In der Hütte riecht es nach Rauch und Milch – ein wenig auch nach dem Braten, den Margrit Jordi auf dem Holzherd anbrät. Ruedi Jordi hat gerade noch im Keller den Käse geschmiert. 50 Minuten hatte er dafür Zeit, bis ihn seine Frau rief. «Das ist das Schöne daran, wenn man Strom in der Hütte hat, sonst hätte ich nun die ganze Zeit in der Milch rühren müssen», erklärt Ruedi und schaut zufrieden dem Rührwerk im Käsekessi zu.

In seiner Hand prüft er den Teig und meint: «Für einen perfekten Käse muss er sich in meiner Hand körnig zerreiben lassen». Es ist noch zu früh, ein paar Minuten wartet Ruedi geduldig neben dem Kessi.

Pflege der Kultur

Geduld und Können braucht es beim Käsen, das wird klar, wenn man Jordis über die Schulter schaut. Und ein eingespieltes Team, in dem jeder seine Aufgaben und Stärken kennt. «So, jetzt ist er gut», betont Ruedi, worauf seine Frau mit einer Kanne herbeieilt, um die Kultur für den nächsten Alpkäse zu entnehmen. Diese wird zuerst auf dem Herd erwärmt und dann wieder abgekühlt: «Wieder 63 Grad wie beim letzen Mal?», fragt Margrit.

Ruedi nickt, während er sich mit der Angestellten Regula Scheuner bereit macht, den Käseteig aus der 53 Grad warmen Schotte zu ziehen. Auf dieser Temperatur hat Margrit die eingelabte Milch zuvor während einer Stunde gehalten. Auf dem Feuer, dem sie passend Holz nachlegt. Nebenbei hat sie bereits begonnen, das Mittagessen zuzubereiten.

Praktische Mutschli

Nach dem Abkühlen der Kultur füllt Margrit sie in eine Termoskanne. Die Behältnisse hat sie zuvor alle ausgebrüht. «Exakt und sauber muss man arbeiten, und zwar vom Melken bis zur Käsepflege», betont sie und wickelt die Termoskanne in einen stoffigen Überzug, bevor sie sie feinsäuberlich im Wohnzimmer auf das Buffet stellt. «Fast wie mein Baby», meint sie lachend.

Würde der Kultur etwas passieren, es wäre nicht gut. Das wissen auch die Grosskinder, die hier ihre Spielsachen haben und regelmässig bei der Grossmutter sind. Am nächsten Morgen wird Ruedi den Säuregrad der Kultur messen und sie in eine Glasflasche umfüllen, dann kommt sie 24 Stunden in den Kühlschrank, denn Jordis stellen im Moment nur jeden zweiten Tag Berner Alpkäse her. Die restlichen Tage produzieren sie Mutschli. Die vom Vortag liegen zahlreich im Salzbad: «Davon können wir im Moment fast nicht genug herstellen», betont Ruedi. «Für die Wanderer und Biker sind sie praktisch. Sie können die Mutschli und vakuumierte Alpkäse-Stücke im Rucksack mitnehmen.»

Lange Tage auf der Alp

Abo Video Ruedi und Margrit Jordi mit Sohn Martin und dessen Frau Karin und den Kindern Lena, Sina und Anna mit den Angestellten Regula Scheuner und Stefan Aeschlimann. Alpwirtschaft Der Käse von Familie Jordi schafft es bis nach Amerika Friday, 23. June 2023 Wer vom luzernischen Marbach her auf die Schrattenfluh will, der kommt vorbei an der Alp Imbrig, wo Familie Jordi seit 18 Jahren ihren Käse herstellt. Nur im ersten Jahr erreichten Jordis bei der Bewertung nicht die maximale Punktzahl.

Ruedi und Margit wären beide längst pensioniert. Doch wenn der Alpsommer ruft, dann gibt es kein Halten mehr. Während der Sohn mit seiner Familie im bernischen Zäziwil den Talbetrieb weiter führt, nehmen Ruedi und Margrit auf der Alp Imbrig die langen Tage in Angriff. Mit dem Tagesanbruch kommen die 30 Kühe und 15 Ziegen zum Melken und obwohl mit Stefan Aeschlimann, Regula Scheuner und Marie Koch ihnen drei Helfer zur Seite stehen, gibt es oft erst etwas später Feierabend. «So freuen wir uns im Frühling auf den Alpaufzug, aber auch im Herbst, wenn die hundert Tage rum sind», meint Ruedi.

Viele Gäste und Besucher

«Heuer waren wir im Frühling etwas spät dran, so wuchs das Gras zu schnell und wir mussten einen Teil heuen, damit es nicht zu alt wurde», erklärt Ruedi. Doch die harte Arbeit scheut hier niemand. An den Wochenenden oder wenn es im Tal etwas ruhiger läuft, kommt Sohn Martin mit seiner Familie und dem Lehrling ebenfalls auf die Alp, um seine Eltern zu unterstützen. Er legt dann auch Hand beim Käsen an.

