11 Kilo Schokolade. So viel geniessen wir in der Schweiz pro Person und Jahr. Vor Ostern ist Schokolade besonders gefragt. Das mag zum einen mit schönen Kindheitserinnerungen und Nostalgie zu tun haben. Zum anderen liegt es auch an der Textur der Schokolade, wie Forscher der Universität im englischen Leeds letztes Jahr herausfanden: Der Wechsel von fest zu cremig, sobald man ein Stück in den Mund nimmt, macht es aus.

Zudem ist der Geschmack von Schokolade sehr vielseitig. Über 600 Aromen sollen bei einer Kakaobohne zu entdecken sein. Seit rund zwei Jahren kommen bei Schoko-Kreationen vermehrt auch fruchtige, frische Komponenten dazu.

Die ganze Frucht verwerten

Das liegt am Kakaofruchtsaft. Er wird aus der Pulpe, dem Fruchtfleisch der Kakaoschote, gewonnen. In der Konsistenz ist der Saft leicht cremig, mit einem Hauch aus zartem Rosa. Im Geschmack ist er fruchtig, frisch, mit feiner Säure.

Sein Aroma erinnert an exotische Früchte wie Grapefruit, Litschi oder Ananas. Dank seines hohen Fruchtzuckeranteils kann er den Rüben- oder Zuckerrohrzucker ersetzen, er gilt als Superfood. So entsteht eine Schokolade, die zu 100 Prozent aus der Kakaoschote stammt.

Was so einfach klingt, ist in der Herstellung eine «Knacknuss», verbindet sich doch Wasser nicht mit Fett und daher nicht mit der Kakaobutter. Sepp Schönbächler reizte die Aufgabe. Er ist Entwicklungschef bei Felchlin in Ibach, einem Familienunternehmen, das sortenreine Kuvertüren für Confiseure und Chocolatiers herstellt.

Tropfenweise fügte er dem Edelkakao Bolivia konzentrierten Kakaofruchtsaft zu. Ein Verfahren, das Zeit und Fingerspitzengefühl braucht. Schliesslich entstand die «Cacao Fruit Couverture» aus 78 Prozent Kakaobohnen und Kakaofruchtsaft.

Felchlin ist nicht das einzige Unternehmen, welches im Kakaofruchtsaft Potenzial sieht. Lindt, ein anderer grosser Schokoladenanbieter in der Schweiz, verfolgt den gleichen Ansatz. Allerdings trocknet er den Fruchtsaft, was die Schokoladenproduktion massiv vereinfacht und beschleunigt. Zusätzlich werden Fruktose und ein raffinierter Fruchtzucker daraus isoliert, die ebenfalls zum Süssen der Kakaomasse verwendet werden.

Mehrwert für Kakaobauern

Gewinner aus dieser Innovation sind auch die Kakaobauern. Denn die Bohnen machen nur rund ein Viertel der Kakaoschote aus. Die Pulpe, das Fruchtfleisch, macht weitere 25 Prozent aus. Bis anhin wurde es nach der Fermentation der Kakaobohnen zusammen mit der Schale weggeworfen, allenfalls von der lokalen Bevölkerung gelutscht. Das ergab einen grossen Verlust an Rohstoffen.

Eher durch Zufall kamen Benjamin Kuschnik und Anian Schreiber 2017 darauf, aus dem Fruchtfleisch Saft zu gewinnen. Zusammengebracht hat die beiden die Überzeugung, dass die Solartechnik neue Möglichkeiten der Wertschöpfung in Westafrika eröffnet.

In Ghana, dem zweitgrössten Produzenten von Kakaobohnen, starteten die studierten Betriebswirtschafter mit Unterstützung von Fachleuten der Firmen Felchlin und Schweizer und ghanaischen Hochschulen das Unternehmen Koa.

