«Fürs Auswandern bin ich ein zu grosser Bünzli», sagt Thomas Scherrer, Landwirt aus dem Neckertal. Schon rein praktisch käme ein solcher Schritt für ihn nicht infrage: Erst Anfang Januar haben die frisch verheirateten Thomas und Nicole Scherrer den elterlichen Betrieb von Thomas übernommen. Dieser liegt auf rund 700 Metern über Meer, mitten in der von saftig grünen Wiesen und tannigen Wälder geprägten Hügellandschaft des Toggenburgs.

Milchkühe und «Me-time»

Die 30 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche bestehen grösstenteils aus Grünland. Auf 2,5 Hektaren wächst Mais für die Milchkühe. Der Betrieb hält 25 Kühe der Rassen Brown Swiss und Red Holstein mit einer durchschnittlichen Milchleistung von 7000 Kilogramm pro Jahr. Hinzu kommen 10 bis 12 eigene Rinder sowie 10 bis 15 Tiere in Aufzuchtverträgen.

Neben Thomas Scherer arbeitet auch noch für die nächsten fünf Jahre sein Vater auf dem Betrieb mit. Zudem arbeitet Thomas Teilzeit als Futtermittelberater und sein Vater Vollzeit auswärts.

Er schätze die Erfahrung seines Vaters mit über 35 Arbeitsjahren sehr. Ausserdem gewinne er so mehr Flexibilität, Freizeit und «Me-time» – Zeit für sich und seine Frau. «Das muss heutzutage drin liegen. In der Freizeit schaltet man ab und schaut über den eigenen Tellerrand. Das bringt einen auch auf dem Betrieb weiter», sagt er. Diese Haltung beobachte er auch bei gleichaltrigen Berufskollegen.

«Freizeit, Flexibilität und Me-time – das muss heutzutage drinliegen.»

Thomas Scherrer über das Leben neben der Landwirtschaft.

Rinder und Ackerbau

Im Vergleich zu älteren Jahrgängen seien die Jüngeren offener eingestellt – auch im Haushalt und bei dem «klassischen» Mann-Frau-Verhältnis. «Meine Frau arbeitet viel auswärts, ich auf dem Betrieb. Für mich ist klar, dass ich im Haushalt meinen Teil leiste und dass wir auch mal zusammen in die Ferien gehen.»

Flexibilität und Offenheit seien auch im Betrieb wichtig. «Unternehmerisch denken, Zahlen im Blick haben sowie Abläufe und Traditionen hinterfragen» – so beschreibt er seine Arbeitsweise.

In Zukunft wird er die Milchwirtschaft weiterführen, die Rinderaufzucht ausbauen und sich auf die Bewirtschaftung von 8 ha Eigenwald konzentrieren. Dazu interessiert er sich noch für den Ackerbau, insbesondere den Anbau von Weizen, den er unter dem Label «Alpsteinkorn» produzieren könnte.

Diese Aufstellung macht wirtschaftlich Sinn. Die Zahlen dazu liefert ihm die Betriebsstudie, die er während seiner Betriebsleiterschule erstellte.

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Zufällig reingerutscht

Thomas Scherrer begann schon früh, verschiedene Erfahrungen in der Landwirtschaft zu sammeln. Das erste Lehrjahr verbrachte er auf einem Gemüsebaubetrieb im Rheintal, das zweite auf einem Munimastbetrieb mit Ackerbau sowie Feldgemüse und das dritte Lehrjahr auf einem Milchwirtschaftsbetrieb mit Ackerbau und Pferdepension.

Danach arbeitet Thomas Scherrer für ein Jahr als Betriebsnothelfer auf wechselnden St. Galler Landwirtschaftsbetrieben – also eine Art Feuerwehr für Höfe in Not. Später ging er für vier Monate zum Arbeiten auf einen Milchwirtschaftsbetrieb nach Neuseeland. Hier fand er: «500 ha Fläche, 800 Milchkühe, Vollweide und alles, was man braucht – Seen, Berge und das Meer.» Thomas Scherrer kam jedoch wieder zurück in die Schweiz.

«Wir suchen jemanden, der das Berggebiet vertritt. Hast du nicht Lust mitzumachen?», habe ihn der Präsident der Jula St. Gallen, Jan Müller, gefragt.

Er kenne einige Berufskollegen, die über politische Entscheide schimpfen würden. Für Thomas Scherrer steht jedoch fest: «Wer sich einbringt, kann mitbestimmen. Wer nichts macht, darf sich nicht beklagen.» Und er stieg darum bei der Jula ein.

Es ist ein Entscheid, den er nicht bereut – er schätzt den Austausch mit den Landwirten aus den anderen Regionen. Zudem biete die Jula einen wesentlichen Vorteil – man diskutiere bereits jetzt über politische Entscheide, die in zwei Jahren anstehen. Das schafft Voraussicht. Die Jula sei darum der ideale Ort, um erste Erfahrungen in der Politik und der Verbandsarbeit zu sammeln. Das könne später auch einer politischen Karriere zugutekommen.

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«Ein besonderer Lifestyle»

Thomas Scherrer verfolgt diese Ziele jedoch nicht. «Dafür fehlt es mir jetzt, wo ich den Betrieb übernommen habe, die Zeit.» Fürs Erste konzentriert er sich auf die Familie und seinen Landwirtschaftsbetrieb und betrachtet es als Privileg, ein Landwirt zu sein: «Wenn man an einem Ort arbeitet, an dem andere in die Ferien gehen und wandern, dann wird das Leben auf dem eigenen Hof schon zu einem besonderen Lifestyle.»

Betrieb Scherrer

Thomas und Nicole Scherrer

Ort: Neckertal
Bewirtschaftete Nutzfläche: 30 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, davon 2,5 ha offene Ackerfläche (Mais) und 8 ha Wald
Viehbestand: 25 Milchkühe der Rasse Brown Swiss und Red Holstein, 10 bis 15 Rinder in Vertragsaufzucht sowie 10 bis 12 eigene Rinder