Neben all den Tieren und der Käserei betreiben sie auch ein Alpbeizli. Am Tag zuvor war Sonntag und schönes Wetter und das Beizli war den ganzen Tag voll. Und auch heute hat sich eine Gesellschaft angemeldet, die Älplermagronen essen will und die Käserei besichtig. Bereits laufen in der Küche die Vorbereitungen. Zeit zum Ruhen wird im Winter sein.

Kundschaft aufgebaut

Die vielen Besucher sind für Jordis einen Segen. Von den 4,5 bis 6 Tonnen Alpkäse, den sie jährlich herstellen, können sie so einen Teil im Beizli für die Zubereitung der Gerichte brauchen. Viele Gäste nehmen auch ein Mutschli oder ein Stück Alpkäse mit auf den Weg. Dennoch besuchen Jordis auch zahlreiche Märkte und Anlässe, um ihren Käse Stück für Stück zu vermarkten. «Die Kundschaft haben wir uns über die Jahre aufgebaut und viele suchen an Märkten gezielt unseren Stand», erzählt Ruedi. «Und hier in der Region sind wir eine der wenigen Alpen, die Alpkäse herstellt, das hilft sicher bei der Vermarktung».

Dort, wo es weniger Touristen habe oder bei jeder Hütte Käse verkauft werde, sei sicher die Vermarktung deutlich schwerer, vermutet er. So bereitet es ihm Sorge, dass dann oft über tiefe Preise versucht wird, den Käse loszuwerden. Dies mache den Markt kaputt und bereits jetzt, dürfe man auf der Alp nd beim Käsen nicht jede Stunde Arbeit rechnen.

Der Käsespeicher steht etwas abseits, dort wo ihm das Wasser, das bei Unwettern von der Schrattenfluh kommt, nichts anhaben kann. «An schönen Tagen gehe ich den Weg dorthin oft, um den Gästen den gewünschten Käse zu holen», erzählt Margrit. Doch im Speicher lagern nicht nur die verschiedenen Käsesorten, sondern auch Brätzeli und Waffeln, die sie aus Rahm herstellt. Dafür steht Ruedi morgens extra eine halbe Stunde früher auf, um den Rahm von den Gebsen zu schöpfen. Dieser Alprahm wird den Gästen auch zum Kaffee oder zur Meringue serviert.

Das Gold der Alpen

Etwas müde sind sie schon, jetzt, nach rund zwei Dritteln des Sommers. Und Margrit hat Schmerzen im Knie: «Wir merken das Alter und mögen nicht mehr so viel arbeiten wie früher», betont Margit. Doch ans aufhören denken die beiden nicht, solange es die Gesundheit zulässt und solange sie Freude haben an ihrer Aufgabe.

Auf die Frage, ob es nicht manchmal zu viel werde, die ganze Arbeit, meint Ruedi lachend: «Man will es ja nicht anders haben» und dreht mühelos einen der drei Berner Alpkäse im Järb um. So entsteht es, das Gold der Alpen – aus Leidenschaft, Erfahrung und harter Arbeit.

Weitere Informationen zur Alp Imbrig

Berner Alpkäse

Rund 450 Alpkäsereien im Kanton Bern stellen Berner Alp- und Hobelkäse her. Das Pflichtenheft schreibt vor, dass mit Feuer gekäst werden muss. Die Sortenorganisation der Berner Alpkäser ist die Casalp. Laut ihr wurden im vergangenen Jahr 895 Tonnen Berner Alpkäse AOP hergestellt, 57 Tonnen diverser Alpkäse und 146 Tonnen Mutschli. Der grösste Teil dieser Produkte, rund 80 %, wird direkt vermarktet.

Vermarkten wird anspruchsvoller
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Kommentar von Marcel Rubin, Präsident der Sortenorganisation der Berner Alpkäser, Casalp.

Der Markt für Schweizer Käse ist derzeit anspruchsvoll – das trifft auch die Alpkäsereien. Spezialitäten wie der Berner Alp- oder Hobelkäse AOP lassen sich nicht mehr so leicht vermarkten. Viele Direktvermarkter kämpfen mit sinkender Nachfrage, steigenden Lagerkosten und stagnierenden Preisen. Immer öfter stellen sich Sennen deshalb die Frage: Lohnt sich das Käsen auf der Alp überhaupt noch?

Tatsächlich liefern manche Produzenten mittlerweile ihre Milch lieber ins Tal, in den konventionellen Kanal – ohne den Aufwand von Käseherstellung, Pflege und Direktverkauf. Doch geht damit auch viel verloren: handwerkliches Können, alpine Wertschöpfung – und ein Stück Kulturlandschaft.

Gerade in dieser Situation ist die Arbeit der Sortenorganisation Casalp zentral. Sie unterstützt die Vermarktung von Alpkäse, schafft Sichtbarkeit und setzt sich für faire Bedingungen ein – im Dienste aller AOP-Betriebe im Berner Oberland.

Wer heute auf der Alp käst, leistet weit mehr als nur Milchwirtschaft. Er trägt Verantwortung für ein Stück Schweizer Identität. Und verdient dafür nicht nur Respekt – sondern auch wirtschaftliche Perspektiven.