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Verarbeitung vor Ort

Mit mobilen Verarbeitungsstationen wird dabei der Fruchtsaft aus der Pulpe direkt auf den Kakaoplantagen gewonnen und mit Strom aus Photovoltaik sofort gekühlt. So gärt er nicht. Dank der Verwertung des Fruchtfleisches wird die Wertschöpfung vor Ort grösser. Gleichzeitig erhält die lokale Bevölkerung mehr Erwerbsmöglichkeiten.

Yvonne Prudente-Bebié übernahm 2019 die Bäckerei Confiserie Bebié in Luzern von ihren Eltern. Als Quereinsteigerin und Familienfrau stellte sie sich der zweijährigen Ausbildung mit Berufsprüfung zur Branchenspezialistin an der Bäckereifachschule Richemont. Für ihre Diplomarbeit setzte sie sich ein ehrgeiziges Ziel: «Ich wollte eine Praline auf den Markt bringen, die auf der ganzen Linie nachhaltig ist – von der Kakaobohne bis zur Verpackung.»

Tüfteln mit Kakaofruchtsaft

Dazu sollte die Schokoladenkreation vegan und laktosefrei sein. Da kam ihr der Kakaofruchtsaft wie gelegen. Ihre Confiseurin tüftelte an einer Ganache-Füllung, bei der sie den Rahm durch den Fruchtsaft und die Butter durch eine pflanzliche ersetzte. Für den Überzug entschieden sie sich für die «Grand Cru Sambirano 68 Prozent» von Felchlin. «Die Cacao Fruit Couverture war uns in der Kombination mit der Füllung zu stark», begründet Yvonne Prudente-Bebié diesen Entscheid.

Davon, dass auch diese Kakaobohnen nachhaltig und sozialverträglich angebaut werden, konnte sie sich auf einer Reise nach Madagaskar überzeugen. «Ich bin tief beeindruckt, wie einfach die Menschen dort leben und wie zufrieden sie sind.»

Felchlin unterstützt die Kakaobauern mit Know-how und mit finanziellen Beiträgen für soziale Einrichtungen. Yvonne Prudente-Bebié selbst übernimmt für sechs Jahre die Krankenkassenprämien für eine Gemeinde. Die Praline ist seit Mitte 2022 in ihrem Geschäft erhältlich. «Ich bin stolz auf das

Erreichte. ‹Koa Cru› ist keine Eintagsfliege», sagt sie. Drei Tage nimmt die Herstellung der Praline «Koa Cru» in Anspruch. Gegessen ist sie schneller – zurück bleiben ein lieblicher Kakaogeschmack und mehrfach Glücksgefühle.

Schoggi-Wissen

Was steckt in der Schokolade drin? In dunkler Schokolade beträgt der Kakaoanteil oft 64 bis 90 Prozent. Milchschokolade enthält etwa einen Viertel Kakao und zusätzlich Milchpulver. Weisse Schokolade besteht nur aus Kakaobutter und Zucker.

Kakaobohnen sind reich an Magnesium, Kalzium, Antioxidantien und an stimulierenden Botenstoffen wie Phenylethylamin, Serotonin, Theobromin und Tryptophan. Dazu enthalten sie Eisen, Kalium, Vitamin C, Omega-6-Fettsäuren.

Bei der Qualitätseinteilung wird zwischen Konsumkakao und Edelkakao unterschieden. Edle Kakaosorten sind Criollo und Trinitario. Sie haben einen Marktanteil von 6 Prozent.

Als Rohkakao wird ungerösteter Kakao bezeichnet, die Bohnen werden nur getrocknet und schmecken ursprünglicher. Für Kakao-Nibs werden Kakaobohnen in kleine Stücke gebrochen. Man kann sie etwa in ein Müesli oder einen Nuss-Snack mischen. Werden die Kakao-Nibs gewalzt, entsteht Kakaomasse und Kakaobutter. Die Masse wird dann bei schonenden Temperaturen zu Pulver gemahlen.