«Ich hätte mir früher nie vorstellen können, hinter einem Marktstand meine Produkte zu verkaufen», erklärt Josef Ulrich mit einem Schmunzeln im Gesicht. Mittlerweile hat der Biobauer seine Meinung geändert. Er vermarktet seine Joghurts im eigenen und über andere Hofläden, im Reformhaus und an Märkten. So wird er Ende August auch am Biomarkt O Sole Bio hinter dem Marktstand stehen (siehe Kasten). Der Produzent sei der authentischste Vermarkter, so Ulrich, und die Kunden würden es schätzen, wenn sie mit dem Landwirt direkt in Kontakt kommen könnten.

Bauer statt Künstler klopfte an

Für den 44-Jährigen lohnte es sich definitiv, in die Direktvermarktung einzusteigen. Dadurch erreichte er nicht nur eine höhere Wertschöpfung, er fand dank dieser Verkaufsaktivitäten auch seine grosse Liebe. «Vor gut zwei Jahren ging ich eines Abends spontan zu Fuss auf Verkaufstour. Ich klopfte bei uns im Dorf an viele Türen und machte auf mein Angebot mit Bio-Fleischprodukten aufmerksam», erinnert sich Josef Ulrich zurück. Auch an die Haustüre von Stefanie Berner klopfte Biobauer Ulrich. «Ich hatte an diesem Abend einen kulturellen Anlass im Haus und öffnete die Tür mit der Erwartung, dass noch einer der eingeladenen Künstler eingetroffen ist», so die Erinnerung von Stefanie Berner.

Persönliche Betriebsführung

Fleisch konnte Josef Ulrich an diesem Abend zwar keine grossen Mengen verkaufen, mit seiner offenen Art weckte er aber das Interesse von Stefanie Berner: «Er erzählte mir von seinem Hof, strahlte dabei und wirkte sehr authentisch. Das fand ich faszinierend – und ich dachte: ‹Diesen Mann möchte ich gerne kennenlernen.›» Entsprechend erfreut war sie dann, als sie Josef Ulrich hinter einem Marktstand am Schwyzer Wochenmarkt wieder entdeckte. «Dies war eine super Gelegenheit, um Kontakt aufzunehmen, und so fragte ich ihn für eine persönliche Betriebsbesichtigung an», erzählt Stefanie Berner lächelnd. Seit knapp zwei Jahren sind die beiden nun ein Paar. Sie leben zwar noch in getrennten Wohnungen, Stefanie Berner ist aber wöchentlich auf dem Biohof oder auf dem Markt und unterstützt ihren Partner. Josef Ulrich wird auf seinem Betrieb zudem auch von seinen beiden Söhnen, seiner Familie und externen Helfern unterstützt.

Die Bio-Milch und Fleischproduktion mit der Direktvermarktung sind die Hauptbetriebszweige des Hofes Grossmatt. «Vor rund vier Jahren suchte ich nach Wegen, um für unsere wertvolle Bio-Milch eine höhere Wertschöpfung realisieren zu können», erklärt der Biobauer. Zufälligerweise ergab es sich einige Zeit später, dass ein anderer Betrieb seine Joghurtproduktion aufgab. Josef Ulrich konnte so nicht nur einen schönen Teil der Kundschaft übernehmen, sondern auch die Joghurtherstellung in den bestehenden Verarbeitungsräumen seines Vorgängers in Angriff nehmen.

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Kein Ergänzungsfutter

Da er aber Joghurts ohne jegliche Zusatzstoffe herstellen wollte, verlor er infolge der veränderten Konsistenz des Produkts einen Teil des Kundenstamms. «Innerhalb von ein paar Wochen gewannen wir aber wieder viele Neukunden, wodurch die wöchentliche Verarbeitungsmenge sogar auf 130 Liter gesteigert werden konnte.» Nicht nur die Joghurtproduktion ist natürlich, auch in der Milchproduktion ist der Biohof konsequent. Es wird kein Ergänzungsfutter eingesetzt, dank des saisonalen Frühjahres-Abkalbens und den damit verbundenen hohen Weidegras-Gehalten sind die Tiere auch in der Startphase gut versorgt.

Vor drei Jahren startete Josef Ulrich auch mit muttergebundener Kälberaufzucht. «Diese überzeugt mich vom Tierwohl her voll und ganz, hat allerdings schon auch ihre Tücken», so Josef Ulrich. Der Einstieg sei alles andere als reibungslos verlaufen. Anfänglich hätten viele Kühe wunde Zitzen gehabt und auch das Handling der Kälber sei im traditionellen Anbindestall nicht immer einfach gewesen. Bauer und Herde hätten sich nun aber daran gewöhnt, heute funktioniere das System gut. Am Morgen werden die Kälber von ihrem Stallteil aus zu den zehn Kühen in den Anbindestall gelassen, wo sie zu saugen beginnen. Gleichzeitig startet Josef Ulrich mit dem Melken derjenigen Kühe, bei denen keine Kälber am Saugen sind. «Ich melke dann einfach noch, was übrigbleibt, aktuell rund 40 Liter pro Melkvorgang.»

