Dem vierjährigen Jan ist es ein bisschen langweilig, die beiden älteren Brüder sind in der Schule. Schnell zeigt er dem Mami noch die mit Heu ausgestattete Schachtel, in die er das tote Vögelchen gebettet hat.

«Für die Kinder ist das Aufwachsen auf dem Bauernhof und so nah an der Natur fantastisch», sagt Jasmin Müller (41) und streicht ihrem Jüngsten liebevoll über den Kopf, bevor dieser beim Grossvater stolz auf den Traktor klettert.

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Ihr Ältester und ihr Jüngster lieben Tiere und begeistern sich für die Landwirtschaft, der Mittlere verweilt lieber drinnen und bastelt, zeichnet oder liest. «Jeder hat das Recht, das zu tun, was ihm Spass macht», sagt sie lachend und fügt gleich an: «Genau wie ich das auch mache.»

Beim Tanzen hat es gefunkt

Jasmin Müller hat sich als junge Frau nie vorstellen können, einen Landwirt zu heiraten. Nein, dieser «landwirtschaftliche Geschmack», das wollte sie nie. Doch dann, am Valentinstag im Jahr 2001, traf sie ihren späteren Ehemann Michi beim Tanzen. Zu diesem Zeitpunkt, beide waren sie 19-jährig, besuchte sie die Handelsschule mit Schwerpunkt Hotellerie und absolvierte ein Praktikumsjahr in der Zentralschweiz.

[IMG 3] Zurück in der Ostschweiz nahm sie eine Stelle in der Kartause Ittingen an und war später Leiterin Empfang des Hotelbetriebes. Sie arbeitete mit Unterbrüchen zehn Jahre dort. Vorbehalte gegen die Landwirtschaft oder den «landwirtschaftlichen Geschmack», den es auf dem Biohof sowieso kaum gibt, sind längst kein Thema mehr.

Vor dreizehn Jahren wurde geheiratet. Jasmin Müller zog auf den Hof in Eschlikon TG und das junge Paar übernahm den Milchwirtschaftsbetrieb von Michis Eltern, die in ein zweites Gebäude auf dem Betrieb zogen. Sie helfen bis heute bei Bedarf. «Auch für die Kinder bietet dieses nahe Zusammenleben grosse Vorteile», sagt Jasmin Müller, und die Grosseltern haben Gelegenheit, am Leben der Jungmannschaft teilzunehmen.

Klare Abmachung

Noch vor dem ersten Kind wechselte sie als Direktionsassistentin in das Spital Thurgau und reduzierte ihr Arbeitspensum, als der erste Sohn und dann der zweite Sohn auf der Welt waren.

«Es war von Anfang an abgemacht, dass ich auch mit Kindern weiter auswärts arbeite», sagt Jasmin Müller und unterstreicht, dass es ihr sehr wichtig sei, dass jeder das tun könne, was er liebe. Deshalb habe sie schon zu Beginn ihrer Beziehung mit Michi abgemacht, dass sie keine Frau für den Stall sei.

Volle Tage

Natürlich helfe sie im Herbst bei der Apfelernte und übernehme die Arbeit rund um die Hühner, wenn ihre Schwiegermutter nicht da sei. Doch sie habe mit dem Haushalt und dem Kochen für die fünfköpfige Familie und den Lehrling genug zu tun.

Im vergangenen Jahr übernahm sie im Spital eine neue Aufgabe. Sie ist jetzt Klinikdirektionsassistentin Chirurgie und führt ein Team von sechs Arztsekretärinnen an beiden Spitalstandorten in Frauenfeld und in Münsterlingen.

Beide Seiten leben

Trotz der Führungsverantwortung und der Herausforderung konnte sie ihr Pensum auf 40 Prozent reduzieren. «Ich fühle mich privilegiert», sagt sie stolz. «Einen solch verantwortungsvollen Beruf ausführen zu dürfen und gleichzeitig mein Leben auf dem Hof und mit meinen drei Kindern zu geniessen. Ich bin rundum glücklich, dass wir es geschafft haben, als Paar, als Familie, mit dem Betrieb und ich mit meinem erfüllenden Beruf, alles auf die Reihe zu bringen.» [IMG 4]

Kontakt mit Menschen

Anfangs, als die beiden älteren Buben noch nicht eingeschult waren, nahm sie sie mit zur Arbeit und liess sie in der spitalinternen Kita betreuen. Eine gute Lösung sei das gewesen, erzählt sie. Doch als der Nachzügler Jan geboren wurde, gingen ihre Eltern, die früher in Müllheim und Eschenz Metzgereien führten, in Pension.

Die Grosseltern hätten sich bereit erklärt, die Enkel an zwei Tagen pro Woche zu hüten. «Ich finde es schön und unerwartet, dass es sich mein Vater nicht nehmen lässt, zum Hütetag mitzukommen.»

Nicht das eine für das andere aufgeben

Die Situation in ihrem Elternhaus habe sie auch bestärkt, ihre auswärtige Arbeit weiterzumachen. Ihre Mutter habe jahrelang in der Metzgerei streng gearbeitet, sei aber nie so ganz glücklich gewesen damit. Damals, als Kind und später als junge Frau, habe sie sich bereits gewünscht, eine beglückende Arbeit ausser Haus nicht zugunsten von anderen aufgeben zu müssen.

Es mache ihr Spass, sich als Berufsfrau mit ganz anderen Themen zu beschäftigen als zu Hause. Der Austausch mit Menschen, die in einem völlig anderen Berufsfeld stünden als ihr Umfeld zu Hause, sei bereichernd und bringe ihr die geistige Flexibilität und lasse sie an den Herausforderungen wachsen.

Ehrenamtlich engagiert

Bleibt da noch Zeit für Eigenes? Jasmin Müller lacht. «Zeit für mich brauche ich eigentlich nicht, meine Arbeit macht mir sehr Spass und hält mich im Gleichgewicht.» Zudem spielt sie einmal in der Woche Volleyball in einem Verein, den sie administrativ leitet, und engagiert sich in der Thurgauischen Arbeitsgemeinschaft für Elternorganisationen (Tageo).

Ihr gefallen das spannende Umfeld, die unterschiedlichen Themen mit den verschiedenen Menschen. Hingegen gibt sie zu, dass sie auch sich nicht mehr vorstellen könnte, zu hundert Prozent berufstätig zu sein, viel zu sehr mag sie es, auf dem Hof, bei der Familie und ihrem Umfeld zu sein.

Fünf Fragen
 
Was ist Ihr Lebensmotto?
Jeder ist seines Glückes Schmied.

Was macht Sie schlaflos?
Personelle Herausforderungen, für die ich noch nicht die geeignete Lösung gefunden habe.

Was ist Ihr Lieblingslied und warum?
Imagine von John Lennon. Zum einen finde ich die Melodie sehr schön und zum anderen ist der Text sehr tiefgründig.

Was führt Sie zu Tränen?
Es kann ein schönes Lied sein, ein berührender Film oder aber auch Schicksale, die mich berühren.

Was möchten Sie besser können?
Die Kraultechnik beim Schwimmen.