würden Sie mit einem 6-er im Lotto machen?
Ich würde das Geld in den Maschinenpark auf meinem Bauernhof investieren.

Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig?
Ehrlichkeit und dass man über alles reden kann.