Milch für Joghurtproduktion

Ihm sei bewusst, dass viele seiner Berufskollegen die Melkmaschine für diese Menge nicht mehr starten würden. Ein Teil der gemolkenen Milch wird für die Joghurt-Herstellung verwendet, der Rest verkauft.

Der Direktverkauf der Joghurts läuft gut. Dass nur regionale Bio-Früchte, etwas Zucker und Bio-Milch auf der Zutatenliste zu finden sind, schätzten die Kunden. Die Produktion, welche seit einem Jahr auf dem eigenen Betrieb stattfindet, kann mit der bestehenden Infrastruktur bewältigt werden. Eine Mengensteigerung ist allerdings kaum mehr praktikabel, weshalb der Bau eines grösseren Verarbeitungsraums zur Diskussion steht. «Einerseits würde das die Arbeitsabläufe effizienter machen, anderseits müssten die Verarbeitungsmengen dadurch aber bedeutend gesteigert werden, damit die Investition wirtschaftlich einigermassen tragbar wäre», so Ulrich. Doch genau dieser Hamsterrad-Effekt widerstrebt dem gelernten Landmaschinenmechaniker. «Ich habe während 20 Jahren im Nebenerwerb Maschinen repariert, die Kundenzahl und damit die Arbeitsbelastung stiegen in dieser Zeitspanne laufend an. Entsprechend knapp war meine Freizeit. Das hatte nicht nur Folgen für mein persönliches Wohlbefinden. Es wirkte sich auch negativ auf mein Privatleben aus.» Seit kurzem ist er von seiner ersten Frau geschieden.

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Wertvolles Umfeld auf Hof

Seine wirtschaftliche Situation habe sich durch die Aufgabe der Reparatur-Werkstatt sicher verschlechtert, die Lebensqualität hingegen sei gestiegen. «Kürzlich war ich sogar erstmals am Meer, das hat mir ganz gut gefallen.» Wie negativ sich eine hohe Arbeitsbelastung zusammen mit persönlichen Problemen auf die psychische Gesundheit auswirken kann, weiss auch Stefanie Berner. Als Sozialpädagogin betreut sie Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. «Für viele Menschen wäre es wertvoll, wenn sie in einem natürlichen Umfeld, wie es ein Bauernhof bietet, einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen könnten.» Tagesstrukturplätze seien gesucht, es sei darum gut möglich, dass zukünftig auf dem Biohof Grossmatt ein entsprechendes Angebot geschaffen werde. «Auf unserem Hof herrscht jetzt schon emsiges Treiben. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in unseren Arbeitsalltag zu integrieren, wäre für uns eine interessante Herausforderung, die wir gerne annehmen würden», so Josef Ulrich. Er schätze es mittlerweile, sich mit Menschen über eine natürliche Lebensmittelproduktion auszutauschen, entsprechend freut er sich auch auf den Biomarkt O Sole Bio.

Biomarkt O Sole Bio – Direktvermarktung hat noch Potenzial
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Der Biohof Grossmatt wird seine Produkte am 30. August am Biomarkt O Sole Bio zusammen mit zwei weiteren Schwyzer Betrieben an einem Gemeinschaftsstand anbieten. Ebenfalls mit seinen Bioprodukten in Zug vor Ort sein wird der Biohof Isehuet aus dem luzernischen Altbüron. Betriebsleiter und Bio-Luzern Co-Präsident Toni Büchler freut sich auf den traditionellen Biomarkt. Er sieht in der Bio-Direktvermarktung noch viel Potenzial: «Der Aufbau von Direktverkauf-Absatzmärkten ist zwar anspruchsvoll und benötigt Zeit, kann man den Kunden aber regionale Bio-Produkte mit einer Geschichte anbieten, sehe ich bei fast allen Produkte-Gruppen noch bedeutendes Marktpotential», so Toni Büchler. Er verkauft seine eigenen Produkte unter dem Jahr in seinem Hofladen, an zwei kleinen regionalen Märkten und über Verkaufsläden. Insbesondere beim Gemüse und bei den Beeren sei die Nachfrage im Moment enorm.

Bei Biomarkt O Sole Bio, der bereits zum 17. Mal stattfindet, geht es gemäss Toni Büchler aber nicht nur um den Produktverkauf. Der Kontakt mit der Bevölkerung sei ebenso wichtig, denn die Bäuerinnen und Bauern seien die glaubwürdigsten Markenbotschafter des Biolandbaus. An den 50 Ständen werden Produkte von A wie Alpenbier bis Z wie Zopf zu finden sein. Auch am diesjährigen Biomarkt kann aber nicht nur eingekauft werden. An diversen Essständen kann man sich von 8 bis 18 Uhr kulinarisch verwöhnen lassen. Zudem lädt das Rahmenprogramm mit Musik, Handwerk und vielem mehr an der Zuger Seepromenade zum Verweilen ein.